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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Unternehmensführung, ökologische

1. Entwicklungsphasen der ökologischen Unternehmensführung Seit Mitte der 70er Jahre werden Umweltschutzfragen auf politischer und gesellschaftlicher Ebene verstärkt aufgegriffen. Ordnet man die unterschiedlichen Reaktionsmuster der Unternehmen, so lassen sich drei Phasen unterscheiden: In einem ersten Schritt kommt es zu weitgehend passiven Reaktionen auf Vorschriften des Gesetzgebers mittels nachgeschalteter Rückhalte- und Beseitigungstechnologien. Typische Maßnahmen der Industrie sind Filter im Schornstein, Abwasserkläranlagen oder die Abfallentsorgung durch geordnete Deponierung; insgesamt Techniken, bei denen umweltbelastende Stoffe erst End of Pipe herausgefiltert werden. Bei den meisten Betrieben dominiert die nachsorgende Emissionsminderung auch heute noch das Umweltschutzverhalten. Umweltpolitisch sind additive Technologien vornehmlich unter dem Aspekt der kurzfristigen Gefahrenabwehr und unter gesundheitspolitischen Erwägungen zu bewerten. Im wesentlichen vermindern sie lokale Schadstoffkonzentrationen durch räumliche Verteilung (Politik der hohen Schornsteine) oder durch zeitliche Problemverschiebung (z. B. auf Mülldeponien). Der langfristige ökologische Nutzen ist weniger deutlich. In der Betriebswirtschaftslehre wird heute einhellig die Ergänzung der End-of-PipeMaßnahmen durch den produktionsintegrierten Umweltschutz gefordert. Während Filtertechnologien zwangsläufig Kostenerhöhungen bewirken und einen abnehmenden Grenznutzen aufweisen, lassen sich - in vielen Praxisfällen belegt - durch innovative Produktionstechnologien oder die Rückschleusung von Abfällen in die Fertigung neue Wege kostengünstiger und emissionsarmer Produktion erschließen. Den höheren Investitions- und F & E-Kosten stehen dann deutlich niedrigere Betriebskosten gegenüber. Umweltschutz wird in diesem Stadium nicht mehr ausschließlich als kostenverursachende Einflußgröße aufgefaßt. Vielmehr werden die ökonomischen Potentiale betont: Ressourceneinsparung, Mitarbeitermotivation, Vermeidung von Umwelthaftungsrisiken, Verkürzung von -Genehmigungsverfahren usf. Der innerbetriebliche Umweltschutz greift jedoch immer noch zu kurz, im Kern umfaßt er nicht mehr als die bewußte Akzentuierung bestehender Tendenzen der Produktionstechnik. Durch die Konzentration auf die betriebliche Sphäre wird nur ein kleiner Teil der Umweltprobleme aufgegriffen: Rohstoffabbau, Lieferanten, Transport, Ge- bzw. Verbrauch, Recycling und Entsorgung bleiben ausgeblendet. Außerdem werden die Marktchancen, die mit der gestiegenen Sensibilität vieler Verbraucher verknüpft sind, außer acht gelassen. Aus betriebswirtschaftlicher wie aus umweltpolitischer Sicht kommt daher der umweltorientierten Produktgestaltung eine herausragende Bedeutung zu. Zentrale Elemente sind die Berücksichtigung der gesamten Wertschöpfungskette, die ganzheitliche Analyse aller potentiellen Umweltschäden und die Einbeziehung der Produktnutzung. Der politische Rahmen für eine ökologisch orientierte Produktgestaltung ist in den letzten Jahren in der Debatte um eine Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung (Sustainable Development) konzipiert worden. Letztlich hat sich gezeigt, daß der gegenwärtige ökonomische Entwicklungspfad den Kriterien einer dauerhaften Entwicklung, die auch den Interessen zukünftiger Generationen gerecht wird, nicht entspricht. Dies vor allem, weil viele Entwicklungs- und Schwellenländer dem westlichen Wohlstandsmodell nachstreben. Langfristig müssen daher in den technologisch führenden Unternehmen neue Produkte entwickelt werden, die es erlauben, Bedürfnisse mit einem erheblich geringeren Umwelteinsatz zu befriedigen. Voraussetzung dafür ist nicht nur ein hohes F & E-Niveau, sondern auch eine enge Verzahnung der Produktentwicklung mit dem Marketing. Ein umweltorientiertes Unternehmen muß Verbrauchstrends identifizieren und auch aktiv initiieren, die sich als kompatibel mit ökologischen Forderungen erweisen. Kernelemente eines so verstandenen Umweltmanagements werden im folgenden skizziert. 2. Wertschöpfungsübergreifende Informationsströme Die ökologische Produktgestaltung als Ziel eines modernen Umweltmanagements wirft weitreichende informatorische und organisatorische Probleme auf. Umweltbelastungen unterschiedlichster Art entstehen auf allen Produktions- und Distributionsstufen. Ein Hersteller, der ein umweltfreundliches Produkt gestalten will, muß daher zunächst Transparenz über die unterschiedlichen Problemfelder gewinnen. Am Beispiel der Textilproduktion läßt sich die Komplexität weitverzweigter Produktionsstrukturen gut verdeutlichen. Häufig wissen Bekleidungshersteller so gut wie nichts über die ökologischen Auswirkungen der Produktionsverfahren in den Vorstufen. Die Kommunikation zu den Vorlieferanten bezieht sich in aller Regel nur auf Preise und Stoffqualitäten, nicht auf Energieverbrauch, Schadstoffbelastung u. a. So mußte die STEILMANN-Gruppe (der größte deutsche Textilproduzent) bei ihrem Versuch der ökologischen Produktoptimierung pro Saison ca. 2.000 Artikel mit jeweils durchschnittlich fünf Farben und mehrere hundert Lieferanten bewerten. Hinzu kommt eine niedrige Stabilität der Geschäftsbeziehungen durch den häufigen Wechsel der Vorlieferanten und Global-Sourcing-Konzepte. Schließlich wissen auch die Vorlieferanten, die vielfach in Niedriglohnländern angesiedelt sind, wenig über die Schädlichkeit der bei ihnen eingesetzten Farben, Ausrüstungs- und Veredelungshilfsmittel. Ein produktbezogenes Umweltmanagement verlangt mithin neue Formen zur Koordination der Wertschöpfungskette. Es müssen überbetriebliche Informationsströme aufgebaut werden, die den einzelnen Unternehmen die Bewertung der vor- oder nachgelagerten Prozesßstufen ermöglichen. So hat STEILMANN einen ausführlichen Fragenkatalog zur Umweltverträglichkeit der Vorprodukte entwickelt, den alle Lieferanten ausfüllen müssen. Zusätzlich sind Kontrollstrukturen einzurichten, mit denen bspw. überprüft werden kann, ob ein Lieferant ökologischer Baumwolle tatsächlich keine Pestizide einsetzt. Die hier nur grob skizzierten Probleme zeigen, daß beim Umweltmanagement neue Wege des Informationsaustausches und der Wertschöpfungskoordination gegangen werden müssen. Angesichts der vielfältigen Unsicherheiten und Abstimmungsprobleme geht eine ganzheitliche ökologische Produktpolitik daher häufig mit einer Erhöhung der Wertschöpfungstiefe einher. So engagiert sich der größte deutsche Anbieter von Öko-Textilien - HESS NATUR - bei Bio-Baumwoll-Anbauprojekten in Lateinamerika, bei der Entwicklung neuer Farbstoffe usf. Die heute üblichen fragmentierten Wertschöpfungsketten mit hohem Outsourcing, globalem Einkauf und häufigem Lieferantenwechsel sind ein zentrales Hindernis für eine ökologische Produktgestaltung. Angesichts des großen Informations- und Koordinationsbedarfs sind verstärkte Eigenfertigung und stabile Kooperationen mit ausgewählten Lieferanten zumindest in der Einführungsphase notwendig. 3. Vorsorgeorientierung Die Generierung wertschöpfungsübergreifenden Wissens betrifft vor allem die Organisation zwischenbetrieblicher Schnittstellen und die Frage der Wertschöpfungstiefe. Das Umweltmanagement muß sich jedoch noch in einer anderen Hinsicht mit Informationsproblemen auseinandersetzen. Ein innovationsorientiertes Umweltmanagement ist auf die frühzeitige Integration naturwissenschaftlicher Erkenntnisse angewiesen. Dabei unterliegt die ökologische Forschung einer hohen Veränderungsgeschwindigkeit. So hat sich in den letzten 25 Jahren die Zahl der als krebserregend nachgewiesenen Substanzen verzwanzigfacht. Die Unternehmen müssen ein intensives Wissenschaftsmonitoring betreiben, um frühzeitig auf neue Forschungserkenntnisse reagieren zu können. Vielfach wird es notwendig sein, eine eigene Umweltforschung aufzubauen. Insgesamt ist allerdings das Wissen um die Zusammenhänge im Umweltschutz und um die Wirkungen einzelner Produkte (insb. Chemikalien) immer noch gering. Von den mehr als 100.000 synthetischen Stoffen sind nur wenige systematisch auf ihre gesundheitlichen und ökologischen Folgen untersucht. Angesichts der daraus entstehenden hohen Unsicherheit sollte ein marktorientiertes Umweltmanagement grundsätzlich auf das Vorsorgeprinzip ausgerichtet sein. Dessen Kernelemente sind: Risikoarme Produkte: Hier geht es darum, bestimmte risikobehaftete Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe durch fehlerfreundliche, sanfte Alternativen zu substituieren. So hat sich in den letzten Jahrzehnten gezeigt, daß die Chlorchemie als eine verbreitete Richtung der Grundstoffchemie vielfältige ökologische Gefährdungen hervorgebracht hat, etwa die Dioxinfreisetzung bei PVC. Es handelt sich nicht um vermeidbare Randprobleme, sondern um eine Technologie mit einem grundlegenden Gefährdungspotential. Ein wichtiges Kriterium für risikoarme Erzeugnisse ist dagegen, daß die Einsatzstoffe abbaubar sind, d. h. sich nicht in der Umwelt anreichern und dadurch kumulative Langfristeffekte verursachen. Auch sollten sie nicht zu tief in natürliche Prozesse eingreifen, weil dann die Folgen unkalkulierbar werden. Beispiele aus der Unternehmenspraxis für risikoarme Produkte sind der Einsatz nachwachsender Rohstoffe in Waschmitteln bei HENKEL oder die Produktion von Farben auf Basis natürlicher Materialien durch AURO. Rohstoffeinsparungen: Der Energie- und Materialeinsatz bei der Produktgestaltung muß insgesamt herabgesetzt werden. Diese Forderung wirkt zunächst trivial, sie erweist sich jedoch in der Praxis unter technischen und marktlichen Gesichtspunkten als ausgesprochen anspruchsvoll. Die technische Herausforderung liegt in der Miniaturisierung und der Effizienzoptimierung von Produkten, wobei die neuere ökologische Forschung darauf verweist, daß es notwendig ist, innerhalb der nächsten Jahrzehnte den Energie- und Materialverbrauch pro Erzeugnis um den Faktor 5 bis 10 zu verringern (Effizienzrevolution). Mit Blick auf den Markt ist darauf zu achten, daß Effizienzsteigerungen nicht durch Konsumänderungen kompensiert werden. So hat sich die Motortechnologie im Laufe der Zeit - auch aus ökologischer Sicht - erheblich verbessert. Durch die Vermarktung schnellerer und größerer Autos wird dieser Effekt jedoch teilweise kompensiert. Der Durchschnittsverbrauch pro Pkw ist seit zwei Jahrzehnten fast unverändert. 4. Bedürfnisorientiertes Produktmanagement Eine ökologische Produktoptimierung, die allein auf eine wertschöpfungskettenübergreifende Verringerung des Rohstoff-, Energie- und Schadstoffeinsatzes zielt, berücksichtigt nur eine Handlungsebene des produktbezogenen Umweltverbrauchs. Eine zweite, ebenso wichtige Variable ist die häufig vergessene Produktnutzung. Daß ein marktorientiertes Umweltmanagement an den Bedürfnissen der Verbraucher ansetzen sollte, ist theoretisch unstrittig, praktisch jedoch kaum verwirklicht. Die meisten Unternehmen definieren ihre Geschäftsfelder in erster Linie technikbezogen: Ein Automobilkonzern sieht sich als Produzent von Fahrzeugen, nicht als Mobilitätsdienstleister, der intelligente Nutzungskonzepte für die möglichst umweltverträgliche Raumüberbrückung entwickelt. In ökologischer Hinsicht kommt es aber darauf an, Problemlösungen zu gestalten, die es erlauben, bestimmte Bedürfnisse mit möglichst wenig Güterproduktion zu befriedigen. So kann die Nutzung von Autos ggf. zu einem Teil durch Integration der Verkehrsträger, Car-Sharing oder Leasing-Modelle oder Telekommunikationsmöglichkeiten reduziert werden. Entscheidende Einsichten in die Möglichkeiten einer Unternehmenspolitik, die an Funktionen/Bedürfnisse statt an einzelnen Gütern und Techniken ausgerichtet ist, wurden in der Energiedebatte erzielt. Das in den USA entwickelte Prinzip des Least Cost Planning (LCP) ist ein Beispiel dafür, wie betriebswirtschaftliche Rentabilität und Umweltschutz auf einen Nenner gebracht werden können. LCP ist eine integrierte Betrachtung der Angebots- und der Nachfrageseite des Energiesektors, d. h. die Energieversorgungsunternehmen versuchen, bevor sie ihr Angebot durch den Bau eines neuen Kraftwerks ausweiten, bei ihren Kunden alle Einsparmaßnahmen zu realisieren, deren Kosten unter denen der sonst notwendigen Erweiterungsinvestition liegen. Angestrebt wird also eine Minimalkostenkombination von Zubau- und Einsparmaßnahmen. Ökonomisch ist dies für die Anbieter lohnend, wenn sie die Energieeinsparkosten auf den Strompreis umlegen dürfen. Ausgangspunkt von LCP ist die Abkehr von einem zu engen produktorientierten Denken. Energieunternehmen sehen ihr Geschäftsfeld nicht mehr im maximalen Verkauf von Primärenergie, sondern in der Bereitstellung von warmen und beleuchteten Räumen, gekühlten Speisen etc. Ihr Selbstverständnis wandelt sich damit vom Energielieferanten zum Energiedienstleister und schließt das Energiesparen genauso ein wie die Energieproduktion. Die konkreten Maßnahmen zur Erschließung von Einsparpotentialen sind vielfältig: Informations- und Beratungsprogramme, Auszahlung von Prämien beim Kauf effizienter Geräte, Direktinvestitionen und kostenlose Dienstleistungen. Diese Maßnahmen setzen daran an, daß Endverbraucher, aber auch kommerzielle Nachfrager häufig weder die notwendigen Informationen noch einen entsprechenden Planungsund Investitionshorizont haben, um alle betriebswirtschaftlich lohnenden Energiesparmöglichkeiten zu realisieren. Solche Handlungsdefizite der Nachfrager sind typisch für viele Märkte. Insgesamt erweist sich eine bedürfnisorientierte Marketingpolitik als vorteilhaft für alle Beteiligten: Für das Unternehmen durch eingesparte Brennstoff- und Investitionskosten (die Überwälzbarkeit der Einsparkosten auf die Strompreise vorausgesetzt), für die Kunden durch eine insgesamt sinkende Stromrechnung und gesamtgesellschaftlich durch die abnehmende Umweltbelastung. Langfristig betrachtet wird die Energieerzeugung aus umweltpolitischen Gründen schrumpfen müssen (Klimaschutz). Eine bedürfnisorientierte Unternehmenspolitik erweitert das Geschäftsfeld und ermöglicht letztlich eine systematische, unternehmenskontrollierte und profitable Verlagerung der Kernkompetenzen. 5. Stakeholderorientierung Die ökologische Forschung kann die Frage nach der zukünftigen Gestaltung von Produktionsprozessen und Produkten nicht allein beantworten. Normative Leitbilder wie das der Nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung sind weitgehend interpretationsoffen (Umweltschutzleitbilder); zudem unterliegen konkrete Umsetzungsvorschläge einemAbwägungsprozeß zwischen sozialen, ökologischen und ökonomischen Anforderungen. Verantwortliches Handeln kann sich nur im gesellschaftlichen Diskurs entwickeln, d. h. bezüglich der Relevanz von Umweltzielen und ihrer u. Unternehmensführung, ökologische konfliktären Beziehung zu anderen (ökonomischen, sozialen) Ansprüchen muß ein Unternehmen Handlungsperspektiven aus der Auseinandersetzung mit den verschiedenen gesellschaftlichen Teilöffentlichkeiten gewinnen. Hier sei der Fall SHELL (Brent Spar) aufgegriffen: Aus technisch-naturwissenschaftlicher Sicht stellte die Versenkung der Ölplattform kein größeres Problem dar. Das Unternehmen hatte jedoch nicht beachtet, daß wichtige Anspruchsgruppen diesen Schritt als Symbol für und als Einstieg in eine unkontrollierte Entsorgungspolitik betrachteten. Eine dialogorientierte Stakeholderkommunikation wäre also zu fordern. Ein solcher Diskurs mit externen Gruppen stellt hohe Anforderungen an die Organisation und ist von einer Stabsstelle Umweltschutz nicht zu leisten. Er ermöglicht aber die frühzeitige Einbeziehung externer Informationen in die betrieblichen Entscheidungsprozesse, dient als Promotor für organisatorisches Lernen und dem Abbau rigider Wirklichkeitskonzeptionen bei allen Beteiligten. Eine kooperative und offene Unternehmenspolitik stößt in Deutschland dennoch häufig auf Ablehnung. Viele Unternehmen verweisen auf Betriebsgeheimnisse und sind nicht bereit, die notwendigen Daten offen zu legen. Dabei ist für die Praxis der Dialog mit den Stake-holdern in Umweltfragen nichts grundsätzlich Neues, er beschränkt sich jedoch bisher auf die Beziehungen zu Politik und Verwaltung und verläuft verdeckt und intransparent (Lobbyismus). Die Formen des Dialogs zwischen Unternehmen und den einzelnen Anspruchsgruppen befinden sich noch ausnahmslos im Erprobungsstadium. Ein Beispiel sind sog. Mediationsverfahren, die in Deutschland bei der Standortplanung für umweltproblernatische Betriebe (z. B. Müllverbrennungsanlagen) auf Resonanz gestoßen sind. Im Vorfeld einer Ansiedlung wird unter Vermittlung eines fachkundigen, neutralen Dritten versucht, zur Abwehr langwieriger gerichtlicher Auseinandersetzungen eine Einigung über den Standort und die Bedingungen der Produktion zu erreichen. Involviert sind alle Beteiligten, d. h. Unternehmen, Anwohner, -Bürgerinitiativen und die Behörden. Auch im Bereich der Produktpolitik finden sich institutionalisierte Diskussionsforen. So führte PROCTER & GAMBLE unter Leitung eines neutralen Wissenschaftlers zahlreiche Gespräche zur Umweltverträglichkeit von Waschmitteln mit -Umweltverbänden und kritischen Forschungseinrichtungen. Ein anderes Beispiel ist das Unternehmen HOECHST, das dem bekanntermaßen industriekritischen ÖKO-INSTITUT einen Auftrag zur langfristigen Umweltverträglichkeitsbewertung einer Produktlinie erteilte. Die organisatorische Umsetzung der Dialogorientierung ist anspruchsvoll. Es gilt, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß Dialogergebnisse in die interne Entscheidungsfindung einfließen können. Dabei sind vor allem zwei Erschwernisse zu beachten: Das eine besteht im zeitlichen Vorlauf von Konsensprozessen. Es bedarf der Identifikation und Einbindung der relevanten Stakeholder zu einem Zeitpunkt, in dem noch Handlungsfreiräume vorhanden sind. Eine kurzfristige, unter starkem Entscheidungsdruck stehende Initiierung von Unternehmensdialogen ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Eine zweite Schwierigkeit liegt in der deutlichen „Konkurrenzsituation“ zur ohnehin schon komplexen Gemengelage aus internen Interessen, Wertvorstellungen und Machtkonflikten. Die zusätzliche Berücksichtigung externer Informationen bringt viele Unternehmen an die Grenze ihrer Informationsverarbeitungskapazität. Fragen des Umweltmanagements sind nicht selten bereits innerhalb der Führung und Belegschaft, aber auch innerhalb der verschiedenen Anspruchsgruppen umstritten, so daß sich Risse quer durch das Personal und die Stakeholder ziehen. Die Komplexität des Schnittstellenmanagements und die Notwendigkeit einer strategischen Ausrichtung sind offensichtlich. 6. Strategische Stringenz statt operativer Hektik Im vorhergehenden Abschnitt wurde aufgezeigt, welches Vorgehen aus ökologischer Sicht notwendig ist; in diesem Kapitel geht es um die Umsetzung in betriebswirtschaftlich erfolgreiche Strategien. Analysiert man die Ansätze einer marktorientierten ökologischen Unternehmensführung der letzten 15 Jahre, so zeigt sich zunächst ein widersprüchliches Bild. Exemplarisch verdeutlicht: Die WERNER & MERTZ GmbH hat nach defizitären Erfahrungen mit einem gesundheitsschädlichen Lederspray Teile des Programms ökologisch positioniert. Mit der Marke Frosch übernimmt sie als Newcomer vor HENKEL und PROCTER & GAMBLE die Marktführerschaft in Teilen des Putz-und Reinigungssegmentes. Den Textilanbietern ESPRIT, H & M und Britta STEILMANN gelingt es nicht, Öko-Linien erfolgreich und dauerhaft zu plazieren. AEG-Hausgeräte produziert seit 1986 mit Erfolg Umweltlinien im Bereich der weißen Ware. Den Bio-Produkten im Lebensmittelsektor wird zwar durchgehend eine glänzende Zukunft prophezeit, gleichwohl werden in Deutschland nur ca. 1,5% der landwirtschaftlichen Nutzfläche für den ökologischen Anbau genutzt, verglichen mit Dänemark, Österreich und der Schweiz (jeweils über 10%) ein eher bescheidener Anteil. Gute Wachstumsraten erzielt der mittelständische Textilanbieter HESS NATUR mit Produkten, deren gesamter Lebensweg von der Rohstoff-Erzeugung über alle Be- und Verarbeitungsschritte einer ökologischen Optimierung unterworfen wird. Die Aufzählung ließe sich beliebig verlängern - eine ökologieorientierte Unternehmensführung kann ausgesprochen erfolgreich sein, ist aber kein Selbstläufer. Der Hauptgrund für die vielen Mißerfolge liegt u. E. darin, daß die meisten Anbieter im ökologischen Segment hierzulande seltsam unentschlossen agieren. Investiv-strategische Orientierungen finden sich kaum, der Markt wird dominiert von eher kurzatmigen „trialand-error“ geleiteten Vorgehensweisen. Die Umweltprodukte werden als Zweitmarke dem Normalprogramm beigefügt, ein höherer Preis bildet im allgemeinen den Kern der Vermarktungsanstrengungen. Strategisch ausgerichtete kommunikationspolitische Investitionen zum Aufbau der Markenbekanntheit und zur Überwindung von Glaubwürdigkeitsdefiziten sind selten. Es lassen sich zwei unterschiedliche strategische Orientierungen unterscheiden, die weitreichende Konsequenzen für die Unternehmensführung haben: In der Praxis scheinen gegenwärtig Nischenanbieter, die die ökologische Qualität als Kernkompetenz kommunizieren, am erfolgreichsten (vgl. etwa HESS NATUR, WASCHBÄR, AURO, DEMETER, BIOLAND usw.). In Anbetracht der schmalen ökologischen Kerngruppe - nach unseren Erhebungen weniger als 10% der deutschen Bevölkerung - liegt eine Nischenstrategie zweifellos nahe. Die Produkte (meist als Markenfamilie konzipiert) lassen sich relativ prägnant und glaubwürdig positionieren. Mit der bevorzugten Hochpreispolitik wird die Preisbereitschaft der Zielgruppe ausgeschöpft, was eine vergleichsweise gute Rentabilität ermöglicht. Bei der Distribution dominiert der Direktvertrieb (Versand, AbHof-Verkauf/Factory Outlets, Herstellerfilialen) und die Kommunikationspolitik wird geprägt von stark informationsgestützten Formen der Direktansprache unter weitgehender Vermeidung massenmedialer Konzepte. Eine Nischenstrategie ist vor allem für ökologisch-spezialisierte Hersteller geeignet, da diese mit einem umweltoptimierten Programm am ehesten Kompetenz und Glaubwürdigkeit vermitteln können. Sehr viel schwerer haben es am Markt diejenigen Anbieter, die auf die Akzeptanz einer breiten Zielgruppe angewiesen sind (Massenmarkt). Es gibt zwar eine relativ große Käufergruppe (ca. 50-60% der deutschen Bevölkerung), die prinzipiell an Umweltschutz interessiert ist, diese verfügt aber über wenig Kenntnisse (Umweltzeichen, Einkaufsorte usw.) und eine geringe Mehrpreisbereitschaft. Umweltprodukte werden sich daher außerhalb der ökologischen Kerngruppe nur langsam durchsetzen; entsprechend ist der Investivcharakter eines solchen Vorgehens zu betonen, d. h. kurzfristige Markterfolge werden sich nur selten einstellen. Die ökologische Qualität muß in diesem Fall als strategischer Wettbewerbsvorteil begriffen werden, der - ähnlich wie Investitionen in Zukunftstechnologien - eine lange Amortisationsfrist, aber auch eine strukturelle Verankerung der Unternehmensorganisation benötigt. 7. Implementierung und Organisation Zur Umsetzung eines ganzheitlichen Umweltmanagements in die betriebliche Praxis bedarf es einer geeigneten Organisationsstruktur, der permanenten Motivation aller Beteiligten und vielfältiger Möglichkeiten zum individuellen und unternehmensbezogenen Lernen. Organisatorisch geht es in erster Linie um die Institutionalisierung entsprechender Schnittstellen: Abstimmung von F&E, Beschaffung, Produktion und Marketing; Einbindung naturwissenschaftlicher Forschungsergebnisse; Informatorische Vernetzung mit vor-und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen sowie Rückkopplung der politischen und gesellschaftlichen Umweltdiskusson. Die verschiedenen Organisationsmodelle bewegen sich dabei in einem Spannungsfeld aus Dezentralisierung (Integration in bestehende Organisationseinheiten) und Spezialisierung (Einrichtung von neuen Organisationseinheiten). Die Integration des Umweltschutzes in bestehende Strukturen (jeder Mitarbeiter ist in seinem Wirkungsbereich zugleich Umweltschutzexperte) soll die Verankerung der Umweltorientierung im gesamten Unternehmen fördern. Dabei besteht allerdings die Gefahr, daß die Mitarbeiter mit einer weiteren Aufgabe überfordert sind und das Thema letztlich im „business as usual“ untergeht. Im anderen Extremfall wird Umweltschutz additiv in eine Stabsabteilung ausgelagert und das gesamte umweltbezogene Wissen dort gebündelt. Nur die Umweltspezialisten des Unternehmens fühlen sich für den betrieblichen Umwelterfolg verantwortlich. In der Realität dominiert bisher diese Lösung. Fast alle größeren Unternehmen haben Betriebsbeauftragte für den Umweltschutz (Immissionsschutz, Gewässerschutz, Stör-fallbeauftragte usf.) bestellt, die als Stabsstelle tätig sind und für die Einhaltung der umweltrechtlichen Vorschriften sorgen sollen. Ihre Benennung ist z. T. gesetzlich vorgeschrieben und ihr innerbetriebliches Durchsetzungsvermögen über den engen Kernbereich ihrer Tätigkeit hinaus gering. Da es sich um technisch ausgebildete Personen handelt, kommt der Marktorientierung im allgemeinen nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Zum Einstieg in den nachsorgenden Umweltschutz (Phase 1, vgl. oben) mag eine solche Stabslösung sinnvoll sein, da sie leicht in die vorhandene Organisationsstruktur integriert werden kann. Im weiteren Verlauf des Prozesses kommt es aber darauf an, daß der Umweltschutz dezentralisiert und bereichsübergreifend institutionalisiert wird, was in der Praxis bisher nur selten erfolgt. Die Verbindung technischen und marktbezogenen Know-hows bleibt aus, weil die Produktions- und kontrollorientierte Seite zu eindeutig dominiert. Dies ändert sich selbst dann kaum, wenn die einzelnen Betriebsbeauftragten in einer Zentralabteilung „Umweltschutz“ zusammengefaßt werden. Auch diese ist im allgemeinen dem Fertigungssektor zugeordnet und hat wenig Kontakt zu Kunden und anderen Stakeholdern. Ein marktorientiertes Umweltmanagement mit den oben skizzierten Funktionen ist eine Querschnittsaufgabe, die auch als solche organisiert werden muß. Die hohe sachliche Komplexität und die notwendige Eingriffstiefe in die Unternehmensstrukturen lassen eine einfache Integration in die funktionale Organisation wenig erfolgversprechend erscheinen. Hier ist zunächst ein Prozeß der Organisationsentwicklung einzuleiten. Ähnlich wie beim Total Quality Management bedarf es einer Verankerung in der obersten Unternehmensleitung, bereichsübergreifender Umweltqualitätszirkel, einer prozeßorientierten Optimierungsanalyse und einer engen Verzahnung von F&E, Beschaffung, Produktion und Marketing. Daneben sind Projekte für wichtige, innovative Umweltschutzaufgaben einzurichten. Die Einführung eines ganzheitlich ökologisch optimierten Produktes ist vergleichbar mit einer Diversifikationsentscheidung, denn in der Regel müssen neue Zielgruppen und Absatzwege erschlossen, neue Lieferanten gefunden, Produktionstechnologien entwikkelt werden usf. Eine so weitreichende Strategieänderung ist innerhalb der vorhandenen Strukturen kaum auf Anhieb möglich. B. Kontrolle Zentrales Element einer ökologischen Unternehmensführung ist die periodische Kontrolle der Umweltleistung, d. h. die fortlaufende, systematische Überprüfung und Bewertung aller unternehmerischen Prozesse und Ergebnisse. Im Kern bestehen sie aus einem Soll-Ist-Vergleich, also aus der Ermittlung von Abweichungen zwischen Plan-und Zustandsgrößen sowie aus der Analyse der sich möglicherweise ergebenden Differenzen. Dabei können zwei Maßstäbe angesetzt werden: Materielle Umweltleistungen (ergebnisorientierte Kontrolle) und der Entwicklungsstand des Managementsystems (Umwelt-Audit). Im Fokus der ergebnisorientierten Kontrolle stehen die Handlungsresultate des Unternehmens, die entweder aggregiert (z. B. Gesamtenergieverbrauch) oder im Hinblick auf die Effizienz einzelner Produkte und Prozesse angelegt sein können. Eine ergebnisorientierte Kontrolle macht Abweichungen sichtbar, wenn diese bereits eingetreten sind; Korrekturmaßnahmen greifen also erst mit zeitlicher Verzögerung. Außerdem lassen sich Soll-Ist-Differenzen nicht immer ursächlich begründen, da die Ergebnisse vielfach nicht eindeutig einzelnen Entscheidungen zugerechnet werden können. Die bisherige Fachdiskussion hat gezeigt, daß i. a. branchenspezifische Differenzierungen notwendig sind, insbesondere dann, wenn die Kennzahlen als Grundlage für Betriebsvergleich und Benchmarking dienen sollen. Kennzahlen helfen den Unternehmen, eigene Schwachstellen zu erkennen und regen den ökologischen Wettbewerb an. Das Audit hat im Gegensatz zur ergebnisorientierten Kontrolle die permanente Oberprüfung des Managementsystems („gute ökologische Managementpraktiken“) zum Ziel. Diese ist als umfassende Revision des Datenkranzes, der Ziel- und Strategienbildung, der eingesetzten Techniken sowie der Organisation und der ergebnisorientierten Kontrolle angelegt. Bereits Ende der 70er Jahre begannen Unternehmen in den USA damit, Konzepte des Qualitäts-Auditing für Umwelt-Risiko-Prüfungen zu nutzen. Mitte der 80er Jahre fanden diese Verfahren über europäische Tochtergesellschaften Eingang in die hiesige Führungspraxis. Vor diesem Hintergrund hat die EU 1995 die EG-ÖkoAudit-Verordnung in Kraft gesetzt, an der sich Unternehmen auf freiwilliger Basis beteiligen können. Diese Verordnung ähnelt z. T. der ISO 9000-Reihe zum QualitätsAudit. Die Unternehmen müssen grundlegende ablauf- und aufbauorganisatorische Strukturen einrichten, eine Umweltpolitik entwickeln und dazu auf höchster Leitungsebene die Grundsätze des betrieblichen Umwelthandelns schriftlich festlegen. Über solche Systemanforderungen hinaus gibt die Öko-Audit-Verordnung allerdings auch drei inhaltliche Bewertungsmaßstäbe vor: Danach muß die Einhaltung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften gewährleistet sein, die - soweit ökonomisch vertretbar - beste Umwelttechnologie ist zu verwenden und eine kontinuierliche Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes ist vorzusehen. Nicht bewertet wird allerdings die Umweltqualität der Endprodukte. Vergleichbar zum Qualitäts-Audit findet sich bei der Umweltprüfung eine abschließende Kontrolle und Zertifizierung durch externe Gutachter, die sich einem staatlichen Zulassungsverfahren zu unterziehen haben. Weiterhin sieht die Verordnung die Erstellung einer Umwelterklärung durch die Betriebe vor. Die Öffentlichkeit soll in knapper, verständlicher Form ein zutreffendes Bild von den betrieblichen Umweltschutzmaßnahmen erhalten. Obwohl das Umwelt-Audit in seiner Ausgestaltung im wesentlichen auf die oben skizzierten ersten beiden Phasen des Umweltmanagements rekurriert, dominiert es derzeit die betriebliche Praxis. Es kann ein guter Einstieg ins Umweltmanagement sein, wenn das Unternehmen weniger auf das Zertifikat und die Einhaltung von Formalstandards ausgerichtet wird, sondern wenn das System als Beginn einer umfassenden Organisationsentwicklung und einer marktorientierten Umweltpolitik verstanden wird. Weiterführende Literatur: Antes, R.: Präventiver Umweltschutz und seine Organisation in Unternehmen, Wiesbaden 1996; Freimann, J.: Betriebliche Umweltpolitik, Bern u. a. 1996; Meff ert, H./ Kirchgeorg, M.: Marktorientiertes Umweltmanagement, 3. Aufl., Stuttgart 1997; Pfriem, R.: Unternehmenspolitik in sozialökologischen Perspektiven, Marburg 1995; Spiller, A.: Ökologieorientierte Produktpolitik: Forschung, Medienberichte und Marktsignale, Marburg 1996.



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