Privatisierung, formale
In der Gesundheitswirtschaft:
Unter einer formalen Privatisierung wird im Allgemeinen die Umwandlung der Rechtsform eines in öffentlicher Trägerschaft befindlichen Krankenhauses aus der Form eines Eigenbetriebes oder eines Regiebetriebes in eine privatrechtliche Gesellschaftsform – meist die der gemeinnützigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH) oder der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), selten auch die der Aktiengesellschaft (AG) verstanden.
Dass eine formale Privatisierung auch lediglich die Vorstufe zur materiellen Privatisierung sein kann, zeigte die Fusion der Universitätskliniken Giessen und Marburg zum Universitätsklinikum Giessen und Marburg sowie die anschließende Umwandlung aus einer Anstalt des öffentlichen Rechts in eine GmbH. Kurz danach veräußerte das Land Hessen 95 Prozent der Anteile an der Universitätsklinikum Giessen und Marburg GmbH an die Rhön-Klinikum AG und nahm damit eine materielle Privatisierung vor.
Bekannte Beispiele für die Umwandlung in eine AG sind die Amper-Kliniken AG in Dachau sowie die Gesundheit Nordhessen Holding AG in Kassel, wobei die Amper-Kliniken AG mittlerweile durch die Veräußerung von 74,9 Prozent der Aktien an die Rhön-Klinikum AG ebenfalls materiell privatisiert wurde.
Bei der formalen Privatisierung im Sinne der Rechtsformänderung bleibt der bisherige Krankenhausträger unverändert der Inhaber des Krankenhauses. Die Veränderung der Rechtsform kann allerdings erheblichen Einfluss auf die Rechtsposition der Mitarbeiter sowie die Befugnisse und Möglichkeiten der Einflussnahme der Wahlgremien des Trägers haben. Außerdem beinhaltet die private Rechtsform auch das Risiko der Insolvenz – ein Risiko, das bei öffentlichen Rechtsformen wie Eigen- oder Regiebetrieb nicht gegeben ist, da bei diesen eventuell entstehende Defizite aus dem Haushalt des öffentlichen Trägers abzudecken sind. Darüber hinaus wird allgemein davon ausgegangen, dass eine solche Rechtsformänderung dazu führt, dass die operative Leitung des Krankenhauses nach der Rechtsformänderung von politischen Beeinflussungen weitgehend frei gehalten werden kann. Der Träger muss sich dann formal auf die Berufung und Abberufung des bzw. der Geschäftsführer sowie die sonstigen gesetzlich oder in der Satzung der Gesellschaft festgelegten Befugnisse der Gesellschafterversammlung (GmbH bzw. gGmbH) bzw. Hauptversammlung (AG) und des Aufsichtsgremiums – normalerweise der Aufsichtsrat – beschränken. Außerdem gilt die Managementstruktur einer gGmbH, einer GmbH oder einer AG mit mindestens einem Geschäftsführer oder Vorstand an der Spitze mit Alleinvertretungsrecht nach außen als sinnvoll und entscheidungsfördernd. Darüber soll häufig auch der Einfluss von berufspolitisch motivierten Aspekten wie etwa im Modell der Dreierspitze (Ärztlicher Direktor, Pflegedienstleiter, Verwaltungsleiter) auf die Entscheidungen der Unternehmensleitung abgemildert werden.
Weiterhin gilt in einer GmbH, gGmbH oder AG das Betriebsverfassungsgesetz und nicht das Personalvertretungsrecht. Die Umwandlung eines städtischen Eigenbetriebs in eine GmbH oder eine gGmbH stellt einen so genannten Betriebsübergang dar. Für einen solchen Betriebsübergang gibt es zum Schutz der Beschäftigten gesetzliche Mindestnormen, die erfüllt werden müssen (§ 613a BGB, EU-Richtlinie77/187/EWG v. 14.2.1977). Weitere, über diese Mindestnormen hinaus gehende Regelungen können in einem Personalüberleitungstarifvertrag vereinbart werden.
Tab. 1: Krankenhäuser und aufgestellte Betten nach Trägerschaft und Rechtsform 2004
Quelle: Statistisches Bundesamt 2005
Art der Krankenhäuser
Anzahl der Krankenhäuser
Aufgestellte Betten insgesamt
Krankenhäuser insgesamt
2.166
531.333
Nach Trägerschaft:
Öffentliche KH
780
280.717
Darunter: in privatrechtlicher Form
287
99.639
Darunter: in öffentl.-rechtl. Form
493
181.078
Rechtlich unselbstständig
371
120.220
Rechtlich selbstständig
122
60.858
Freigemeinnützige KH
831
189.334
Private KH
555
61.282
Erläuterung1 zu den Begriffen der Tabelle:
Nach der Art des Trägers und der Rechtsform lassen sich die Krankenhäuser folgendermaßen differenzieren:
• Öffentliche Krankenhäuser können in öffentlich-rechtlicher oder in privatrechtlicher Form geführt werden.
–
Die in öffentlich-rechtlicher Form betriebenen Krankenhäuser sind entweder rechtlich selbstständig (z. B. Zweckverband, Anstalt, Stiftung) oder rechtlich unselbstständig (z. B. Regie- oder Eigenbetrieb).
–
In privatrechtlicher Form (z. B. als GmbH) betriebene Krankenhäuser befinden sich in öffentlicher Trägerschaft, wenn Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Bezirke, Kreise, Gemeinden) oder Zusammenschlüsse solcher Körperschaften (z. B. Arbeitsgemeinschaften oder Zweckverbände) oder Sozialversicherungsträger (z. B. Landesversicherungsanstalten oder Berufsgenossenschaften) unmittelbar oder mittelbar mehr als 50 v. H. des Nennkapitals oder des Stimmrechts halten.
• Freigemeinnützige Krankenhäuser werden von Trägern der kirchlichen und freien Wohlfahrtspflege, Kirchengemeinden, Stiftungen oder Vereinen unterhalten.
• Private Krankenhäuser bedürfen als gewerbliche Unternehmen einer Konzession nach § 30 Gewerbeordnung.
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