Organisation, ökologieorientierte
Das Problem „ökologieorientierte Organisation“ kann sehr unterschiedliche Inhalte und Lösungsansätze umfassen. Das liegt vor allem daran, daß der Begriff der Organisation sowohl institutionell als auch instrumentell verstanden werden kann (s. Schanz), wobei in der instrumentellen Interpretation ebenso die Tätigkeit des Organisierens wie deren Ergebnis gemeint wird.
Bei einer institutionellen Sichtweise wären nachfolgend die verschiedenen Organisationen zu beschreiben und zu analysieren, die sich mit verschiedenen Aspekten der Ökologie beschäftigen, d. h. politische Institutionen, wissenschaftliche Einrichtungen und Vereinigungen, Unternehmen und Verbände aller Art usw. Diese institutionelle Sichtweise soll hier nicht weiter verfolgt werden, es werden aber auch in der vorrangig instrumentellen Sichtweise institutionelle Aspekte berücksichtigt.
Als wesentliche Merkmale der Organisation werden die Interaktion von Menschen und/oder Maschinen, die Zielorientierung dieses Interaktionssystems, die Differenzierung und Koordination und die Kontinuität angesehen (s. Schanz). Man unterscheidet fünf Kernelemente der Organisationstruktur und sechs Koordinationsprinzipien (s. Mintzberg). Ausgangspunkt jeder Organisation sind Arbeitsteilung und Spezialisierung, die Koordinations- und Motivationsprobleme hervorrufen, die bezogen auf Unternehmen auf drei Ebenen gelöst werden können: Im Binnenbereich, im zwischenbetrieblichen Bereich und in den wettbewerblichen Rahmenbedingungen (s. Picot/DietVFranck). Diese Rahmenbedingungen sind bei ökologischen Fragen aus verschiedenen Gründen in vielerlei Hinsicht rechtlich fixiert oder formuliert.
Als Organisation aus instrumenteller Sicht wird vor allem die Konfiguration der verschiedenen Kernelemente und Prinzipien zu Aufbau- und Ablaufstrukturformen verstanden; die Zahl der möglichen Kombinationen ist auf Grund der Menge der Merkmale und ihrer verschiedenen Ausprägungen so groß, daß eine Einschätzung der Ökologieorientierung für jede der Konfigurationen unterbleiben muß; sie kann nur exemplarisch erfolgen. Eine wichtige Einflußgröße dieser Konfigurationen und der Möglichkeiten und Probleme einer Ökologieorientierung ist die Größe der Organisation: Je größer die Zahl der zu organisierenden Elemente, desto leichter lassen sich spezielle Träger ökologischer Aufgaben und Sichtweisen herausbilden und zwischen ihnen Beziehungen herstellen; anders ausgedrückt haben kleine und mittlere Organisationen oder Unternehmen besondere Probleme mit der eigenständigen Ausprägung ökologischer Aufgaben und Fragestellungen, weil vieles in Personalunion gemacht wird und multifunktionale Aufgabenerledigung die Regel ist (s. Kahle). Hier bietet sich unter anderem die Auslagerung von Funktionen auf externe Institutionen wie etwa Berater oder Beraternetzwerke an, um eine kompetente und engagierte Durchführung zu gewährleisten (s. Tischer).
Die ökologische Orientierung einer Organisation kann auf zweierlei Weise erfolgen und sichtbar gemacht werden: Sie kann vorrangig über die Ebene der Werte und Normen beeinflußt werden, d. h. man versucht, die Unternehmenskultur in Richtung einer Umweltkultur zu entwickeln (s. Bouncken) oder sie wird über die Zuweisung von Informations,- Weisungs- und Kontrollkompetenzen vorgegeben. Im ersten Fall wird die ökologische Orientierung in den Zielen der Organisation - explizit oder implizit - sichtbar, im zweiten Fall werden Stellen geschaffen, Zuständigkeiten beschrieben und Befugnisse erteilt. Beide Vorgehensweisen sind ohne eine Mitwirkung der Organisationsspitze nicht vorstellbar, aber der kulturorientierte Ansatz läßt sich eher mit einer offensiven ökologischen Strategie verknüpfen, während ein mehr struktureller Ansatz eher auf eine defensive Strategie in Umweltfragen hinweist. Die Wechselwirkungen zwischen Kultur und Struktur sind aber so stark, daß eine reine Orientierung an dem einen oder anderen Ansatz nicht realistisch ist.
Eine Verankerung ökologischer Aspekte in der Organisationskultur ist für die ökologische Orientierung einer Organisation besonders wirksam und daher anstrebenswert, aber auch schwierig und nur mit hohem Zeitaufwand zu bewirken. Eine Organisations- oder Unternehmenskultur als System der geteilten Werte und Normen ist - wenn auch oft unmerklich - einem ständigen Wandel unterworfen, dieser Wandel ist aber auf Grund der starken Einflüsse des sozialen Umfeldes auf die Wertvorstellungen der Beteiligten und der affektiv-emotionalen Bindung der Werte und Normen nur in sehr engen Grenzen steuerbar (s. Kahle). Die Vermittlung zusätzlicher oder modifizierter Werte in Richtung des Umweltschutzes kann entweder durch eine affektiv-gestützte, intensive interne Kommunikation erfolgen oder durch ein Aufgreifen des in der Gesellschaft zu diesem Thema stattfindenden Wertewandels, das sich in externer und interner Kommunikation, aber auch in Selektions- und Adaptionsprozessen niederschlägt. Um die koordinierende, integrierende und motivierende Wirkung der ökologisch orientierten Organisationskultur (s. Dill-Hügler) entfalten zu können, bedarf es neben des deutlichen-gesprochenen und gelebten-“commitments” der Leitung auch des „fits“ mit den übrigen Erfolgsfaktoren der Organisation (s. Kahle; Krüger). Das „commitment“ wird vor allem in symbolträchtigen Handlungen, aber auch im Alltagsleben sichtbar, wenn umweltschonende Aktivitäten deutlichen Vorzug erhalten. Der „Fit“ bezieht sich auf die Strategien, Träger, Instrumente und Ressourcen der Unternehmung, die mit der Unternehmenskultur zusammenpassen müssen.
Während für die Gestaltung einer ökologisch orientierten Organisationskultur auf der Ebene der Werte und Normen oder der darunter liegenden Grundanschauungen wegen der Vielfalt der zu berücksichtigenden Einflußgrößen kaum konkrete Empfehlungen aussprechen lassen, läßt sich die Existenz einer solchen Kultur auf der Ebene der Symbole (zu dem Ebenen-Konzept der Organisationskultur: s. Schein) relativ gut durch das Vorhandensein von ressourcenorientierten Produktdesigns, durch die Fähigkeit zur Einbindung in Wertschöpfungskreisläufe, durch Modularität und Offenheit oder durch Entsorgungsfreundlichkeit und Verbrauchseffizienz identifizieren (s. Bouncken). Diese exemplarisch aufgeführten sichtbaren Eigenschaften, Verhaltensweisen und Artefakte signalisieren die zugrundeliegenden Werte, Normen und Grundanschauungen. Die Sichtbarmachung dieser Werte und Normen in den Organisationszielen setzt prozessual gesehen einen einen mikropolitischen Prozeß voraus, in dem die Ziele der Organisationsmitglieder zu Zielen der Organisation werden (s. Kirsch). Inhaltlich wird die Zielsetzung der Organisation zwangsläufig multivariabel, weil neben das Formalziel und das Sachziel bzw. die Sach- und Formal-ziele die ökologischen Ziele treten, die nur in einer Mehrzielanalyse aufgearbeitet werden können (s. Kahle), die in einem linearen Planungsmodell neben ökonomischen Zielen und Nebenbedingungen auch ökologische Ziele und Nebenbedingungen berücksichtigt. Das bedeutet, daß es zwar ökonomische Modelle ohne ökologischen bezug geben kann, daß es aber keine Modelle wirtschaftlich handelnder Organisationen geben kann, die ausschließlich ökologischen Kriterien genügen. Die Beziehungen zwischen den Zielen in einer solchen Mehrzielanalyse können dann entweder über Gewichtung, über Hierarchisierung durch Prioritätsregeln oder über organisatorische Kompetenzenzuweisung geordnet werden.
Die Zuweisung von ökologischen Kompetenzen und Verantwortungen in Organisationen erfolgt wie die aller anderen Kompetenzen durch die Leitungsorgane und wird im allgemeinen in einem Organisationsplan festgehalten. Bezüglich der Vergabe ökologischer Kompetenzen gibt es aber eine Reihe gesetzlicher oder gesetzlich fundierter Vorschriften, die die Einrichtung bestimmter Stellen mit ökologischen Befugnissen verlangen. In den meisten Fällen handelt es sich um Betriebsbeauftragte für bestimmte umweltschutzrelevante Teilaufgaben; diese sind im Einzelnen (s. Straile):
Der Abfallbeauftragte (nach Bundesimmissionsschutzgesetz - BImSchG- , Bundesimmissionsschutzverordnung - BImSchV- und Kreislaufwirtschaftsund Abfallgesetz - KrW-/AbfG);
Der Biologische-Sicherheit-Beauftragte (nach -Gentechnikgesetz und - Gentechniksicherheitsverordnung - GenTSV);
Der Gefahrgutbeauftragte (nach Gefahrgutbeauftragtenverordnung - GbV); Der Gefahrstoffbeauftragte (nach Chemikaliengesetz - ChemG - und Chemi kal ienverbotsverordnung
ChemVerbotsV);
Der Gewässerschutzbeauftragte (nach Wasserhaushaltsgesetz - WHG);
Der Immisionsschutzbeauftragte (nach BImSchG und BImSchV);
Der Sicherheitsbeauftragte Kerntechnik (nach Atomgesetz und Atomrechtli
ehe Sicherheitsbeauftragten und Meldeverordnung - AtSMV);
Der Störfallbeauftragte (nach BlmSchG und BlmSchV);
Der Strahlenschutzbeauftragte (nach Atomgesetz und Strahlenschutzverordnung - StrlSchV).
Es gibt eine Reihe weiterer gesetzlich vorgeschriebener Beauftragter, deren Aufgaben aber im Bereich der Arbeitssicherheit oder der Produkthaftung liegen und deshalb hier nicht erwähnt werden, deren Aufgabe aber oft eng mit denen der umweltrelevanten Beauftragten verknüpft sind. Welche der Beauftragten zu bestellen sind, hängt von Branche und Betriebsgröße ab, die Geltung der jeweiligen Gesetze und Verordnungen für die betrachtete Organisation ist zu prüfen. Die Bestellung von Beauftragten entsprechend der jeweils gültigen Vorschriften entlastet die Organisationsleitung nicht von ihrer Gesamtverantwortung, bildet aber eine gewisse rechtliche Entlastungsfunktion. Für die gesetzlich vorgeschriebenen Beauftragten gelten in der Regel Vorgaben bezüglich der Sachkompetenzen, d. h. der Fachkenntnisse und Erfahrungen und Schutzvorschriften hinsichtlich ihrer Stellung im Unternehmen.
Neben diesen einzelnen, für klar umrissene und gesetzlich definierte Teilaufgaben Beauftragten bietet es sich an und wird auch vielfach praktiziert, Umweltschutzbeauf- tragte auf freiwilliger Basis zu bestellen oder sogar ein -Umweltmanagementsystem einzurichten. Das Aufgabengebiet eines Umweltschutzbeauftragten ist bisher nicht gesetzlich normiert und umfaßt die Wahrnehmung aller umweltrelevanten Belange, die ihm von der Unternehmensleitung übertragen werden. Die Einrichtung eines umfassenden Umweltmanagementsystems - eine Öko-Audits und dessen Zertifizierung nach EMAS oder -ISO 14000 - soll hier nicht vertieft werden.
Die Aufgaben eines Umweltschutzbeauftragten sind, unabhängig von ihrem Umfang und Ausmaß, organisatorisch gesehen Querschnittsaufgaben, d. h. sie entsprechen in ihrer Reichweite und Gliederung nicht der üblichen Verrichtungs- oder Objektorientierung (s. Kosiol) oder einem der anderen Analyse- und Synthesekriterien, sondern greifen über die Strukturen und Abläufe der Primärorganisation hinweg. Da diese Aufgaben sich zugleich an anderen Zielen - einer anderen Teilmenge von Zielen aus dem Gesamtzielsystem der Organisation-orientieren als die Aufgaben, die in der Primärorganisation strukturiert sind, müssen die notwendigen Informations-, Entscheidungs- und Weisungskompetenzen für den oder die Umweltbauftragten festgelegt werden.
In der weit verbreiteten Stab-LinienOrganisation mit einer eindimensionalen Linienstruktur, der für Informations-, Planunis- und Kontrollzwecke Stäbe beigefügt sind, läßt sich das Aufgabenfeld des Umweltschutzbeauftragten als weitere Stabsaufgabe einfügen, das wegen seiner umfassenden Wirkung und der Zielorientierung im Regelfall bei der Organisationsspitze angehängt ist. Bei einer mehrköpfigen Organisationsspitze, etwa einem Vorstand von fünf Personen, dürfte sich die Eingliederung bei dem Vorstandsmitglied anbieten, bei dessen Ressort die meisten Umweltprobleme entstehen, was in den meisten Fällen der Fertigungsbereich sein wird. Dem Umweltschutzbeauftragten auf der gesamtorganisatorischen Ebene werden bei größeren Organisationen Umweltschutzbeauftragte - zum Teil in Nebenfunktion - auf den unteren Ebenen in Form einer Stabshierarchie nachgeordnet sein. Bei dieser reinen Stabslösung haben die Umweltschutzbeauftragten - formal gesehen - nur Informationsrechte, die auch Vorschläge und Kontrollen umfassen können; Entscheidungen und Weisungen müssen über die Linie umgesetzt werden. Wenn die ökologische Orientierung in der Organisation personell unterschiedlich verteilt ist, bedeutet das eine relativ schwache Durchsetzungsposition der ökologisch orientierten Umweltschutzbeauftragten gegenüber den an anderen Zielen sich orientierenden Linienvorgesetzten.
Wenn die Organisation in ihrer Grundstruktur hingegen schon mehrdimensional, z. B. als Matrixorganisation, angelegt ist, dann bietet es sich an, den Umweltschutz als weitere organisationale Dimension mit eigener Entscheidungs- und Weisungskompetenz einzurichten, die dann mit anderen Kompetenzen in Konflikt kommen kann, der in geordneten Verfahren zu handhaben ist. Eine solche Mehrfachzuweisung von Kompetenzen zerstört zwar die Einheitlichkeit der Auftragserteilung (s. Fayol), wird aber der gleichberechtigten Berücksichtigung verschiedener Aspekte bei einer Problemlösung besser gerecht. Die praktische Umsetzung solcher konkurrierenden Kompetenzen geschieht über Anhörungsrechte, Mitzeichnungsrechte oder Vetorechte. Eine Anbindung auf der höchsten Organisationsebene ist zwar auch in diesem Fall wünschenswert, aber nicht zwingend erforderlich, da die Zuweisung von Befugnissen die Durchsetzungsmöglichkeiten der jeweiligen Zielvorstellungen eröffnet. In der Praxis werden meistens Mischlösungen der Stabs- und Matrixstruktur vorgenommen; formal wird die Stab-Linien-Struktur vorgegeben, innerhalb derer aber weitergehende Mitwirkungsrechte erteilt werden.
Weiterführende Literatur:
Bouncken, R. B.: Umweltkultur pflegen. Programm für eine erfolgreiche Umsetzung einer umweltorientierten Unternehmenskultur, in: (o. Hrsg.), Qualität und Zuverlässigkeit, 9/ 99, o. 0 1999; Dill, P.l Hügler, G.: Unternehmenskultur und Führung betriebswirtschaftlicher Organisationen, in: Heinen, E. (Hrsg.), Unternehmenskultur. München/ Wien 1987; Fayol, H.: Allgemeine und industrielle Verwaltung, o. 0., 1929; Kahle, E.: Unternehmensführung und Unternehmenskultur, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 58. Jg., o. 0. 1988; Kahle E.: Unternehmenskultur und ihre Bedeutung für die Unternehmensführung, in: Zeitschrift für Planung, o. 0. 1991; Kahle, E.: Organisation der Mittelständischen Unternehmung, in: Frese, E. (Hrsg.): Handwörterbuch der Organisation, Stuttgart 1992; Kahle, E.: Betriebliche Entscheidungen, 5. Aufl., München 1998; Kirsch, W.: Entscheidungsprozesse, Bd. III, Wiesbaden 1971; Kosiol, E.: Organisation der Unternehmung, Wiesbaden 1962; Krüger, W.: Unternehmenskultur. Ein strategischer Erfolgsfaktor? in: Krüger, W. (Hrsg.), Gießener Management, Workshop \'88, Strategischer Erfolg und Unternehmenskultur, Gießen 1988; Mintz-berg, H.: The Structuring of Organizations. Englewood Cliffs, N. J. 1979; Picot, A./ Died, H./ Franck, E.: Organisation. Stuttgart 1997; Schanz, G.: Organisation, in: Frese, E. (Hrsg.), Handwörterbuch der Organisation, 3. Aufl., Stuttgart 1992; Schein, E. H.: Organizational Culture and Leadership, 2. ed., San Francisco 1992; Straile, F.: Betriebsbeauftragte in der gewerblichen Wirtschaft. BetriebsBerater, 54. Jg., Heft 41, Beilage 13, o. 0. o. J.; Tischer, R. G.: Ökologische Berater. Netzwerke. Ein Beratungsmodell zur Förderung einer ökologieorientierten Verhaltensausrichtung kleiner und mittlerer Unternehmen, Baden-Baden 1994.
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