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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Bewertungsvorschriften

(engl rules of valuation) Bewertungsvorschriften dienen erstens dazu, den im Rahmen der Inventur nach Art und Menge erfassten und in der Bilanz auszuweisenden Vermögensgegenständen und Schulden einen in Geldeinheiten ausgedrückten Wert beizumessen, sowie zweitens dazu, die in der Gewinn und Verlustrechnung auszuweisenden positiven und negativen Erfolgsbeiträge (Ertrag; Aufwand) zu periodisieren. Der Grundgedanke der Bewertungsvorschriften im deutschen Handelsrecht liegt darin, dass der Wert der Vermögensgegenstände zu jedem Zeitpunkt den Wert der Schulden deckt (Schuldendeckungsfähigkeit). Der Betrag, um den der Wert der Vermögensgegenstände den Wert der Schulden übersteigt, entspricht dem ausgewiesenen Eigenkapital (Reinvermögen). Durch die Gegenüberstellung der Eigenkapitalbeträge von zwei aufeinander folgenden Perioden wird der Erfolg eines Unternehmens in einer Periode ermittelt Erfolgsrechnung). Der Erfolg bildet die Grundlage für Auszahlungsansprüche des Fiskus und für Auszahlungsinteressen der Anteilseigner. Die Höhe des Erfolgs und des Eigenkapitals sind entscheidende Kriterien für die Darstellung der Kreditwürdigkeit. Zur Verringerung der Steuerzahllast liegen daher die Interessen von Unternehmensleitungen in Perioden mit guter Ertragslage eher in einer Minderung des auszuweisenden Erfolgs (durch eine niedrige Bewertung von Vermögensgegenständen und eine hohe Bewertung von Schulden) und in Perioden mit schlechter Ertragslage zur Erhaltung der Kreditwürdigkeit eher in einer Erhöhung des auszuweisenden Erfolgs (durch eine hohe Bewertung von Vermögensgegenständen und eine niedrige Bewertung von Schulden). Die gesetzliche Festlegung von Bewertungsvorschriften soll verhindern, dass Unternehmensleitungen aus der Vielzahl denkbarer Wertansätze für Vermögensgegenstände (z. B. Anschaffungswert, Wiederbeschaffungswert, Einzelveräußerungswert, Anschaffungswert vermindert um Abschreibungen) bzw. Schulden (Rückzahlungsbetrag, Barwert) von Fall zu Fall denjenigen auswählen, der den im Zeitablauf schwankenden Interessen des Unternehmens am besten entspricht. Damit wird auch die willkürliche Bildung und Auflösung von stillen Reserven im handelsrechtlichen Jahresabschluss eingeschränkt. Der Gesetzgeber kann jedoch bei der Festlegung von Bewertungsvorschriften nicht alle Einzelprobleme der Bewertung (wie z. B. den Entwertungsverlauf einer Spezialmaschine) voraussehen und berücksichtigen. Deshalb sind die Bewertungsvorschriften als Leitlinie für die Bewertung anzusehen, die sich an den Zielen des Jahresabschlusses orientiert.

Bewertungsvorschriften finden sich sowohl in den Vorschriften für alle Kaufleute (§§ 240,252 256 Handelsgesetzbuch [HGB]) als auch abhängig von der Rechtsform eines Unternehmens in den ergänzenden Vorschriften für Kapitalgesellschaften (§§ 279 283 HGB). Die Grundlage der Bewertungsvorschriften bilden die allgemeinen Bewertungsgrundsätze in § 252 Abs. 1 HGB: 1. § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB bestimmt den Grundsatz der Bilanzidentität. Dieser fordert einerseits, dass die Wertansätze der Eröffnungsbilanz eines Geschäftsjahres mit den Wertansätzen der Schlussbilanz des vorherigen Geschäftsjahres übereinstimmen, und andererseits, dass Form und Gliederung der Bilanzposten beibehalten werden. 2. § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB bestimmt den Grundsatz der Unternehmensfortführung (Going concern Prinzip). Dieser fordert, dass bei der Bewertung der Vermögensgegenstände und Schulden von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit über den Abschlussstichtag hinaus ausgegangen wird. 3. § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB bestimmt die Grundsätze der Einzelbewertung und der Stichtagsbewertung. Der Grundsatz der Einzelbewertung fordert, dass die Vermögensgegenstände und Schulden einzeln bewertet werden. Damit soll ein Wertausgleich zwischen verschiedenen Vermögensgegenständen bzw. Schulden verhindert werden. Der Grundsatz der Stichtagsbewertung fordert, dass die am Abschlussstichtag vorliegenden tatsächlichen Verhältnisse für die Bewertung maßgeblich sind. Dies gilt auch für Tatbestände, die erst in der Zeit vom Abschlussstichtag bis zur Aufstellung des Jahresabschlusses bekannt werden (Wertaufhellung), sofern sie bereits am Abschlussstichtag bestanden haben. 4. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB bestimmt das Vorsichtsprinzip, das Realisationsprinzip und das Imparitätsprinzip. Realisations und Imparitätsprinzip können als Konkretisierungen des Vorsichtsprinzips im Hinblick auf die Periodisierung von Erfolgsbeiträgen in der Gewinn und Verlustrechnung angesehen werden. 5. § 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB bestimmt den Grundsatz der Periodenabgrenzung. Dieser fordert, dass Aufwendungen und Erträge unabhängig von den mit ihnen verbundenen Zahlungsvorgängen in der Periode erfasst werden, in der sie verursacht werden, um die Feststellung eines periodengerechten Ergebnisses im Jahresabschluss zu gewährleisten. 6. § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB bestimmt den Grundsatz der Bewertungsstetigkeit. Dieser fordert, dass die auf den vorherigen Jahresabschluss angewandten Bewertungsmethoden beibehalten werden sollen. Der Grundsatz der Bewertungsstetigkeit dient dazu, Informationen aus unterschiedlichen Perioden über die Vermögens , Finanz und Ertragslage eines Unternehmens vergleichbar zu machen.

Abweichungen von den aufgeführten allgemeinen Bewertungsgrundsätzen dürfen nach § 252 Abs. 2 HGB lediglich in begründeten Ausnahmefällen erfolgen. Darunter fallen alle Sachverhalte, die der korrekten Erfüllung der Aufgaben des Jahresabschlusses wie der Zahlungsbemessungs oder der Informationsfunktion dienen. Zu den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen zählt weiterhin das Nominalprinzip. Das Nominalprinzip kann aus § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB abgeleitet werden. Danach bilden die in § 255 HGB bestimmten Anschaffungs und Herstellungskosten Ausgangspunkt und Obergrenze für die Bewertung von Vermögensgegenständen in der Bilanz. Im Rahmen der Erfolgsperiodisierung in der Gewinn und Verlustrechnung findet das Nominalprinzip mit der Wertobergrenze zu Anschaffungs und Herstellungskosten seine Entsprechung im Realisationsprinzip. Des Weiteren müssen noch § 253 Abs. 2 Sätze 1 und 2 HGB die Anschaffungs und Herstellungskosten von ab nutzbaren Vermögensgegenständen des Anlagevermögens (z. B. Gebäude, Maschinen, Fuhrpark, Betriebs und Geschäftsausstattung) durch planmäßige Abschreibungen auf die voraussichtlichen Jahre ihrer Nutzung verteilt werden. Darüber hinaus muss bei der Bewertung von ab nutzbaren und nicht abnutzbaren (z. B. Grundstücke) Vermögensgegenständen des Anlagevermögens das gemilderte Niederstwertprinzip nach § 253 Abs. 2 Satz 3 HGB beachtet werden. Für die Bewertung von Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens gilt nach § 253 Abs. 3 HGB das strenge Niederstwertprinzip. Im Rahmen der Erfolgsperiodisierung in der Gewinn und Verlustrechnung findet das Niederstwertprinzip in gemilderter und strenger Form seine Entsprechung im Imparitätsprinzip. § 253 Abs. 4 HGB gewährt die Möglichkeit, darüber hinaus Abschreibungen im Rahmen der vernünftigen kaufmännischen Beurteilung vorzunehmen. Diese Möglichkeit kann jedoch nur von Unternehmen in der Rechtsform einer Personengesellschaft wahrgenommen werden; für Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft wird diese Möglichkeit durch § 279 Abs. 1 Satz 1 HGB ausdrücklich ausgeschlossen. § 253 Abs. 5 HGB gewährt ein Beibehaltungswahlrecht für einen niedrigeren Wertansatz von Vermögensgegenständen, der sich aufgrund von außerplanmäßigen Abschreibungen im Anlagevermögen, aufgrund von Abschreibungen beim Umlaufvermögen oder aufgrund zusätzlicher Abschreibungen im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung ergeben hatte, auch in solchen Fällen, in denen der ursprüngliche Grund für die Abschreibung nicht länger besteht. Unternehmen in der Rechtsform einer Personengesellschaft können diese Möglichkeit uneingeschränkt in Anspruch nehmen; Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft unterliegen dagegen in diesen Fällen dem Wertaufholungsgebot (§ 280 Abs. 1 Satz 1 HGB), durch das das Beibehaltungswahlrecht gemäß § 253 Abs. 5 HGB aufgehoben wird. Abgeschwächt wird die Wirkung des Wertaufholungsgebots durch die Verknüpfung von Handels und Steuerbilanz: Wenn die Beibehaltung eines steuerrechtlich zulässigen niedrigeren Wertansatzes an die Beibehaltung des niedrigeren Wertansatzes in der Handelsbilanz gekoppelt ist, wird das handelsrechtliche Wertaufholungsgebot aufgehoben (§ 280 Abs. 2 HGB). Unabhängig von der Rechtsform dürfen Unternehmen nach § 254 HGB zusätzliche Abschreibungen in der Handelsbilanz vornehmen, um Vermögensgegenstände mit einem steuerrechtlich zulässigen niedrigeren Wert anzusetzen. Kapitalgesellschaften dürfen den Unterschiedsbetrag zwischen der handels und der steuerrechtlichen Bewertung gemäß § 281 Abs. 1 Satz 1 HGB in den Sonderposten mit Rücklageanteil einstellen. Die Bewertung der Schulden ist in § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB geregelt. Danach müssen Verbindlichkeiten zu ihrem Rückzahlungsbetrag, Rentenverpflichtungen, für die eine Gegenleistung nicht mehr zu erwarten ist, zu ihrem Barwert und Rückstellungen mit dem Betrag, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist, angesetzt werden. Die vernünftige kaufmännische Beurteilung steht für die Würdigung eines Sachverhalts durch einen ordentlichen + Kaufmann.

Für bestimmte Vermögensgegenstände enthält das HGB Möglichkeiten zu einer Vereinfachung der Bewertung. Die Bedeutung der Bewertungsvereinfachungsverfahren ergibt sich aus dem Bedürfnis der Unternehmen nach Rationalisierung der Abschlussarbeiten. 1. Die Festbewertung (§ 240 Abs. 3 HGB) ermöglicht den Unternehmen, bestimmte Vermögensgegenstände des Sachanlagevermögens sowie Roh , Hilfs und Betriebsstoffe mit einem konstanten Festwert anzusetzen. Voraussetzungen für die Anwendung der Festbewertung sind der regelmäßige Ersatz der Vermögensgegenstände, eine lediglich geringe Schwankung ihres Bestandes (Größe, Wert und Zusammensetzung) und die nachrangige Bedeutung ihres Gesamtwertes für das Unternehmen. Darüber hinaus muss alle drei Jahre eine körperliche Bestandsaufnahme zur Überprüfung des Festwertes erfolgen. 2. Die Gruppenbewertung (§ 240 Abs. 4 HGB) schafft die Möglichkeit, gleichartige Gegenstände des Vorratsvermögens sowie sonstige gleichartige oder annähernd gleichwertige bewegliche Vermögensgegenstände zu einer Gruppe zusammenzufassen und mit dem gewogenen Durchschnittspreis Durchschnittsmethode) zu bewerten. Voraussetzung für die Gleichartigkeit ist, dass die Vermögensgegenstände derselben Art angehören (z. B. Socken in verschiedenen Größen und Qualitäten). Voraussetzung für die Gleichwertigkeit ist, dass neben der annähernden Preisgleichheit ein weiteres gemeinsames Merkmal wie derselbe Verwendungszweck (z. B. Pfandflaschen aus Glas oder Kunststoff) besteht. 3. Im Gegensatz zur Gruppenbewertung gelten die Verfahren der Sammelbewertung (§ 256 HGB) nur für gleichartige Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens. Zu den Verfahren der Sammelbewertung zählen die Durchschnittsmethode, das LifoVerfahren und das FiFo Verfahren. Die Sammelbewertung von Vorräten hat lediglich eine Vereinfachung der Ermittlung der Anschaffungsund Herstellungskosten, nicht jedoch eine Vereinfachung der Bestandsaufnahme bei der Inventur zur Folge. Auf zwei rechtsformspezifische Bewertungsvorschriften für Kapitalgesellschaften soll noch hingewiesen werden: 1. Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebs müssen in jedem folgenden Geschäftsjahr zu einem Viertel abgeschrieben werden (§ 282 HGB). 2. Das gezeichnete Kapital ist zum Nennbetrag (Nennwert) anzusetzen (§ 283 HGB).



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