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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Geldpolitik der EZB

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat für den Euro-Raum die gleiche Aufgabe wie sie die Bundesbank bis 1999 für Deutschland hatte: für ein inflationsfreies Wachstum im Euro-Raum zu sorgen. Die Geldmengensteuerung hat dabei eine tragende Rolle. Denn durch ein kontrolliertes Wachstum der Geldmenge soll inflationsfreies Wachstum ermöglicht werden. Unter Geldmengensteuerung versteht man alles, was eine Notenbank unternimmt, um die Menge (Summe) des in der Volkswirtschaft umlaufenden Geldes unter Kontrolle zu halten.

Bei ihren Überlegungen zur Stabilisierung des Geldwertes gehen Notenbanken von der folgenden Überlegung aus: Allgemeine Preissteigerungen sind auf Dauer nicht ohne eine entsprechende Ausweitung der Geldmenge möglich. Wenn das Wachstum des Bruttosozialproduktes mit der Entwicklung der umlaufenden Geldmenge nicht Schritt halten kann, erhöht sich die Gefahr einer steigenden Inflationsrate. Deshalb muss die EZB die umlaufende Geldmenge kontrollieren und setzt alljährlich einen Referenzwert für das von ihr gewünschte Geldmengenwachstum fest. Seit Beginn der Währungsunion im Jahr 1999 beträgt dieser Referenzwert 4,5 Prozent. Dieser Wert wird aus der Beziehung zwischen Geldmengenwachstum einerseits und der Entwicklung der Preise, des Bruttoinlandsprodukts und der Umlaufgeschwindigkeit der Einkommen andererseits abgeleitet. Das Festsetzen eines Referenzwertes unterscheidet sich von einem jährlichen Geldmengenziel, wie es die Bundesbank bis Ende 1998 offiziell verfolgte: Denn dort wurden beim Festlegen des Wertes für das kommende Jahr Überhänge oder Fehlbeträge aus dem Vorjahr berücksichtigt. Mit der Bekanntgabe eines Referenzwertes will die EZB den am Wirtschaftsprozess Beteiligten - vor allem also dem Staat, den Unternehmen und Banken sowie den Gewerkschaften - den Geldmengenzuwachs für das gesamtwirtschaftliche Wachstum der Ausgaben angeben, der stabilitätspolitisch vertretbar erscheint.

Die Geldmenge

Geldmenge "M3": Der Hauptindikator für die monetäre Entwicklung im Euro-Raum ist die Wachstumsrate der Geldmenge "M3": Diese umfasst Bargeld, Sichteinlagen, Termineinlagen, kurzfristige Schuldverschreibungen und Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist. Der Referenzwert gibt an, wie stark M3 wachsen darf, damit im Euro-Raum mittelfristig Preisstabilität gewährleistet ist. Liegt das M3-Wachstum dauerhaft über dem Referenzwert, ist das ein Alarmzeichen: Die tatsächlich umlaufende Geldmenge ist dann höher als die, welche die EZB für inflationsneutral hält - es besteht Inflationsgefahr. Seit Beginn der Währungsunion hat das Wachstum der Geldmenge stets und teilweise auch erheblich über dem Referenzwert gelegen. Erst im Frühjahr 2000 begannen sich die jährlichen Wachstumsraten zurückzubilden.

"Geldlücke" (money gap): Als zusätzlichen Indikator für die Entwicklung der Geldmenge veröffentlicht die EZB seit März 2001 die "Geldlücke" (money gap). Mit diesem Wert versucht die EZB zu ermitteln, wie viel Liquidität sich aufgebaut hat, wenn das Wachstum der Geldmenge über (oder seltener: unter) dem Referenzwert gelegen hat. Dadurch wird ermittelt, wie groß das Inflationspotenzial ist. Auf Basis der M3-Bestände im vierten Quartal 1998 kumuliert die EZB zum einen die tatsächlichen Veränderungen der Geldmenge, zum anderen die Beträge, die sich ergeben hätten, wenn die Geldmenge in Höhe des Referenzwertes gewachsen wäre. Durch die Wahl eines mehrjährigen Zeitraumes wird verhindert, dass übermäßig starkes oder schwaches Geldmengen-Wachstum allein deswegen vergessen wird, weil es länger als zwölf Monate zurückliegt. Die prozentuale Differenz (Anfang 2001 lag sie bei zwei Prozent) zwischen den beiden kumulierten M3-Beständen ist die "Geldlücke". Theoretisch kann sich dieser Überhang an Liquidität 1:1 in Preissteigerungen umsetzen.

Die Inflationsprognose

Parallel zur Analyse des Geldmengenwachstums in Relation zum Referenzwert spielt eine Beurteilung der Aussichten für die Preisstabilität (Inflationsprognose oder "inflation targeting") im Euro-Währungsgebiet in der Strategie der EZB eine entscheidende Rolle. Die EZB verkündet vorab Inflationsziele, um deren Einhaltung sie sich mit Hilfe ihrer Instrumente bemüht. Hierbei ist, wie auch bei der Geldmengensteuerung, die Höhe des Geldmarktzinses von entscheidender Bedeutung. Beide "Säulen", das Geldmengenziel wie das Inflationsziel, haben Preisstabilität als oberstes Ziel.

Die Instrumente

Das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) hat eine Reihe von Instrumenten, um die Geldmenge steuern zu können. Die EZB verfügt aber nicht über eine grundsätzliche neue Konzeption. Vielmehr mussten aus einer Vielzahl möglicher Instrumente jene herausgefiltert werden, die in der Kombination am ehesten für eine gemeinsame Geldpolitik geeignet erscheinen. Exemplarisch für die teilweise extrem gegensätzlichen Gewichtungen möglicher Instrumente ist die unterschiedliche Geldpolitik der beiden Vorbilder England und Deutschland. Während die Instrumente Refinanzierungs- und Mindestreservepolitik in der Politik der Deutschen Bundesbank eine überaus große Bedeutung besaß, ist sie bei der Bank of England sehr gering.

Insgesamt ähnelt das jetzige geldpolitische Instrumentarium sehr dem der Deutschen Bundesbank - es ist allerdings keine Kopie desselben. So gibt es zum Beispiel im ESZB keine Refinanzierungen über den Rediskont und keinen Lombardkredit mehr. Es gibt drei Gruppen von geldpolitischen Operationen:

  • Offenmarktgeschäfte,
  • ständige Fazilitäten und
  • Mindestreserven.

1. Offenmarktpolitik: Diese betrifft den An- und Verkauf von Wertpapieren zwischen der Zentralbank und den Geschäftsbanken. Beim klassischen Offenmarktgeschäft entscheidet die Zentralbank über Zeitpunkt, Laufzeit und Umfang der Bereitstellung von Zentralbankgeld. Offenmarktgeschäfte dienen der Steuerung der Liquidität und der Zinssätze am Markt. Es lassen sich fünf Arten von Instrumenten für Offenmarktgeschäfte unterscheiden. Das wichtigste Instrument sind die befristeten Transaktionen in der Form von Pensionsgeschäften oder Pfandkrediten.

2. Ständige Fazilitäten: Sie dienen dazu, den Banken zum Beispiel bei kurzfristigen Kapitalengpässen auszuhelfen ("Übernacht-Liquidität") und überschüssige Gelder kurzfristig bei der Zentralbank zu parken. Durch Anheben oder Senken der Fazilitäten - also dieser Kredit- beziehungsweise Einlagezinsen - kann die Zentralbank die Höhe von Tagesgeldzinsen beeinflussen. Die Initiative geht hier von den Geschäftsbanken aus.

Weiteres wichtiges Instrument ist das Mindestreservesystem. Die Banken müssen bei Mindestreservepflicht zwischen 1,5 und 2,5 Prozent der Einlagen von Nichtbanken und Schuldverschreibungen mit einer Laufzeit von bis zu zwei Jahren sowie ihre Geldmarktpapiere bei der EZB hinterlegen. Diese Beträge stehen den Banken somit nicht zur Kreditvergabe zur Verfügung. Das Mindestreservesystem soll im Wesentlichen die Geldmarktzinssätze stabilisieren, eine Liquiditätsknappheit herbeiführen oder vergrößern und Angebotsüberhänge am Geldmarkt abbauen. Die bei der EZB hinterlegte Mindestreserve ist verzinslich - im Gegensatz zur Mindestreserve im System der Deutschen Bundesbank.



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