Umweltschutz und Beschäftigung
Seit gut 25 Jahren reiben sich Wirtschaftsvertreter und Umweltpolitiker an der Frage, ob Umweltschutz Arbeitsplätze schafft oder vernichtet. Insbesondere die aus Umweltschutzgründen erfolgte Schließung der Firma Boehringer in Hamburg und die zeitweise Schließung der Firma Sonnenschein in Berlin sowie die verzögerte Inbetriebnahme des Kraftwerkes Buschhaus wurden in den achtziger Jahren gern als „repräsentativer“ Nachweis der „Job-Killer-Umweltschutz“These vorgebracht. Für die negativen Beschäftigungseffekte des Umweltschutzes werden in der Literatur vor allem vier Argumente genannt:
• Kosten-Argument: Umweltschutzmaßnahmen erhöhen die Produktionskosten in einem Maße, daß die Betriebe allein aus diesen Gründen schließen müssen. Dies ist vor allem bei „Grenzbetrieben“ der Fall, die mit ihrem Verkaufserlös gerade ihre Kosten decken können;
Wettbewerbs-Argument:
Den Betrieben entsteht ein umweltschutzbedingter Konkurrenznachteil auf den Auslandsmärkten, und sie erleiden damit arbeitsplatzwirksame Exporteinbußen;
Standort-Argument:
Wegen zu hoher und teurer Umweltschutzanforderungen wandern Betriebe in das Ausland ab;
Investititionsstau-Argument:
Durch Umweltschutzanforderungen entstehen „Investitionsstaus“. Infolge von nicht getätigten oder (sehr) verspäteten öffentlichen oder privaten Investitionen werden Arbeitsplätze nicht oder nur verzögert besetzt.
1. Potentielle Beschäftigungseffekte der Umweltpolitik
Umweltschutzmaßnahmen beeinflussen die Beschäftigung in vielfältiger Weise positiv:
Unmittelbare Beschäftigungswirkungen entstehen, wenn vom Träger einer Umweltschutzmaßnahme Personal eingesetzt wird;
weitere Beschäftigungswirkungen treten - wie bei jeder anderen Nachfragesteigerung auch - durch Bezüge von Waren und Dienstleistungen bei den Herstellern dieser Umweltschutzgüter auf;
hinzu kommen indirekte Beschäftigungswirkungen in den Unternehmen, die ihrerseits die Hersteller von Umweltschutzgütern mit Investitionsgütern oder Vorleistungen beliefern.
Auch damit sind die theoretisch denkbaren Beschäftigungseffekte von Umweltschutzmaßnahmen nicht erschöpfend aufgezählt. So können Umweltschutzmaßnahmen über Folgewirkungen im Preis-, Produktions- und Einkommenssystem Beschäftigungseffekte selbst in „entfernten“ Bereichen der Wirtschaft auslösen. Von besonderer Bedeutung sind „Multiplikatoreffekte“, die sich ergeben, wenn zusätzliche Nachfrage auf Dauer über zusätzliche Beschäftigung zu zusätzlichen Einkommen der Haushalte und damit zu weiterer Nachfrage führt.
Wie bereits angedeutet sind auch negative Beschäftigungseffekte von Umweltschutzmaßnahmen denkbar, beispielsweise aufgrund:
kostenbedingter Wettbewerbsnachteile;
von Kapazitäts- oder Qualifikationsengpässen oder
der Verdrängung privater Aktivitäten bei einer erhöhten Kreditaufnahme des Staates.
Aus theoretischer Sicht ist der Beschäftigungseffekt der Umweltpolitik also unbestimmt: Beschäftigungsgewinne resultieren beispielsweise aus einer Produktionsausweitung in umweltfreundlichen Sektoren, Beschäftigungseinbußen werden beispielsweise aufgrund von Produktionseinschränkungen in umweltbelastenden Sektoren hervorgerufen. Entscheidend für die potentiellen Arbeitsmarkteffekte der Umweltpolitik ist letztlich der Saldo aus den Beschäftigungsgewinnen und -verlusten (Nettobeschäftigungseffekt), der durch sogenannte Multiplikatorwirkungen noch verstärkt wird.
2. Berufe im Umweltschutz
Grundsätzlich ist es heute nicht mehr umstritten, daß der Umweltschutz für nahezu alle Berufe von Bedeutung ist und daher die Integration einer umfassenden Bildung für Nachhaltige Entwicklung in praktisch alle Ausbildungsordnungen und Berufsbilder einen besonderen Stellenwert besitzt. Dann können ganz unterschiedliche Berufe wesentliche Beiträge zur Nachhaltigkeit leisten, beispielsweise:
der Landwirt, der statt chemieunterstützter Intensivlandwirtschaft biologischen oder integrierten Landbau betreibt;
der Kraftfahrzeugmechaniker, der einen Pkw-Motor schadstoffarm einstellt;
der Prozeßleitelektroniker, der im Kraftwerk für die rückstandsarme Verbrennung fossiler Energieträger sorgt;
der Maler oder Maurer, der umweltverträgliche Materialien und Werkstoffe verwendet;
der Radio- und Fernsehtechniker, der Altgeräte verwertet und den unverwertbaren Rest umweltverträglich entsorgt.
Darüber hinaus haben sich inzwischen einige Berufsbilder entwickelt, die besonders stark auf den Umweltschutz ausgerichtet sind und insofern als „Umweltberufe“ bezeichnet werden können. Beispielsweise ist eine bundesweite Fortbildungsregelung zum Natur- und Landschaftspfleger in Vorbereitung. Der Bedarf für diese Qualifikation resultiert aus den wachsenden Tätigkeitsfeldern im Vertragsnaturschutz und in der Schutzgebietsbetreuung. Voraussetzung für die Prüfung ist die erfolgreich abgeschlossene Ausbildung in einem „grünen Beruf“ wie Gärtner, Forst- oder Landwirt sowie eine mehrjährige Berufspraxis und die Teilnahme an einem Fortbildungslehrgang.
Auch wenn solche „Umweltberufe“ nur einen geringen Prozentsatz an der Gesamtbeschäftigung ausmachen, bedeutet dies nicht, daß umweltspezifische Qualifikationen nur in Ausnahmefällen am Arbeitsmarkt nachgefragt werden. Umweltschutzkenntnisse stellen vielmehr eine typische Querschnittsfunktion dar, der in einer Vielzahl von Berufen erhebliche Bedeutung zukommt.
Fachkundige Umweltschutzarbeitskräfte werden von den öffentlichen und privaten Unternehmen nicht nur für die Erfüllung gesetzlicher Vorschriften oder für freiwillige Umweltschutzmaßnahmen benötigt, sondern - soweit sinnvoll und möglich - beispielsweise auch für die selbständige Entwicklung und Erstellung von Umweltschutzanlagen. Es ergeben sich vornehmlich folgende Einsatzbereiche für Mitarbeiter, die ausschließlich oder zeitweise mit Umweltschutzaufgaben betraut sind:
Betrieb und Instandhaltung von Umweltschutzanlagen:
Instandhaltung und Reinigung des werkseigenen Abwasserleitungsnetzes, Betrieb von eigenen Abwasserreinigungsanlagen, Betrieb von eigenen Deponien oder Abfallverbrennungsanlagen, Betrieb und Wartung der Anlagen zur Abluft- und Abgasreinigung;
Meß- und Überwachungsaufgaben: Abluftkontrollen und Lärmmessungen innerhalb und außerhalb des Werksgeländes, Probennahmen, Einzelmessungen und Laboruntersuchungen zur Bestimmung der Schädlichkeit betrieblicher Abwässer oder Abfälle, Bedienung mobiler Meßstationen, Meßfahrzeuge und Laboreinrichtungen, Erstellung und Fortschreibung von Emissions- und/oder Immissionskatastem;
Forschung, Entwicklung und Erprobung:
Entwicklung und Erprobung neuer Entsorgungsanlagen und -verfahren für eigene Zwecke, Entwicklung neuer Meßund Analysetechniken für die eigene Emissionsüberwachung, Beratung von Forschung, Entwicklung und Produktion im Hinblick auf die Anwendung umweltverträglicher Verfahrens-, Fertigungs- oder Energietechniken oder die Herstellung umweltfreundlicher Produkte;
Aufgaben im administrativen Bereich: Überwachung der Einhaltung aller einschlägigen Umweltvorschriften, Stellungnahme zu umweltrelevanten Investitionsvorhaben, Mitwirkung bei Genehmigungsverfahren für die Errichtung und das Betreiben von Produktionsanlagen, innerbetriebliche Aufklärungs- und Schulungsmaßnahmen, Öffentlichkeitsarbeit.
Der Trend zu integriertem Umweltschutz dürfte eine kontinuierliche Erneuerung des Kapitalstocks herbeiführen und besondere Ansprüche an die berufliche Qualifikation stellen. Mehr oder weniger starke Bezüge zum Umweltschutz weisen insbesondere folgende Studiengänge auf:
im Bereich der Naturwissenschaften die Biologie, die Chemie, die Geographie, die Geoökologie (Landschaftsökologie), die Geologie, die Mineralogie, die Geophysik, die Physik, die Meteorologie, die Ozeanographie und das Agraringenieurwesen;
im Bereich der planerischen Studiengänge die Architektur, die Raumplanung, die Landespflege/ -Landschaftsplanung (und verwandte Studiengänge), der Gartenbau, die Forstwissenschaft/Forstwirtschaft;
im Bereich der technischen Studiengänge der Technische Umweltschutz, der Maschinenbau/Verfahrenstechnik, das Bauingenieurwesen, die Elektrotechnik, die Informatik und die Biotechnologie/Bioverfahrenstechnik;
im Bereich der wirtschafts-, rechts-, sozial- und geisteswissenschaftlichen Studiengänge die Wirtschafts- und Rechtswissenschaften sowie die Soziologie, die Politologie und die Psychologie (wobei aber auch die Pädagogik, Philosophie, Geschichte, Sprach-und Literaturwissenschaften sowie Theologie zunehmend den Gedanken der Nachhaltigkeit aufnehmen und zur entsprechenden Diskussion wichtige Beiträge liefern);
die Medizin und die Ökotrophologie.
3. Empirische Befunde
Daß die Bedeutung des Umweltschutzes für den Arbeitsmarkt nicht vernachlässigbar ist, konnte bereits Anfang der neunziger Jahre belegt werden. In einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Berlin, wurde geschätzt, daß im Jahre 1990 bundesweit rund 680.000 Menschen durch den Umweltschutz beschäftigt waren. Außerdem wurde prognostiziert, daß im Jahre 2000 in Deutschland wahrscheinlich mindestens 1,1 Millionen Menschen durch den Umweltschutz beschäftigt sein werden. Bei dieser Prognose wurde angenommen, daß die Umweltpolitik stetig weiterentwickelt wird.
Solche Schätzungen und Prognosen können freilich mit beträchtlichen Unsicherheiten behaftet sein. So lagen beispielsweise die Schätzungen über das Marktvolumen für Umweltschutzgüter für das Jahr 1989 zwischen 25 und 50 Milliarden DM. Ein Grund für solche Bandbreiten ist, daß sich der Umweltschutzsektor statistisch nur schwer erfassen läßt. Hinzu kommt, daß sich mit den zur Ermittlung der umweltschutzinduzierten Beschäftigung angewandten Meßkonzepten die Wirkungen integrierten Umweltschutzes nur unzureichend schätzen lassen.
Schwierigkeiten bereitet auch die Bewertung wichtiger Einflußgrößen auf den Umweltschutzmarkt. Aufgrund empirischer Erhebungen werden im allgemeinen folgende Faktoren als besonders ausschlaggebend für die Nachfrage nach Umweltgütern angesehen:
Finanzierungshilfen für öffentliche Maßnahmen;
Finanzsituation der öffentlichen Hand;
konjunkturelle Situation im Ausland;
konjunkturelle Situation im Inland;
neue Umweltschutzgesetzgebung;
Umweltbewußtsein der Unternehmen;
Umweltbewußtsein privater Haushalte;
Umweltpolitik anderer Staaten;
Vollzug bestehender Auflagen.
Um den aktuellen Stellenwert des Umweltschutzes für den Arbeitsmarkt besser beurteilen zu können, hatte das Umweltbundesamt an eine Projektgemeinschaft führender Wirtschaftsforschungsinstitute (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin; Institut für Wirtschaftsforschung, München; Institut für Wirtschaftsforschung, Halle; Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung, Essen) ein Gutachten zum Thema „Aktualisierte Berechnung der umweltschutzinduzierten Beschäftigung in Deutschland“ vergeben. Die Untersuchung folgt weitgehend einer „nachfrageorientierten“ Erfassung von Beschäftigungseffekten, die sich im wesentlichen auf folgende Bereiche konzentriert:
Einsatz von Personal mit unmittelbaren Umweltschutzaufgaben;
Nachfrage nach Investitionsgütern für den Umweltschutz;
Nachfrage nach Hilfs- und Betriebsstoffen, Energie, Reparatur- und Wartungsleistungen im Zusammenhang mit dem Betrieb von Umweltschutzanlagen.
Den aktuellen Schätzungen zufolge waren im Jahre 1994 rund 956.000 Arbeitsplätze direkt oder indirekt vom Umweltschutz abhängig, d. h. die Zahl der „Umweltschutzarbeitsplätze“ entspricht der Größenordnung des Straßenfahrzeugbaus in Deutschland. Betroffen sind rund 2,7 Prozent aller Erwerbstätigen, d. h. etwa jeder 37. Erwerbstätige verdankt seinen Arbeitsplatz dem Umweltschutz.
Nach Ausgabenarten betrachtet (Investitionen, laufende Sach- und Personalausgaben) waren 1994 insgesamt rund:
448.000 Arbeitsplätze durch die Inlands- und Auslandsnachfrage nach umweltschutzbezogenen Investitionsgütern, Betriebsstoffen und Betriebsmitteln ausgelastet,
508.000 Personen mit unmittelbaren Umweltschutzaufgaben betraut.
Von den in Deutschland unmittelbar mit Umweltschutzaufgaben befaßten Personen waren fast 200.000 bei den Gebietskörperschaften wie den Planungs-, Verwaltungsund Vollzugsbehörden beschäftigt. Die Aufgabenbereiche mit den meisten Beschäftigten sind dort die Abwasser- und Abfallbeseitigung einschließlich Straßenreinigung (rund 70.000 Personen), die Pflege von Grünanlagen (rund 57.000 Personen) und der Planungs-, Verwaltungs- und Vollzugsbereich (rund 52.000 Personen).
Zu einer mehr als doppelt so hohen Zahl der „Umweltschutzarbeitsplätze“ gelangt eine Studie aus dem Jahre 1998 (vgl. -BUND/ÖTV). Die Autoren schätzen, daß in Deutschland nahezu 2,5 Millionen Beschäftigte im Umweltschutz tätig sind. Diese Berechnung übersteigt die Schätzung der oben genannten Projektgemeinschaft deutlich. Der Hauptgrund ist darin zu sehen, daß diese den Bereich „Handwerk“ in ihren Berechnungen ausgeklammert hat. Nach Schätzungen des Saar-Lor-Lux Umweltzentrums hängen in Deutschland jedoch allein im Handwerk rund 930.000 Arbeitsplätze am Umweltschutz.
4. Beschäftigungswirkungen integrierten Umweltschutzes:
Die Zusammenhänge zwischen Beschäftigung und integrierter -Umweltschutztechnik sind noch weitgehend unerforscht. Denn die Wirkungen des integrierten Umweltschutzes auf den Arbeitsmarkt lassen sich statistisch nur unzureichend erfassen. Aufgrund theoretischer Überlegungen lassen sich zahlreiche positive und negative Beschäftigungswirkungen herleiten.
Integrierte Umweltschutztechnologie
Das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag sieht integrierte Umweltschutztechnologien durch folgende Eigenschaften und Kriterien gekennzeichnet:
Berücksichtigung der vor- und nachgelagerten Stufen eines Produktionsprozesses oder eines Produktes (lifecycle-Betrachtung);
Produktionsprozeßintegriertes -Recycling und Kreislaufrückführung (primäres Recycling);
Recyclingfähigkeit und umweltverträglichere Entsorgung unvermeidbarer Reststoffe und nicht mehr brauchbarer Produkte;
sparsamerer Umgang mit Energien und stofflichen Ressourcen;
Substitution umweltschädlicher Einsatzstoffe;
Substitution von Produkten und Produktionsprozessen durch weniger umweltschädliche;
Verringerung des unvermeidlichen Reststoffanfalls;
weitgehender Verzicht auf end-ofpipe- und additive Technologien (Umweltschutz, additiver).
Tendenziell dürften bei einer Verlagerung auf den integrierten Umweltschutz ein Rückgang im nachsorgenden Umweltbereich sowie Beschäftigungseinbußen bei den Anbietern additiver (nachgeschalteter) Technik zu erwarten sein. Durch die zu erwartenden Energie- und Rohstoffeinsparungen ist mit Produktions- und Beschäftigungsrückgängen in der Energiegewinnungsund -umwandlungswirtschaft sowie in der übrigen Rohstoffgewinnungs- und - verarbeitungswirtschaft und der sie beliefernden Investitionsgüterindustrie zu rechnen. Dem gegenüber stünden Beschäftigungsgewinne bei den Anbietern energieund rohstoffschonender Techniken sowie bei den Vermittlungs- und Beratungsagenturen zu integriertem Umweltschutz.
Beschäftigungsgewinne können auch durch die Zunahme von Dienstleistungsangeboten im Bereich Energiesparen (Contracting, Least-Cost-Planning) erwartet werden. Energie- und rohstoffsparende Maßnahmen können wiederum positive Beschäftigungseffekte nach sich ziehen, wenn sich diese Maßnahmen sowohl ökologisch als auch ökonomisch lohnen (win-win options), so daß die eingesparten Mittel anderweitig produktiv verwendet werden können. Da integrierte Technik meist im Rahmen von Modernisierungsinvestitionen eingesetzt wird, die oftmals mit Produktivitätserhöhungen verbunden sind, könnten damit Rückgänge bei der Beschäftigung erfolgen, die allerdings den Rationalisierungsmaßnahmen zuzurechnen wären. Andererseits kann durch die Modernisierung die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden, was vor dem Hintergrund der internationalen Konkurrenz zu positiven Beschäftigungswirkungen führen kann. Da im Unterschied zu additiven Umweltschutzmaßnahmen durch integrierten Umweltschutz keine Verdrängung anderer Investitionen auftritt, dürften die damit einhergehenden Beschäftigungseinbußen bei integrierter Umweltschutztechnik nicht auftreten.
Die Implementation produktions- und produktintegrierter Umweltschutztechnik im Rahmen der allgemeinen Modernisierung dürfte langfristig für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und den Erhalt von Arbeitsplätzen eine wesentliche Voraussetzung sein. Positive Beschäftigungseffekte sind insbesondere dann zu erwarten, wenn die Exportmärkte für den Bereich integrierter Umweltschutztechnik ausgebaut und gestärkt werden können.
5. Perspektiven:
Die Antwort auf die Frage, in welcher Beziehung Umweltschutz und Beschäftigung auf lange Sicht zueinander stehen, ist denkbar einfach:
Arbeitsplätze, die mit einer verschwenderischen und ineffizienten Ressourcennutzung verbunden sind, haben auf Dauer keine Zukunft;
Arbeitsplätze, die sich dagegen an einer ökologisch angepaßten Wirtschaftsweise orientieren, sind grundsätzlich als zukunftsfähig anzusehen.
Im April 1999 hat Prognos, Basel, im Auftrag von Greenpeace eine Studie vorgelegt, die sich mit der Leitfrage befaßt, ob eine nachhaltige Wirtschaftsweise ohne Arbeitsplatzverluste möglich ist. Zielsetzung der Studie ist es, konkrete Schritte in Richtung einer nachhaltigen Wirtschaftsweise aufzuzeigen und das Beschäftigungspotential einer solchen Politik für Deutschland, die Schweiz und Österreich auf der Basis heute bekannter und (annähernd) wirtschaftlicher energie- und ressourcensparender Produkte, Produktionsverfahren und Technologien für das Jahr 2020 zu schätzen. Im Kern geht es dabei um die Ermittlung des Nettobeschäftigungseffektes einer Nachfrageumschichtung hin zu umweltverträglicheren Produkten, Techniken und Produktionsverfahren. Die Beschäftigungswirkungen von umweltpolitischen Instrumenten zur Umsetzung dieser Nachhaltigkeitsstrategie werden ausgeklammert.
Die Wirkungen einer nachhaltigen Wirtschaftsweise werden durch den Vergleich eines Referenzszenarios mit einem nachhaltigen Szenario („Neue Wege“) abgeschätzt. Für Deutschland, die Schweiz und Österreich wurden im Szenario „Neue Wege“ zwei ökologische Ziele angenommen:
Reduktion des Einsatzes nicht erneuerbarer Primärenergieträger (Kohle, Öl und Gas) um 30 Prozent gegenüber 1990;
Verringerung des Materialverbrauchs um 25 Prozent gegenüber 1990.
Gleichzeitig wird davon ausgegangen, daß in allen Industrieländern die Ziele einer energie- und materialschonenden Wirtschaftsweise verfolgt werden. Der errechnete Nettobeschäftigungseffekt einer nachhaltigen Wirtschaftsweise für Deutschland im Jahre 2020 (der sich als Saldo aus den positiven und negativen Beschäftigungswirkungen ergibt) beträgt 163.000 Arbeitsplätze. Diese Zahl ergibt sich zum einen aus 132.500 sektorspezifischen Arbeitsplätzen.
Hinweis: Die sektorspezifischen Beschäftigungseffekte enthalten direkte Beschäftigungseffekte (die maßnahmenspezifisch ermittelt wurden) und indirekte Beschäftigungseffekte (die sich durch die Auswirkungen auf vor- und nachgelagerte Produktionssektoren ergeben).
Zum anderen enthält die Zahl 30.500 Arbeitsplätze, die sich als gesamtwirtschaftlicher Beschäftigungseffekt aus Konsumverlagerungen der privaten Haushalte ergeben. Ein solcher Effekt kommt dadurch zustande, daß bei den Privaten Haushalten auf der einen Seite Einsparungen (beispielsweise bei den Energiekosten) realisiert und auf der anderen Seite höhere Ausgaben für nachhaltige Produkte (beispielsweise für die Wärmedämmung) getätigt werden. Der positive Effekt erklärt sich dadurch, daß im Nachhaltigkeitsszenario die erhöhten Ausgaben durch die eingesparten Mittel überkompensiert werden.
Besonders hohe positive Beschäftigungseffekte werden in Deutschland für die Sektoren Bau und Landwirtschaft errechnet. Der hohe Beschäftigungseffekt in der Landwirtschaft resultiert aus einer weitgehenden Umstellung vom konventionellen zum ökologischen Landbau, der beschäftigungsintensiver als konventionelle Bewirtschaftung ist. Die hohen Beschäftigungszuwächse im Bau resultieren aus einer erhöhten Nachfrage nach Infrastruktur für den ÖPNV, Bahn und Radwege sowie aus einer erhöhten Nachfrage nach Wärmedämmaßnahmen. Negative Beschäftigungseffekte ergeben sich in den Sektoren Bergbau, Fahrzeugbau, Chemische Erzeugnisse und Verkehr, wobei die Beschäftigungsverluste im Bereich Fahrzeugbau am stärksten ins Gewicht fallen.
Die in der Studie von Prognos ermittelten Beschäftigungspotentiale einer nachhaltigen Wirtschaftsweise können als Untergrenze der tatsächlichen Beschäftigungspotentiale gewertet werden. Begründet werden kann dies zum einen damit, daß ausschließlich energie- und ressourcensparende Techniken in die Analyse einbezogen wurden, die bereits heute annähernd wirtschaftlich sind. Die Beschäftigungseffekte wurden konkret für 66 Einzelmaßnahmen in unterschiedlichen Sektoren ermittelt. Positive Folgewirkungen beispielsweise durch technischen Fortschritt wurden dabei ebenso ausgeklammert wie die Wirkung von staatlichen Subventionen (etwa im Bereich Solarenergie) oder die Arbeitsplatzeffekte einer Ökosteuer.
Weiterführende Literatur:
BUND/ÖTV: Umwelt und Arbeitsplätze in Deutschland. Energie und Klimaschutz, Land- und Forstwirtschaft, Stuttgart/Freiburg 1998; Bundesumweltministerium (Hrsg.): Aktualisierte Berechnung der umweltschutzinduzierten Beschäftigung in Deutschland, Reihe „Umweltpolitik“, Bonn 1996; Prognos: Mehr Arbeitsplätze durch ökologisches Wirtschaften? Eine Untersuchung für Deutschland, die Schweiz und Österreich, Hamburg 1999; Schulz, W.: Sind über eine Million Umweltschutzarbeitsplätze purer Zufall? Nur eine aktive Umweltpolitik kann den Arbeitsmarkt nachhaltig beleben, in: WSI, Mitteilungen, 52. Jg., o. 0. 1999; Umweltbundesamt (Hrsg.): Beschäftigungswirkungen des Umweltschutzes. Abschätzung und Prognose bis 2000. Einzelanalysen. Texte 42/93 des Umweltbundesamtes, Berlin 1993; Umweltbundesamt (Hrsg): Umweltschutz und Beschäftigung. Brückenschlag für eine lebenswerte Zukunft, Berlin 1997; Wicke, L./ Schulz, E./ Schulz, W.: Entlastung des Arbeitsmarktes durch Umweltschutz?, in: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 1/1987, o. 0. 1987.
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