Privatisierung (von Krankenhäusern)
In der Gesundheitswirtschaft:
Unter der Privatisierung von Krankenhäusern wird in den meisten Fällen die vollständige oder mehrheitliche Veräußerung eines bisher in öffentlicher (meist kommunaler) Trägerschaft befindlichen Krankenhauses an einen privaten Klinikbetreiber verstanden. Allerdings wird im allgemeinen Sprachgebrauch der Branche auch der Verkauf eines kommunalen Krankenhauses an einen freigemeinnützigen Träger oder der Verkauf eines freigemeinnützigen Krankenhauses an einen privaten Träger unter diesem Begriff subsumiert, obwohl im strengen Sinne nur die Verlagerung bisher in öffentlicher Trägerschaft befindlicher Kliniken in freigemeinnützigen, insbesondere aber in privaten Besitz dazu gerechnet werden kann.
Systematisch gilt es allerdings zunächst, eine Unterscheidung zwischen einer formalen Privatisierung und einer materiellen Privatisierung zu treffen. Unter einer formalen Privatisierung wird im Allgemeinen die Umwandlung der Rechtsform eines in öffentlicher Trägerschaft befindlichen Krankenhauses aus der Form eines Eigenbetriebes oder eines Regiebetriebes in eine privatrechtliche Gesellschaftsform – meist die der gemeinnützigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH) oder der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), selten auch die der Aktiengesellschaft (AG) verstanden. Bekannte Beispiele für die Umwandlung in eine AG sind vor allem die Amper-Kliniken AG in Dachau sowie die Gesundheit Nordhessen Holding AG in Kassel.
Bei dieser Rechtsformänderung bleibt der bisherige Krankenhausträger unverändert der Inhaber des Krankenhauses. Die Veränderung der Rechtsform kann allerdings erheblichen Einfluss auf die Rechtsposition der Mitarbeiter sowie die Befugnisse und Möglichkeiten der Einflussnahme der Wahlgremien des Trägers haben. Außerdem beinhaltet die private Rechtsform auch das Insolvenzrisiko – ein Risiko, das bei öffentlichen Rechtsformen wie Eigen- oder Regiebetrieb nicht gegeben ist, da bei diesen eventuell entstehende Defizite aus dem Haushalt des öffentlichen Trägers abzudecken sind. Darüber hinaus wird allgemein davon ausgegangen, dass eine solche Rechtsformänderung dazu führt, dass die operative Leitung des Krankenhauses nach der Rechtsformänderung von politischen Beeinflussungen weitgehend frei gehalten werden kann. Der Träger muss sich dann auf die Berufung und Abberufung des bzw. der Geschäftsführer sowie die sonstigen gesetzlich oder in der Satzung der Gesellschaft festgelegten Befugnisse der Gesellschafterversammlung (GmbH bzw. gGmbH) bzw. Hauptversammlung (AG) und des Aufsichtsgremiums – normalerweise der Aufsichtsrat – beschränken. Außerdem gilt die Managementstruktur einer gGmbH, einer GmbH oder einer AG mit mindestens einem Geschäftsführer oder Vorstand an der Spitze mit Alleinvertretungsrecht nach außen als sinnvoll und entscheidungsfördernd. Darüber soll häufig auch der Einfluss von berufspolitisch motivierten Aspekten wie etwa im Modell der Dreierspitze (Ärztlicher Direktor, Pflegedienstleiter, Verwaltungsleiter) auf die Entscheidungen der Unternehmensleitung abgemildert werden.
Weiterhin gilt in einer GmbH, gGmbH oder AG das Betriebsverfassungsgesetz und nicht das Personalvertretungsrecht. Die Umwandlung eines städtischen Eigenbetriebs in eine GmbH oder eine gGmbH stellt einen so genannten Betriebsübergang dar. Für einen solchen Betriebsübergang gibt es zum Schutz der Beschäftigten gesetzliche Mindestnormen, die erfüllt werden müssen (§ 613a BGB, EU-Richtlinie 77/187/EWG v. 14.02.1977). Weitere, über diese Mindestnormen hinaus gehende Regelungen können in einem Personalüberleitungstarifvertrag vereinbart werden.
Verstärkt tritt auf dem Krankenhausmarkt in jüngster Zeit als Privatisierungsmotiv der defizitäre Betrieb von Kliniken in öffentlicher Trägerschaft hinzu. Mit einer Veräußerung des Klinikbetriebes sollen für die Zukunft Belastungen der öffentlichen Haushalte aus Defiziten solcher Kliniken vermieden werden. Außerdem wird von privaten Klinikketten erwartet, dass sie den Investitionserfordernissen moderner Krankenhäuser besser und schneller gerecht werden können, ohne auf öffentliche Investitionsmittel der Bundesländer angewiesen zu sein, weil sie sich besser am privaten Kapitalmarkt refinanzieren können.
Die materielle Privatisierung dagegen ist die Veräußerung der Mehrheit oder der gesamten Anteile eines Krankenhauses von einem öffentlichen an einen privaten Klinikträger. Dabei kann es sich durchaus um eine Klinik handeln, die vorher bereits formal privatisiert, also in eine gGmbH, eine GmbH oder eine AG umgewandelt worden war. Der Verkauf der Mehrheitsanteile der oben bereits erwähnten Amper Kliniken AG an die Rhön-Klinikum AG im Winter 2004 ist hierfür ein typisches Beispiel.
Üblicherweise sind private Klinikträger am Erwerb der gesamten Anteile interessiert, mindestens jedoch am Erwerb der Anteilsmehrheit. Der Erwerb eines Minderheitsanteils ist ausgesprochen selten und wird zumindest offen von keinem privaten Klinikträger angestrebt. Hintergrund ist, dass eine Minderheitsposition in der Klinikgesellschaft normalerweise nicht genügend Einfluss auf das Management und die Entscheidungs- sowie Aufsichtsgremien ermöglicht. Doch auch hierfür gibt es Ausnahmen: So hat die Asklepios Kliniken GmbH zum 1. Januar 2005 zunächst 49 Prozent der Anteile des LBK Hamburg erworben. Mit diesem Erwerb eines Minderheitsanteils verbunden war jedoch die Bedingung, dass die Asklepios Kliniken GmbH ebenfalls mit Wirkung vom 1. Januar 2005 die unternehmerische Verantwortung für den LBK übernehmen konnte. Außerdem wurde vertraglich vereinbart, dass die Asklepios Kliniken GmbH zu einem späteren Zeitpunkt weitere 25 Prozent der Anteile von der Hansestadt Hamburg übernimmt. Dies hat die Asklepios Kliniken GmbH am 1. Januar 2007 laut vertraglicher Vereinbarung getan und besitzt damit 74,9 Prozent der Anteile. Der LBK Hamburg wurde in diesem Zusammenhang in Asklepios Kliniken Hamburg GmbH umbenannt.
Ein weiteres Beispiel für die Übernahme eines Minderheitsanteils im Rahmen der Privatisierung eines öffentlichen Krankenhausunternehmens ist der Erwerb von 49% der Anteile der Klinikum Duisburg gGmbH durch die Sana Kliniken GmbH & Co. KGaA (heute: Sana Kliniken AG) im April 2007.
Der Ablauf von Privatisierungs-Transaktionen ist heute weitgehend standardisiert, soweit es sich um solche Transaktionen handelt, die von Transaktionsberatern begleitet werden und bzw. oder bei denen der Erwerber einer der größeren privaten Klinikkonzerne ist. Solche Transaktionsberater sind einerseits auf die Vermittlung und den Verkauf von Krankenhäusern spezialisierte Berater, aber auch große Beratungsunternehmen mit Spezialabteilungen für den Healthcare-Bereich, sowie spezialisierte Anwälte. Hinzu treten spezialisierte Abteilungen von großen national und international tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sowie von Banken, um das in diesen Fällen häufig zu bewegende Transaktionsvolumen zuverlässig abwickeln zu können.
Die nachfolgende Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Schritte, die ein Privatisierungsprozess heute normalerweise beinhaltet:
Tab.: Schritte im Privatiserungsprozess
Was?
Verkäufer
Käufer
1. Schritt
Grundsatz-Entscheidung des bisherigen Trägers zur Privatisierung des Krankenhauses
Identifizierung möglicher Privatisierungsobjekte
2. Schritt
Beauftragung eines Transaktionsberaters sowie Erarbeitung der Privatisierungsziele
Evt. Kontaktaufnahme zum Träger eines möglicherweise oder sicher zur Privatisierung anstehenden Krankenhauses
3. Schritt
Einholung von Interessenbekundungen potentieller Interessenten
Abgabe einer Interessenbekundung
4. Schritt
Erstellung und Versand des Informationsmemorandums über das zu privatisierende Krankenhaus
Recherche von umfassenden Informationen über das zu akquirierende Krankenhaus sowie sein Konkurrenzumfeld
5. Schritt
Managament- bzw. Bieterpräsentationen
Managament- bzw. Bieterpräsentationen
6. Schritt
Einholung und Auswertung unverbindlicher (indikativer) Angebote
Abgabe eines indikativen Angebotes mit Ausstiegsklausel
7. Schritt
Begrenzung des Bieterkreises
Entscheidung über Verbleib im Bieterverfahren oder Ausstieg
8. Schritt
Einrichtung eines Datenraumes
Durchführung einer Due-Diligence-Prüfung durch die verbliebenen Bieter
9. Schritt
Einholung abschließender Angebote
Abgabe eines verbindlichen Angebotes (häufig noch bedingt und mit Ausstiegsklauseln)
10. Schritt
Auswahl der für die eigentlichen Vertragsverhandlungen verbleibenden Bieter
Entscheidung über Verbleib im Bieterverfahren oder Ausstieg
11. Schritt
Präsentation eines oder einiger Bieter vor dem Entscheidungsgremium
12. Schritt
Entscheidung und formaler Beschluss im Entscheidungsgremium des verkaufenden Trägers
Annahme des Verkaufsangebotes gemäß Beschluss des Entscheidungsgremiums des abgebenden Trägers
13. Schritt
Ausarbeitung und notarielle Beurkundung des endgültigen Kaufvertrages
Ausarbeitung und notarielle Beurkundung des endgültigen Kaufvertrages
Dass bei diesem Prozess ein Scheitern des Verkaufs oder der Akquisition eines Krankenhauses auf allen Stufen bis zum letzten Schritt hin möglich ist, zeigte Anfang des Jahres 2005 das Scheitern des Verkaufs der kreiseigenen Frankenwaldklinik in Kronach an die ProCuraMed GmbH mit Sitz in Nürnberg: Obwohl der Kreistag dem Verkauf der Klinik zugestimmt und man sich auch über den Kaufpreis geeinigt hatte, wurde der notarielle Kaufvertrag zu den dabei zugrunde gelegten Konditionen nicht unterschrieben, weil es Auseinandersetzungen um Nebenbedingungen – hier um die Übernahme der Verluste des abgelaufenen Geschäftsjahres 2004 – gegeben hatte.
Solche Nebenbedingungen wie etwa die Übernahme von aufgelaufenen Verlusten durch den Verkäufer oder den Käufer, die Teilung der Verluste zwischen Käufer und Verkäufer, die Korrektur des Kaufpreises in einem gewissen Rahmen nach Vorliegen endgültiger Jahresergebnisse oder auch die Zusage der akquirierenden Klinikkette, Investitionen in bestimmter Höhe aus eigenen Mitteln in den übernommenen Standort zu tätigen, sind bei der Privatisierung eines Krankenhauses durchaus üblich.
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