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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Organisationsentwicklung

a) als verhaltenswissenschaftliches Konzept:

"Ganzheitliches" Konzept zur Veränderung von Organisationen (Strukturen, Prozesse, des Verhaltens der Organisationsmitglieder, der Kultur), das mit Unterstützung von Methodenexperten und über gruppendynamische Prozesse den Mitgliedern der Organisation hilft, ihre Probleme zu erkennen und zu lösen. Träger der Veränderung sind also die Organisationsmitglieder selbst. Damit unterscheidet sich Organisationsentwicklung grundlegend von der klassischen Organisationsuntersuchung und -beratung, wo Veränderungsvorschläge von internen oder externen Fachleute entwickelt werden und die Realisierung oft hinter den Vorschlägen zurückbleibt.


b) als (nur) umfassendere Organisationsänderung:

Heute wird "Organisationsentwicklung" in der Verwaltung oft eher untechnisch verwendet als umfassendere Reorganisation, bei der die Mitarbeiter einbezogen werden. (OE) Im Begriff “Organisationsentwicklung” (OE) oder “Organiza­tion Development” (OD) ist “Organisation” als allgemeine hezeicnnung tur ein soziotecnniscnes System zu verstehen. Organisationsentwicklung bezeichnet den be­wußt beabsichtigten und entsprechend geplan­ten und durchgeführten Wandel von Organisatio­nen und der Verhaltensmuster, Einstellungen und Fähigkeiten ihrer Mitglieder. Ziele der Orga­nisations-Entwicklung sind: (1) Ziele für die Erhaltung der Organisation: · Entwicklung eines vertrauensvollen Klimas in der gesamten Organisation, · Entwicklung offener - Kommunikation, · offene Konfliktaustragung, · Förderung von Kooperation und - Team­arbeit, · Entwicklung der Fähigkeit zur organisatori­schen Revitalisierung. (2) Ziele für den Erfolg der Organisation: · Partizipative Formulierung klarer Organisati­onsziele, · Identifikation mit Organisationszielen, · Schaffung eines positiven Klimas für Problem­lösungen, · Steigerung der Fähigkeit zur Innovation (nach außen und innen), · Effiziente Nutzung aller Ressourcen der Or­ganisation. · Ziele für die Mitarbeiter, · Kompetenz im zwischenmenschlichen Be­reich, · Selbstkontrolle und Selbstbestimmung, · Entfaltung der gesamten Persönlichkeit, · Offenheit gegenüber Wandel. Eine verbreitete Auffassung geht dahin, dass Or­ganisationen als künstliche Organismen ebenso wie die natürlichen Organismen bestimmte Lebensphasen durchlaufen, in denen typische Probleme auftreten. Ein solches Phasenmodell stammt vom Nederland Pädagogisch Instituut (NPI), das drei aufeinanderfolgende Entwick­lungsphasen unterscheidet: · Pionierphase: Die Entwicklung einer Organisa­tion beginnt mit der Pionierphase, die durch die Persönlichkeit, die Ideen und die Tatkraft des Pionierunternehmers geprägt ist. Die Verhältnis­se sind übersichtlich und durch den engen Kon­takt mit den Mitarbeitern funktioniert die Organi­sation auf der Basis persönlicher Entscheidun­gen und Absprachen. · Organisationsphase: Ist das nicht mehr möglich, so tritt eine neue Phase ein, in der das Betriebsgeschehen durch ein System von Re­geln bestimmt wird. Systematische Planung, effi­ziente Arbeitsmethoden und rationelle Organisa­tion halten ihren Einzug. Individuelle Aktivitäten werden in spezialisierte Funktionen und Abteilun­gen aufgeteilt, deren Verbindung untereinander durch Koordination gewährleistet wird. Das bedeutet Gewinn an Ordnung, Übersicht und Vorausschau und damit erhöhte Produktivität. Die Menschen, die in der Pionierzeit noch eine persönliche Beziehung zu ihrer Arbeit hatten, werden Instrument und “Produktionsfaktor”. Der Raum für persönliche Bedürfnisse und individuel­le Entwicklung wird kleiner. Als Gegengewicht entsteht die betriebliche Fürsorge und die Sorge für das gute Betriebsklima. Ist die Produktivität in technischer Hinsicht gesteigert, bahnt sich eine Krise an, die zur dritten Entwicklungsphase führen kann. · Integrationsphase: In dieser Phase wird die Organisation ein “dynamisches System”, in dem Mensch und Arbeit zur Integration gelangen müssen. Diese Integration wird ermöglicht durch die Ausgestaltung einer “Betriebspolitik”, die je­der einzelne gut kennen und verstehen muss, da­mit er Entscheidungen treffen kann. Für die Organisationsentwicklung als dem ge­planten Wandel ist der natürliche Wandel von grundlegender Bedeutung. Je nachdem, in wel­cher Entwicklungsphase sich ein konkretes Un­ternehmen gerade befindet, können nämlich an­dere OE-Maßnahmen angebracht sein. Nach dem Gleichgewichtsmodell von Kurt Lewin gibt es in jeder Situation gleichermaßen Kräfte, die auf einen Wandel drängen, und Kräfte , die das Bestehende stabilisieren wollen. Gleichge­wicht besteht, wenn die Summe dieser Kräfte gleich ist. Dieses Gleichgewicht muss hergestellt werden, weil weder die stabilisierenden noch die progressiven Kräfte dominieren dürfen. Wenn die stabilisierenden Kräfte dominieren, droht Erstarrung; wenn die progressiven Kräfte dominieren, droht permanente Unruhe aufgrund laufender Veränderungen. Die Veränderung ei­nes Gleichgewichtszustands erfordert dreierlei: (1) Auftauen (unfreezing) des gegenwärtigen Gleichgewichts, (2) Bewegen (moving) zum neuen Gleichgewicht, (3) Einfrieren (freezing) des neuen Gleichge­wichts. Eine Erweiterung dieses Modells haben R. Lip­pitt, B. Watson und R. Westley vorgenommen, indem sie den OE-Berater (Change Agent) mit einbezogen. Er ist ein verhaltenswissenschaftlich geschulter, meist externer, Berater. Das erweiter­te Modell enthält fünf Phasen, wobei innerhalb der dritten Phase wiederum drei Stufen unter­schieden werden. (1) Entwicklung eines Bedürfnisses nach Wandel bei den Betroffenen (“Auftauen”), (2) Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zum Change Agent, (3) Durchführung des Wandels (“Bewegen”) mit den Teilphasen, · Identifikation des System-Problems, · Prüfung von alternativen Lösungen, · Realisierung des Wandels, (4) Generalisierung und Stabilisierung des Wan­dels (“Einfrieren”), (5) Abbau der Beziehung zum Change Agent, um Abhängigkeit zu vermeiden. In eine andere Richtung geht das Modell von H. J. Leavitt. Es versteht eine Organisation als ein System, in dem Menschen im Rahmen von Strukturen mit Technologien versuchen, Aufga­ben zu bewältigen. Die vier Systemvariablen ste­hen dabei in einem wechselseitigen Verhältnis, wie die folgende Abbildung zeigt: Organisationsentwicklung
Soll nun eine bestimmte Aufgabenstellung an­ders als bisher bewältigt werden, so kann die Veränderung an jeder der drei übrigen Variablen ansetzen. Dementsprechend findet man in der Literatur häufig die Unterscheidung in personale, strukturelle und technologische Ansätze der Or­gan isationsentwicklung. Die bekannteste derartige Systembetrachtung ist das 7-S-Modell, aus den Vorarbeiten der da­maligen McKinsey-Berater Thomas J. Peters und Robert H. Waterman bei ihrer Suche nach den Erfolgsursachen erfolgreicher Unternehmen ent­stand. Im OE-Prozess können verschiedene Phasen un­terschieden werden. Fast allen OE-Programmen liegt das Aktionsforschungsmodell zugrunde, das grundsätzlich aus einer ersten Diagnose, dem Sammeln von Daten durch das Klientensystem, dem Datenfeedback an das Klientensystem, der Untersuchung der Daten durch das Klientensy­stem, der Handlungsplanung und der Durch­führung der Maßnahmen besteht. Als weitere Phase läßt sich die Prüfung des neuen Istzu­stands unter dem Aspekt der gesetzten Ziele hin­zufügen. Nach Lawrence und Lorsch läuft der OE-Prozess in folgenden vier Phasen ab: (1) Diagnose: Der Ist-Zustand und die Umwelt­faktoren werden analysiert und das Ausmass der Abweichung vom gewünschten Soll-Zustand er­mittelt. (2) Aktions-Planung: Eine bestimmte Verände­rungsstrategie wird ausgewählt. (3) Implementation: Die erforderlichen Maßnah­men zur Umsetzung der Strategie in die Realität werden ergriffen und das neue Handeln ein­geübt. (4) Evaluation: Der neu entstehende Ist-Zustand wird daraufhin geprüft, ob er dem gewünschten Soll entspricht. Dies kann zugleich die erste Pha­se eines neuen OE-Prozesses sein.



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