Privatisierung
In der sozialistischen Wirtschaftslehre:
Überführung kommunaler oder staatseigener Unternehmen in Privateigentum.
Entstaatlichung von Wirtschaftsunternehmen durch Bildung von Aktiengesellschaften (z.B. Bundesbahn, Telecom) oder durch den Verkauf an Privatkonzerne (Müllverbrennung, Verkehrsysteme). Die Entstaatlichung (Privatisierung) ist eine der wichtigsten wirtschaftspolitischen Forderungen des Monetarismus. In der Bundesrepublik Deutschland wird dies in fast allen Wirtschaftbereichen akzeptiert und durchgesetzt.
Überführung von Unternehmungen aus Staatseigentum in Privateigentum.
In der Wirtschaftssoziologie: [1] die Überführung von staatlichem, Gemein- oder Genossenschaftseigentum an Produktionsmitteln in Privateigentum.
[2] Unterschiedlich gebrauchte, meist kritisch gemeinte Bezeichnung für die Verlagerung von Interessen und Orientierungen hin auf die Probleme des Privatlebens, des Haushalts und der Familie (und weg von den Entscheidungen und Aufgaben in Politik und Wirtschaft). Eine solche Privatisierung wurde z.B. für das Westdeutschland der 1950er Jahre konstatiert (als Uegenbewegung gegen die „weltgeschichtliche Überforderung“ in Nationalsozialismus und Krieg, auch als Flucht vor angemessener Erinnerung daran).
Überführung von gemeinwirtschaftlichem oder öffentlichem Vermögen in Privatbesitz. Sie ist die Gegenbewegung zur Sozialisierung oder - Verstaatlichung. Während die Privatisierung im Rahmen von kapitalistischen - Wirtschaftsordnungen nur einzelne Unternehmen betrifft, die in einigen Fällen allerdings einen ganzen Sektor umfassen können (z.B. Telekommunikation), geht es bei der Privatisierung in den postkommunistischen Wirtschaftsordnungen um die Überführung nahezu des gesamten produktiven Vermögens in Privateigentum. Die praktischen Möglichkeiten und Lösungen der Privatisierungsmaßnahmen werden sich deshalb wesentlich unterscheiden. Die Motive für die Privatisierung sind jedoch grundsätzlich die gleichen. Motive für die Privatisierung sind in erster Linie Effizienzüberlegungen, Budgetüberlegungen, die Entpolitisierung der Wirtschaft, eine gewisse Egalisierung der Eigentumsunterschiede durch Einführung eines Volkskapitalismus. Ökonomisch stehen Effizienzüberlegungen im Vordergrund. Es wird angenommen, dass private Eigentumsrechte gegenüber öffentlichen Eigentumsrechten zu einer höheren technischen und allokativen Effizienz führen (property rights). Armen A. ALCHIAN (1965) hat die Hypothese aufgestellt, dass der Entscheidungsträger bei öffentlichen Eigentumsrechten weniger direkt mit den Folgen seiner Entscheidung konfrontiert wird als bei privaten Eigentumsrechten. Seine Budgetbeschränkungen und sein Konkursrisiko sind weniger hart, er ist in den meisten Fällen keiner direkten Bewertung seiner Leistungen durch den Markt ausgesetzt, die Kontrollkosten für seine Tätigkeit sind eher höher, die ihn kontrollierenden Instanzen (Verwaltungen und letztlich politische Organe) haben ein weniger direktes Interesse, die Kontrolle effektiv auszuführen. Im Falle des Privateigentums überwachen die Eigentümer direkt ihre Manager oder die Kontrolle erfolgt indirekt über den Kapitalmarkt. Der Markt für Eigentumsrechte stimuliert die Effizienz. All das führt zu der Vermutung, dass Manager öffentlicher Unternehmen sich eine niedrigere technische Effizienz als in der Privatwirtschaft erlauben können: Ihr Energie- und Materialverbrauch ist höher, ihre Betriebe tendieren zu personeller Überbesetzung. Es gibt zahlreiche empirische Studien, die diese Vermutung für kapitalistische Wirtschaftssysteme stützen. Für die Staatsbetriebe der sozialistischen Wirtschaftssysteme war diese Tendenz evident. Die geringe allokative Effizienz, die den sozialistischen Wirtschaftssystemen zugeschrieben wird, ist nicht allein aus der Eigentumsrechtsordnung zu erklären, sondern zu einem Gutteil Folge der Zentralplanung (Zentralverwaltungswirtschaft). Trotzdem besteht auch eine Vermutung, dass sich öffentliche Eigentumsrechte negativ auf die allokative und die dynamische Effizienz auswirken. Der administrative Schutz, unter dem die öffentlichen Unternehmen stehen, läßt sie weniger alert auf Innovationen und die Bedürfnisse ihrer Klienten reagieren. Eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg einer Privatisierungsstrategie ist die Schaffung von ausreichendem Wettbewerb, d.h., der Übergang von einem öffentlichen zu einem privaten Angebotsmonopol läßt keine wesentlichen Effizienzgewinne erwarten. Die Methoden der Privatisierung hängen stark von der jeweiligen Situation und den Intentionen der Politik ab. Wo funktionierende Kapitalmärkte bestehen, kann die Privatisierung über sie abgewickelt werden. Das ist in den postkommunistischen Wirtschaften i.d.R. nicht der Fall. Hier stellt sich die grundsätzliche Frage nach Verkauf oder unentgeltlicher Übertragung. Abgesehen vom Problem, einen Marktwert festzustellen, erfordert der Verkauf zum Marktwert entweder ein großzügiges Kreditprogramm oder sehr viel Zeit oder ausländische Investoren. Bei der unentgeltlichen Übertragung stellt sich vor allem die Frage nach den Begünstigten. In Frage kommen die ehemaligen Eigentümer, die Beschäftigten oder die Bürger allgemein, sowie Institutionen, Investitions- und Holdinggesellschaften, Pensionsfonds, Banken. Literatur: Vickers, J., Yarrow, G. (1988). Vuylsteke, Ch. (1988)
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