Home | Finanzlexikon | Börsenlexikon | Banklexikon | Lexikon der BWL | Überblick
Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
Suche :        
   A   B   C   D   E   F   G   H   I   J   K   L   M   N   O   P   Q   R   S   T   U   V   W   X   Y   Z   

Umweltevaluation

1. Praxisanwendung des Evaluationsbegriffs Der Gebrauch des Evaluationsbegriffs in der Umweltpraxis offenbart eine sehr große Vielfalt. Prinzipiell sind drei verschiedene Felder zu identifizieren, in denen der Evaluationsbegriff in unterschiedlicher Form verwendet wird. Im technisch-naturwissenschaftlichen Sinn ersetzt der Begriff Evaluation zunehmend den früher gebräuchlichen Begriff der Überwachung. Institutionen wie der Technische Überwachungsverein (TÜV) kontrollieren die Einhaltung von Normen und Grenzwerten, die für bestimmte technische Einzelaspekte festgelegt wurden, und leiten im Falle der Normverletzung entsprechende Maßnahmen ein. Diese Form der Evaluation der Einhaltung technischer Normen hat in der Bundesrepublik Deutschland im Umweltbereich bereits eine lange Tradition. Vor allem in den sechziger und siebziger Jahren bestimmten Diskussionen über die Festlegung sinnvoller Grenzwerte und die zur Überwachung ihrer Einhaltung zu nutzenden Meßverfahren und Maßnahmen die wissenschaftlichen und politischen Auseinandersetzungen mit dem Umweltschutz. Ein Beispiel für entsprechende Verordnungen und die damit verbundenen Ansprüche an die Meßverfahren ist die ETA Luft. Charakteristisch ist die enge Begrenzung auf einen bestimmten, mit Hilfe technischer oder naturwissenschaftlicher Kriterien festzulegenden Teilaspekt. Ökonomische oder soziale Kriterien spielen bei dieser Art von Evaluation keine Rolle. Mittlerweile sind auf der Grundlage naturwissenschaftlich-technischer Forschungsarbeiten eine Vielzahl konkurrierender und über diese einfache Form weit hinausgehende Verfahren zur Bewertung des Umweltsystems, des Einflusses menschlicher Aktivitäten und der Auswirkungen auf die humanen Lebensbedingungen entstanden. Zu erwähnen sind beispielsweise die Umweltbewertungsforschung und verschiedene Ansätze zur Berechnung des menschlich genutzten „Umweltraum“ (z. B. der Ansatz des Ecological Footprint). Eine der ersten und etablierten Formen naturwissenschaftlich-technischer Evaluationen stellt die Umweltverträglichkeitsprüfung dar. Dieses zu Beginn der siebziger Jahre als „Environmental Impact Assessment“ in den USA eingeführte Verfahren ist Ende der achtziger Jahre auf Grundlage der europäischen UVP-Richtlinie auch in Deutschland verbindlich vorgeschrieben worden. Da die meisten dieser Formen technisch-naturwissenschaftlicher Evaluationen ökonomische Aspekte nur defizitär berücksichtigen, ergaben sich bei der Entwicklung geeigneter Umweltschutzmaßnahmen schon frühzeitig Konflikte zwischen dem technisch Machbaren und dem ökonomisch Finanzierbaren. Die Notwendigkeit des Transfers der ausschließlich im technisch-naturwissenschaftlichen Bereich angesiedelten Bewertungskriterien in das ökonomische System schien zur ausreichenden Berücksichtigung der Kosten-Nutzen-Kalkulationen von Umweltschutzmaßnahmen unabdingbar. Aus ökonomischer Sicht besteht das Umweltproblem in dem Versagen marktregulierender Mechanismen: da es sich bei der Natur um ein öffentliches Gut handelt und die Kosten zu ihrem Erhalt von allen gemeinsam getragen werden, übersteigt die Nachfrage das Angebot an unverbrauchten Umweltgütern. Den Ausgangspunkt ökonomischer Evaluationen im Umweltbereich stellte dementsprechend der Versuch dar, die Auswirkungen von Umweltnutzungen und -schädigungen zu monetarisieren, um nach dem -Verursacherprinzip eine bessere Zuweisung der Kosten erreichen zu können. Berechnet wurden dabei in der Regel die Kosten, die zur Wiederherstellung des Ausgangszustandes notwendig wären. Die Bildung geeigneter ökonomischer Indikatoren ist eine Grundvoraussetzung für diese Vorgehensweise und bestimrnte weitgehend die Diskussionen. Mittlerweile existieren eine Reihe von Konzepten und Berechnungssystemen, die eine solche Bewertung der Umweltkosten ermöglichen sollen. Die vom Statistischen Bundesamt vorgenommenen Versuche zur Integration der Umweltnutzung in die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung gehören zu den wichtigsten Ergebnissen dieser Vorgehensweise (Umweltökonomische Gesamtrechnung) Neuere integrative Ansätze haben sich von der Bewertung von Umweltbelastung in Geldeinheiten gelöst und streben eine Verbindung zwischen technisch-naturwissenschaftlichen und ökonomischen Aspekten innerhalb eines gemeinsamen Bewertungssystems an. Sie setzten zumeist auf der betrieblichen Ebene an und versuchen ökologische Gesichtspunkte in die ökonomische Denklogik zu übertragen. Beispiele für diese Vorgehensweise sind Verfahren zur ökologischen Buchhaltung bzw. Ökobilanzierung, innerbetriebliche Stoffstromanalysen (Stoffstrommanagement), die Berechnung von Material-Intensitäten pro Service-Einheit (MIPS) und die über den betrieblichen Kontext hinausgehenden Produktlinienanalysen. Der Terminus Öko-Controlling hat sich mittlerweile als Oberbegriff für diese Formen ökonomischer Umweltbewertung etabliert. Aufgrund der Zertifizierungsmöglichkeiten hat in den Betrieben der Öko-AuditAnsatz in den letzten Jahren große Bedeutung gewonnen. Die regelmäßige Überprüfung von Umweltwirkungen in Soll-IstVergleichen erfordert die Einführung eines Umweltmanagementsystems und ermöglicht Stärken-Schwächen-Analysen der ÖkoPerformance, die Aufschluß über die Ursachen für eventuelle Abweichungen von den Zielvorgaben und damit einen Ansatzpunkt für kontinuierliche Verbesserungen geben. Die zur Zertifizierung notwendige Vorgehensweise ist in verschiedenen nationalen und internationalen Richtlinien festgelegt worden, deren Einhaltung von Norminstitutionen in regelmäßigen Abständen überwacht wird. Besonders in Deutschland ist die 1995 in Kraft getretene Öko-Audit-Verordnung der Europäischen Union (EMAS) auf breite Resonanz bei den Betrieben gestoßen. Die weltweit gültigen Normierungen zum Öko-Auditing nach ISO-Standard 14001 und 14040 werden vor allem von amerikanischen und japanischen Firmen genutzt. Mit dem Öko-Audit-Ansatz konnten Verbindungen zum Qualitätsmanagement hergestellt und dadurch Umweltgesichtspunkte in das an Kundenbedürfnissen, Marktentwicklungen und Produktqualitäten orientierte Total Quality Management integriert werden. Insofern geht das Öko-Auditing weit über eine reine Evaluation von Umweltaspekten hinaus. Der Nutzen für die beteiligten Unternehmen liegt nicht nur in Marketingbereich, sondern auch in der Offenlegung von Risikoquellen und der Wahrnehmung von Einsparpotentialen begründet. Unter dem Anspruch des von den Vereinten Nationen 1987 formulierten Leitbilds der „nachhaltig zukunftsfähigen Entwicklung“ (Sustainable Development) geraten allerdings auch solche Bewertungssysteme an ihre Grenzen, da sie soziale Faktoren sowohl hinsichtlich ihrer verursachenden als auch hinsichtlich der Folgewirkungen unberücksichtigt lassen. Außerdem sind die angesprochenen naturwissenschaftlich-technischen und ökonomischen Bewertungssysteme durch die notwendige Auswahl und Festlegung der zu verwendenden Kriterien und Indikatoren begrenzt. Nicht-intendierte und bei der Konstruktion der Bewertungssysteme nicht berücksichtigte Wirkungen können dementsprechend auch nicht oder nur ungenügend erfaßt werden. Auch die stark fachspezifisch orientierten sozialwissenschaftlichen Forschungsarbeiten zu Umweltfragen (vor allem im Bereich der Umweltpädagogik, der -Umweltpsychologie und der Umweltsoziologie) bleiben auf interessante Teilaspekte begrenzt und können dementsprechend nur ergänzende Informationen bereitstellen. Eine frühe und sehr einflußreiche Form sozialwissenschaftlicher Evaluationen im Umweltbereich stellen die Konzepte und Verfahren der Technikfolgenabschätzung dar. Hier konnte sich ein breites Forschungsfeld mit starkem Anwendungsbezug etablieren, welches die Auswirkungen technischer Interventionen auf die menschliche Lebensbedingungen in den Mittelpunkt des Interesses stellte. Charakteristisch ist die interdisziplinäre Ausrichtung und die humanzentrierte Betrachtungsweise umweltpolitisch relevanter Fragestellungen. Im Unterschied zu den primär am menschlichen Beitrag zur Entstehung von Umweltproblemen bzw. dem (fehlenden) Einsatz zu deren Lösung orientierten sozialwissenschaftlichen Grundlagenforschung, beschäftigt sich die Technikfolgenabschätzung mit den Wirkungen technischer Innovationen und den Kausalbeziehungen zu den Implementationsbedingungen technischer Lösungen. Die an der Tradition der sozialwissenschaftlichen Evaluationsforschung orientierten Ansätze verstehen sich als offene Systeme, die ihre Bewertung nicht auf einen vorher fixierten Ausschnitt begrenzen, sondern alle vorhandenen Informationen berücksichtigen wollen. Sie stellen damit keineswegs nur eine Erweiterung bestehender Indikatorensysteme um soziale Aspekte dar, sondern beinhalten eine vollständig andere Denk- und Vorgehensweise. Nicht die Entwicklung geeigneter Indikatoren, sondern die Bestimmung von Wirkungsfeldern und die Definition möglicher Informationsquellen stehen bei der Entwicklung von Evaluationskonzepten im Vordergrund des Interesses. Der Anspruch der Vollständigkeit wird explizit nicht erhoben, wodurch sie einer permanenten Weiterentwicklung grundsätzlich offen stehen. Sie befinden sich nicht in Konkurrenz zu bestehenden Informationssystemen, sondern beziehen diese mit ein und verstehen sich als notwendige Ergänzung. Damit ist ihr Ansatz interdisziplinär ausgerichtet und an den Traditionen der Evaluation in anderen Politikfeldern orientiert. 2. Evaluationsforschung Die Evaluationsforschung als Teilgebiet der angewandten Sozialforschung ist bereits vor dem zweiten Weltkrieg in den USA entstanden und wurde vorrangig zur Untersuchung sozialer Programme im Bildungs- und Gesundheitswesen sowie der Stadt- und Raumplanung eingesetzt. Vor allem in den siebziger Jahren ergab sich eine rege Diskussion um Methoden und Standards für Evaluationen, es wurden neue Journale herausgegeben, Kongresse abgehalten und Organisationen von Evaluatoren gegründet. In Europa dagegen sind vergleichbare Bemühungen zur Institutionalisierung der Evaluationsforschung mit der Gründung einer europäischen Evaluationsgesellschaft und verschiedener nationaler Vereinigungen wie z. B. der Deutschen Gesellschaft für Evaluation (DeGEval) und der Schweizer Evaluationsgesellschaft (Seval) erst ab Mitte der neunziger Jahre erkennbar. Auch hier lagen die Schwerpunkte der Evaluationsforschung vor allem in der Sozial- und Gesundheitspolitik, der Bildungspolitik und der Technologiepolitik. Seit den achtziger Jahren haben Evaluationen in der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik, bei Reformprozessen in öffentlichen Verwaltungen und in der Stadt-und Regionalplanung deutlich an Bedeutung gewonnen. Der Umweltschutz gehörte dagegen sowohl in den USA als auch in Europa nicht zu den zentralen Anwendungsgebieten der Evaluationsforschung. Sozialwissenschaftliche Studien zur Evaluation von Umweltproblemen blieben abgesehen von einigen Ausnahmen vor allem im Bereich des Energieverbrauchs, des Lärmschutzes und der Abfallproduktion selbst im Rahmen größerer politischer Programme selten. Eine Ursache ist sicherlich in der vergleichsweise geringen Anerkennung der Sozialwissenschaften als kompetente Ansprechpartner in Umweltfragen zu sehen, was sich erst angesichts mangelnder Erfolge von Maßnahmen zur Steigerung des Umweltbewußtseins in den neunziger Jahren grundlegend verändert hat. Nachdem die Formel Umweltaufklärung schafft Umweltbewußtsein und Umweltbewußt-sein führt zu einem entsprechenden Verhalten durch eine Vielzahl sozialwissenschaftlicher Studien widerlegt und auf die Bedeutung sozialer Faktoren für das umweltrelevante Individualverhalten hingewiesen wurde, begann sich die Umweltdiskussion auch für sozialwissenschaftliche Fragestellungen zu öffnen und verabschiedete sich zunehmend von der Auffassung, daß Umweltprobleme rein durch technische Lösungen zu bewältigen seien. Die Popularität des Evaluationsbegriffs ist wesentlich durch die knapper werdender Mittel der öffentlichen Haushalte und die deshalb zunehmend erhobene Forderung einer Überprüfung der Wirkungen politischer Maßnahmen und Programme begründet. In der Bundesrepublik fordert beispielsweise der Bundesrechnungshof regelmäßige Evaluationen in allen Bundesressorts, was allerdings bisher noch nicht realisiert wurde. Eine langjährige Tradition und fortgeschrittene Verfahren zur Evaluation gibt es vor allem im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit. Starke Anstrengungen zur Entwicklung geeigneter Evaluationskonzepte konnten in den letzten Jahren in der Hochschul- sowie der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik festgestellt werden. Auf europäischer Ebene sind die Bemühungen zur Standardisierung von Evaluationen und ihrer Institutionalisierung als Regelverfahren bei der Durchführung politischer Programme etwas weiter fortgeschritten. Auf der politischen Ebene ist somit ein Trend zu erkennen, die bisher vor allem über Expertengutachten erfolgte Evaluation von Politikprozessen um eine „Outcome-Evaluation“ der exekutiven und operativen Maßnahmen zu ergänzen. Es geht dabei um die Beurteilung von Wirkungen, die über politische Interventionen erreicht werden können, und die Identifikation von Störfaktoren und Defiziten, für die Lösungsmöglichkeit zu erarbeiten sind. Über Programmevaluationen sollen also einerseits die Erfolge der Maßnahmen dokumentiert und andererseits Handlungsempfehlungen für die Weiterentwicklung gewonnen werden. Zentrale Fragen betreffen die Erreichung der gesetzten Ziele und Zielgruppen, die Effektivität und Effizienz der Maßnahmen und die zur Durchführung der Programme relevanten Implementationsbedingungen. Ein zentraler Aspekt ist die Kausalanalyse des Zusammenhangs zwischen Ursachen (und hier besonders des Einflusses der Interventionen) und Wirkungen (sowohl der intendierten als auch nicht-intendierten Folgen der Interventionen). Auch in der Umweltpolitik gewinnt die Erkenntnis, daß eine solche Form der Prograrnmevaluation notwendig ist, zunehmend an Bedeutung. Sowohl innerhalb des Bundesministeriums für Umwelt und des Umweltbundesamtes als auch bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt werden die Möglichkeiten zur Einführung regelmäßiger Programm- und Projektevaluationen derzeit diskutiert. 3. Definition des Evaluationsbegriffs Insgesamt stellt die unterschiedliche Nutzung des Evaluationsbegriffes für fast jede Art der Beurteilung eines Sachverhaltes nicht nur im Umweltbereich ein Problem für die mit entsprechenden Aufgaben betrauten Wissenschaftler und Praktiker dar. Bereits frühzeitig wurden deshalb in der Evaluationsforschung Anstrengungen zur genaueren Abgrenzung der Tätigkeiten von Evaluatoren unternommen. Eine gängige Definition bestimmt die Programmevaluation als „the use of social research procedures to systematically investigate the effectiveness of social intervention programs that is adapted to their political and organizational environments and designed to inform social action in ways that improve social conditions“ (Rossi u. a. 1999). In Anlehnung an dieses international anerkannte Verständnis von Programmevaluationen sollte die Nutzung des Begriffs Evaluation im Umweltbereich auf die Anwendung systematischer, wissenschaftlicher Verfahren zur Analyse und Bewertung ökologischer Sachverhalte, die sachliche, personenunabhängige, problemadäquate und für die praktische Umsetzung verwertbare Ergebnisse zu Ursachen und Wirkungen von Interventionen unter Nutzung sämtlicher für die Bewertung relevanter Informationen liefern, beschränkt bleiben. Entsprechend dieser Definition unterscheiden sich Evaluationen von der wissenschaftlichen Grundlagenforschung durch ihren Praxisbezug, von AuditVefahren durch ihre stärker analytische und neutrale Ausrichtung und von Expertenbegutachtungen durch den partizipativen Ansatz, der sämtliche an der Durchführung von Interventionen beteiligten Interessen in das Bewertungsverfahren einbindet. Damit diese oder andere Definitionen des Begriffs Umweltevaluation praxisrelevant werden können, müßten aber zunächst einige Voraussetzungen hinsichtlich der Professionalisierung der Evaluationspraxis im Umweltbereich geschaffen werden. Gegenwärtig besteht die Gefahr, daß durch den inflationären Gebrauch des Begriffs Evaluation das Profil der angebotenen Leistungen verloren geht und er auf alle bereits bisher durchgeführten Arten von Gutachtertätigkeiten angewandt wird. Bedingt durch die geringen Markteintrittsbarrieren, das fehlende Berufsbild des Evaluators mit entsprechenden Qualifizierungsmöglichkeiten und den nicht vorhandenen Titelschutz für den Begriff Evaluation stellt die Qualitätssicherung ein vorrangiges Problem dar. Dringend erforderlich ist die Definition von Mindeststandards zur Qualität von Evaluationen, die eine Abgrenzung gegen andere Bewertungsverfahren und eine Orientierung für potentielle Auftraggeber ermöglichen. Standesorganisationen, die solche Kriterien festlegen und ihre Einhaltung überwachen können, müssen die gemeinsamen kollektiven Interessen von Evaluationspraktikern, -forschern und Auftraggebern organisieren und nach außen aktiv vertreten. Forschungsinstitutionen, die eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Methoden und Verfahren gewährleistet, müssen gegründet oder entsprechende Aufgaben in bestehende Einrichtungen eingebunden werden. Aus- und Weiterbildungsangebote für Evaluatoren müssen geschaffen und eine Einigung über das notwendige Qualifikationsprofil erzielt werden. Bisher sind solche Professionalisierungsschritte allerdings nur in Ansätzen zu erkennen. Insbesondere im Umweltbereich ist derzeit die Beteiligung der dort tätigen Evaluatoren an den noch im Aufbau befindlichen Evaluationsgesellschaften sehr gering. Auch hinsichtlich der wissenschaftlichen Weiterentwicklung von Evaluationskonzepten und - methoden bestehen Defizite. Noch fehlt es an interdisziplinär besetzten Arbeitsgruppen, eingeführten und ausreichend ausgestatteten Forschungsinstituten, Publikationsmedien und anderen Plattformen des Erkenntnisaustauschs sowie der Integration in die verschiedenen wissenschaftlichen Fachdisziplinen (vor allem Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre, Psychologie, Pädagogik, Soziologie, Politikwissenschaft, Ingenieurwissenschaft, Umweltwissenschaften). Angesicht der wachsenden Ansprüche an Evaluationen, die sich vor allem durch das Leitbild der „–Nachhaltigen Entwicklung“ ergeben, besteht hier dringender Handlungsbedarf, damit Umweltevaluationen die ihnen zugewiesenen Funktionen erfüllen können. 4. Funktionen der Umweltevaluation Zu den Funktionen der Umweltevaluation zählen z. B.: • Konsistenzprüfung (Erfolgskontrolle): Prinzipiell können Evaluationen vor, während und nach der Implementierung von Umweltmaßnahmen eingesetzt werden, um die Konsistenz der Umsetzungsaktivitäten mit den vorgegebenen Zielen zu überprüfen. Ex-anteEvaluationen und Machbarkeitsstudien unterstützen die Zielfindungs- und Zielsetzungsprozesse, indem sie die Betroffenen durch partizipative Verfahren in diesen Prozeß einbinden und eine Bewertung der zu erwartenden Implementations- und Durchführungsbedingungen von Interventionen ermöglichen. Begleitende Evaluationen dienen vor allem der Steuerung von Implementationen sowie der Koordination der beteiligten Akteure und bieten ihnen eine Feedback-Schleife zur Anpassung der Ziele an die gegebenen Rahmenbedingungen. Ex-Post-Evaluationen stellen schließlich die Nachhaltigkeit der Wirkungen von Interventionen in den Mittelpunkt und ermöglichen eine zusammenfassende und bilanzierende Bewertung, die für Replaning-Prozesse genutzt werden kann. Schwachstellen-Analyse (Identifikation von Kausalzusammenhängen): Durch Evaluationen werden Schwachstellen der Maßnahmenimplementierung aufgezeigt und auf die Folgen hingewiesen. Indem sie die Ursachen für bestimmte Wirkungen identifizieren, können sie ex-ante zur Vermeidung nicht-intendierter Effekte beitragen, während der Durchführung Anregungen zur kontinuierlichen Verbesserung von Programmkonzepten und deren Umsetzung liefern und ex-post Lerneffekten für die Neukonzeption von Maßnahmen ermöglichen. Eine systematische Steigerung der Effektivität und Effizienz von Maßnahmen wird erst durch kompetent durchgeführte Kausalanalysen unter Berücksichtigung aller relevanter Einflußfaktoren ermöglicht. Moderationsfunktion (Erweiterung der Akteursperspektiven): Aufgrund ihrer neutralen Stellung bieten Evaluationen auch die Zusammenfassung der Einzelperspektiven der beteiligten Akteure zu einem Gesamtbild und tragen damit zu einem Austausch der Sichtweisen aller Beteiligten bei. Bei stark unterschiedlichen Akteursperspektiven können Evaluationen damit den Charakter von Mediationen aufweisen. Im Vorfeld der Durchführung von Maßnahmen eröffnet dies den Beteiligten die Möglichkeit, die unterschiedlichen Sichtweisen aller Betroffenen kennenzulernen und bei ihrer eigenen Vorgehensweise ausreichend zu berücksichtigen. Während der Durchführung können auftretende Konflikte und abweichende Entwicklungen frühzeitig erkannt und entsprechende Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Im Nachhinein vorgenommene Evaluationen belegen den Einfluß abweichender Akteursperspektiven auf den Maßnahmenerfolg und können Veränderungen der zukünftigen Verhaltensweisen bewirken. Legitimationsfunktion: Angesichts knapper Ressourcen tragen Evaluationen zur Legitimierung des Mitteleinsatzes bei, indem sie intendierte Wirkungen dokumentieren, Möglichkeiten zur Effektivitäts- und Effizienzsteigerung aufzeigen und mögliche Alternativen kritisch abwägen. Vor der Maßnahmenimplementierung kann dies die Akzeptanz der Ressourcenverwalter zur Bereitstellung der benötigten Mittel erhöhen, während der Durchführung den ökonomischen Umgang mit den Ressourcen fördern und im Nachhinein die mit den vorhandenen Mitteln möglichen Erfolge belegen. Organisiertes Lernen: Evaluationen können einen organisierten Lernprozeß aller an der Durchführung einer Maßnahme Beteiligten einleiten, der den Charakter eines Organisationsentwicklungsprozesses annehmen und zur Steigerung der Motivation aller Beteiligten beitragen kann. In dem die unterschiedlichen Positionen besser verstanden, die Schwierigkeiten erkannt und neue Lösungsvorschläge zur Diskussion gestellt werden, sind Verbesserungen in der Kooperation unterschiedlicher Akteure möglich. Verbreitungsfunktion: Durch die Veröffentlichung der Evaluationsergebnisse und den damit verbundenen Erfahrungsaustausch können Perspektiven zur Weiterverwertung der Erkenntnisse bei der Konzeption und Umsetzung ähnlicher Maßnahmen für andere Akteure eröffnet werden. Außerdem wird hierdurch die Qualitätskontrolle der Evaluation und die Weiterentwicklung geeigneter Konzepte und Methoden befördert. Die Vorteile innovativer Maßnahmen werden durch neutrale Gutachter nach außen dokumentiert und ihre Verbreitung dadurch beschleunigt. 5. Nachfrage nach Evaluationen im Umweltbereich Unter dem Leitbild der „nachhaltigen Entwicklung“ ist die Implementation anpassungs- und damit zukünftsfahiger Umweltmaßnahmen nur als sozialer Prozeß zu verstehen, der eine kontinuierliche Verständigung über die gegenwärtigen und zukünftigen Bedürfnisse und einen Ausgleich unterschiedlicher Interessen erfordert. Insofern unterscheidet sich die mit diesem Leitbild verbundene Auffassung des Umgangs mit Umweltproblemen deutlich von früheren Sichtweisen: Umweltdefizite sind nicht primär durch technisch-naturwissenschaftliche Lösungen zu beheben oder unter Nutzung von Marktkräften in einen sinnvollen Ausgleich zu bringen. Gefordert sind vielmehr vorausschauende, nicht nur an den eigenen sondern auch an den potentiellen Bedürfnissen zukünftiger Generationen orientierte, präventive, ökonomische, ökologische und soziale Aspekte integrierende Maßnahmen, die in einem gesellschaftlichen Konsens ständig (weiter)entwickelt werden müssen. Eine Bewertung solcher Maßnahmen stellt außergewöhnlich hohe Anforderungen an die Qualifikation der Personen, die sie durchführen sollen. Gegenwärtig ist die Nachfrage nach Umweltevaluationen sehr stark durch öffentliche Auftraggeber bestimmt. Die Aufträge beziehen sich vorrangig auf die Bewertung politischer Programme oder einzelner Projekte. Insbesondere bei internationalen Organisationen sind dabei Tendenzen zur Entwicklung von Qualitätsanforderungen, die eine Einführung von Umweltevaluationen als Regelverfahren bei der Durchführung politischer Verfahren vorbereiten sollen, zu erkennen. In Deutschland sind auf Bundes-und Landesebene bei den politischen Instanzen bisher bestenfalls erste Ansätze in dieser Richtung wahrzunehmen. Durch den großen Stellenwert von Evaluationen bei der Stadt-und Raumplanung ist eine Etablierung von Umweltevaluationen sogar eher auf regionaler und kommunaler Ebene zu erwarten. Die private Nachfrage nach Umweltevaluationen scheint dagegen noch sehr gering zu sein. Eine Einbindung der Evaluationsforschung in die Qualitätsmanagementsysteme der Betriebe ist bisher nur in wenigen Fällen gelungen. Auf der Angebotsseite dominieren zumindest teilweise staatlich finanzierte Forschungsinstitute den Markt. Institute, die sich ausschließlich auf die Durchführung von Umweltevaluationen spezialisiert haben, gibt es dabei jedoch nicht. Auch bei den privaten Consultings haben nur wenige den Schwerpunkt ihrer Tätigkeiten auf Umweltevaluationen gelegt. Angesichts der steigenden Anforderungen, die sich durch das Leitbild der „nachhaltigen Entwicklung“ für die Einführung entsprechender Maßnahmen ergeben, ist eine expansive Entwicklung des Evaluationsmarktes und eine fortschreitende Professionalisierung des Angebots zu erwarten. Weiterführende Literatur: Bartlett, R. V.: Evaluating Environmental Policy Success and Failure, in: Vig, N. J. & Kraft, M. E. (Hrsg.): Environmental Policy in the 1990s, Washington 1994; Bussmann, W./ Kloti, U./ Knoepfel, P. (Hrsg.): Einführung in die Politikevaluation, Frankfurt 1997; Huber, 1/ Müller, A.: Zur Evaluation von Umweltschutz-Maßnahmen in Staat und Unternehmen, in: Stockmann, R. (Hrsg.), Evaluationsforschung, Reihe Evaluationsforschung Bd. 1, Opladen 2000 (im Erscheinen); Lalli, M./ Hormuth, S. E.: Umweltevaluation. Bericht Nr. 2/1989, Darmstadt 1989; Meyer, W./ Martinuzzi, A. (2000), Evaluationen im Umweltbereich. Ein Beitrag zum nachhaltigen Wirtschaften? DIW-Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung, o. O. 2000 (im Erscheinen); Nagarajan, N./ Vanheukelen, M.: Evaluating EU Expenditure Programmes. A Guide. Ex-post and Intermediate Evaluation, Luxemburg 1997; Preiser, W. E. E.: Built Environment Evaluation. Conceptual Basis, Benefits and Uses. Journal of Architectural Planning and Research 11, o. O. 1994; Rossi, P. H./ Freeman, H. E./ Lipsey, M. W.: Evaluation. A Systematic Approach, Thousand Oaks u. a., o. O. 1999; Schahn, 1/ Bohner, G.: Methodische Aspekte sozialwissenschaftlicher Evaluationsforschung im Umweltbereich, in: Diekmann, A. & Jaeger, C. C. (Hrsg.): Umweltsoziologie. Sonderheft Nr. 36 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Opladen 1996; Wholey, J. S./Hatry, H. P./ Newcomer, K. E. (eds.): Handbook of Practical Program Evaluation, San Francisco 1994.



<< vorhergehender Fachbegriff
 
nächster Fachbegriff >>
Umweltethik
 
Umweltfonds
 
Weitere Begriffe : Flucht | Masse, latente | Länderrisikoursachen
 
Copyright © 2015 Wirtschaftslexikon.co
Banklexikon | Börsenlexikon | Nutzungsbestimmungen | Datenschutzbestimmungen | Impressum
All rights reserved.