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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Umweltschutz in GATT und WTO

1. Vorbemerkung Im Jahre 1947 wurde in Genf das General Agreement an Tariffs and Trade (GATT) unterzeichnet, dessen Hauptziel einer weltweiten Handelsliberalisierung durch den Abbau von tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnissen erreicht werden sollte. Der Begriff des Umweltschutzes kommt, bedingt durch die Geringschätzung dieses Aspektes zum Entstehungszeitpunkt des Abkommens, im ursprünglichen Vertragswerk nicht vor. Mit der Tokio-Runde wird im Jahre 1979 der Umweltschutz erstmals in einem Vertragstext des GATT, dem Übereinkommen über technische Handelshemmnisse, erwähnt. Dort wurde die Einführung von Regulierungen und Standards erlaubt, die dem Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen, oder aber dem Umwelt- bzw. Klimaschutz dienen. In der Folgezeit mehrten sich die Stimmen derer, die auf sich verschärfende globale Umweltprobleme verwiesen und eine stärkere Würdigung der Problematik innerhalb des GATT forderten. Jedoch wurden auch Stimmen laut, die eine Handelsliberalisierung als Voraussetzung für die Bewältigung der Umweltprobleme ansehen und hinter einer stärkeren Akzentuierung des Umweltschutzes eher eine versteckte Rückkehr zu protektionistischen Maßnahmen vermuten. Auch die Schaffung der World Trade Organization die als Dachorganisation einer neuen Welthandelsordnung fungiert, konnte diese Kontroverse nicht beenden. Die Teilnehmer der letzten Uruguay-Handelsrunde konnten sich z. B. nicht auf das geplante eigenständige Übereinkommen über handelsbezogene Umweltschutzmaßnahmen verständigen. Der Aspekt des Umweltschutzes fand aber zumindest in einigen Texten des WTOÜbereinkommens und seinen Anhängen Berücksichtigung. So bleibt es weiterhin dabei, daß sich der Umweltschutz im Kern nur auf eine Passage berufen kann, die mit der Schlußakte von Marrakesch in die Präambel des GATT aufgenommen wurde. Sie zielt auf eine bestmögliche Erschließung, Nutzung und Erhaltung der natürlicher Ressourcen und erwähnt explizit den Schutz der Umwelt. Diese Erklärung besitzt zwar keine direkte rechtliche Wirkung, hat aber als Rahmenvorschrift aller WTO-Vertragstexte Grundsatzcharakter für sämtliche innerhalb der Welthandelsorganisation zu treffenden Entscheidungen. 2. Umweltrelevante Regelungen und Vorschriften Von besonderer Bedeutung für umweltpolitische Handelsmaßnahmen sind die allgemeinen Ausnahmen des GATT-Artikels XX. Diese Vorschrift nennt eine Reihe von politischen Zielsetzungen, die ein Abweichen vom restlichen GATT- bzw. WTORegelwerk, insbesondere von den Prinzipien der Meistbegünstigung und Inländerbehandlung, unter bestimmten Voraussetzungen rechtfertigt. Aus umweltrelevanter Sicht sind zwei Unterpunkte von besonderer Relevanz, da durch sie Maßnahmen zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen (Art. XX b) bzw. Maßnahmen zur Erhaltung erschöpfbarer Naturschätze, sofern diese im Zusammenhang mit Beschränkungen der inländischen Produktion oder des inländischen Verbrauchs stehen (Art. XX g), legitimieren. Jedoch soll durch einige Einschränkungen verhindert werden, daß sich solche Maßnahmen leicht zu protektionistischen Zwecken mißbrauchen lassen. So muß die unter Punkt (b) genannte Maßnahme zur Erreichung der Ziele unbeangewendet werden, wenn es keine andere, eher GATT-konforme Alternative existiert. Eine Ausnahme gemäß Punkt (g) läßt Handelsbeschränkungen, insbesondere Exportrestriktionen, die gegen Artikel XI (Verbot mengenmäßiger Maßnahmen) verstoßen, nur dann zu, wenn solche Maßnahmen in Verbindung mit inländische Erhaltungsmaßnahmen für erschöpfbare Ressourcen stehen. Durch die Präambel des Artikels XX soll weiterhin verhindert werden, daß die ergriffenen Maßnahmen zu einer willkürlichen und ungerechtfertigten Diskriminierung zwischen Ländern führen. Die Schwierigkeiten und Probleme bei der Umsetzung und Auslegung dieser, aber auch anderer Vorschriften des GATT führen regelmäßig zu Kontroversen zwischen den Mitgliedsstaaten und werden nicht selten Gegenstand eines Streitschlichtungsverfahrens des GATT bzw. der WTO. Anzumerken wäre noch, daß die erwähnten Ausnahmetatbestände in gleicher oder ähnlicher Form auch in das Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) und das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte des geistigen Eigentums (TRIPs), die ebenfalls während der Uruguay-Runde geschlossen wurden, Eingang gefunden haben. Weitere umweltrelevante Vorschriften finden sich noch in den Übereinkommen über Landwirtschaft, Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen, die Anwendung sanitärer und phytosanitärer Maßnahmen sowie über technische Handelshemmnisse. 3. Umwelt versus Freihandel: Einige Streitfälle Wenn ein Mitgliedsstaat einen anderen der Abweichung von einem der multinationalen Verträge beschuldigt, dann findet im Rahmen des GATT/WTO ein Streitbeilegungsverfahren statt. Dies ist auch mehrfach zur Schlichtung kontroverser Standpunkte bei der Wahrnehmung von Umwelt- und Freihandelsinteressen geschehen. Hierbei sollen Handelskonflikte möglichst durch bilaterale Verhandlungen gelöst werden. Ist dies nicht möglich, kann eine unabhängige Expertenkommission (Panel) einberufen werden, die den jeweiligen Fall beurteilt und Empfehlungen für dessen Lösung ausarbeitet. Für den Umweltbereich erlangte der Streitschlichtungsmodus erst Anfang der achtziger Jahre Bedeutung. Eines der ersten Verfahren, bei dem Argumente des Umweltschutzes vorgetragen wurden, war das Panel USA-Thunfisch aus Kanada, das ein Importverbot der USA gegenüber kanadischem Thunfisch als nicht GATT-konform zurückwies. Seither haben sich weitere Panels mit umweltrelevanten Streitfällen beschäftigt. Dabei ging es zumeist um die Auslegung der Artikel XX (Allgemeine Ausnahmen) und III (Gleichstellung ausländischer und inländischer Waren). Im folgenden soll anhand zweier Beispiele die Problematik und Relevanz solcher Entscheidungen verdeutlicht werden. Besonderes Aufsehen in Kreisen der Umweltschützer hat dabei die Entscheidung im Fall des Streits zwischen den USA und Mexiko über ein amerikanisches Importverbot für Thunfisch aus dem Jahre 1991 (Panel-Bericht USA-Tuna/Dolphin I) erregt. Die mexikanischen Fischer verwendeten für den Thunfischfang eine Fangmethode, die das natürliche Zusammenleben von Delphinen und Thunfisch ausnutzte, zugleich aber auch eine große Zahl von toten und verletzten Delphinen nicht vermeiden konnte. Die USA erließen bereits im Jahre 1972 ein Gesetz zum Schutz maritimer Säugetiere (Marine Mammals Protection Act), welches unter anderem auch Handelssanktionen gegen Länder vorsah, die durch ihre Fangmethoden mehr Delphine töteten, als der amerikanische Standard zuließ. Im Jahre 1988 zwang eine kalifornische Umweltgruppe das US-Handelsministerium durch ein Gerichtsurteil zur Durchsetzung von Importverboten und Produktkennzeichnungsvorschriften gegen einige Länder, die im Ostpazifik auf die weniger schonende Weise Thunfisch fingen. Mexiko erhob daraufhin Klage vor dem GATT, die von einigen europäischen Ländern, die als Zwischenhändler vom sekundären Boykott betroffen waren, unterstützt wurde. Die USA verteidigten das Importverbot mit Hinweis auf Artikel XX (b), da es zum Schutze des Lebens der Delphine notwendig sei und außerhalb des Rechtsgebietes der USA keine vergleichbaren Alternativen zur Verfügung ständen. Das Schiedsgericht verwies darauf, daß zwar jedes Land seine Lebens- und Gesundheitsstandards für Menschen und Tiere selbst setzen kann und unterstrich auch den extraterritorialen Charakter des Schutzes von Leben und Gesundheit, jedoch legte es Artikel XX (b) dahingehend aus, daß Schutzmaßnahmen nur für das Rechtsgebiet der Importnation Bestand haben dürfen. Dadurch soll verhindert werden, daß ein Land seine -Umweltstandards den anderen Handelspartnern diktieren kann und Handel nur noch zwischen Ländern mit identischen Regulierungen möglich wäre. Eine Rechtfertigung des Importverbotes wurde deshalb abgelehnt. Auch die Notwendigkeit der gewählten Handelsbeschränkung wurde verneint, da nach Auffassung des Panels keine Maßnahrnen, die weniger im Widerspruch zum Grundgedanken des GATT standen, ergriffen wurde. Das Panel verwarf auch die Argumentation der USA, wonach das Importverbot durch den Ausnahmetatbestand des Artikels XX (g) gerechtfertigt sei. Es verwies nochmals darauf, daß Standards außerhalb des Rechtsgebietes der Importnation keine Gültigkeit besitzen und daß Importbeschränkungen, die auf höchst unsicheren Bedingungen basieren und zudem von den Produzenten der Importnation bestimmt werden, als Hauptziel nicht den Schutz der Delphine haben, sondern eher die einheimische Industrie vor ausländischer Konkurrenz schützt. Da sich Mexiko und die USA zum Zeitpunkt der Panel-Entscheidung in einer kritischen Phase der NAFTAVerhandlungen befanden, wurde der Panel-Bericht auf Bitte beider Parteien nicht dem GATT-Council vorgelegt. Um trotzdem zu einer verbindlichen Entscheidung zu gelangen, erhob die EG 1992 noch einmal Klage gegen die Anwendung des sekundären Embargos auf Drittnationen. Im Mai 1994 entschied das Panel Tuna-Dolphin II, daß die Handelsbeschränkungen der USA nicht GATT-konform sind. Die Empfehlungen beider Panels wurden allerdings vom GATT-Rat formal noch nicht angenommen, so daß sie nicht als Präzedenzfälle herangezogen werden können. Ein weiterer handelsrechtlicher Streitfall mit Umweltbezug betrifft die Besteuerung bestimmter Automobile in den USA (Panel-Bericht USA-Steuern auf Automobile von 19941. So erhoben die USA seit 1978 eine indirekte Steuer auf den Verkauf von Pkw-Modellen mit hohem Treibstoffverbrauch. Die EG beklagte die diskriminierende Wirkung dieser Maßnahme für europäische Produzenten und argumentierte, daß die Steuer Artikel III Abs. 2 des GATT verletze, da Autos gleichartige Waren darstellen. Die USA bestritten eine Verletzung des Artikels III und hielten dagegen, daß die Steuer der Erhaltung fossiler Brennstoffe diene und daher nach Artikel XX (g) als Maßnahme gerechtfertigt sei. Zentraler Streitpunkt war also die Frage, ob die Unterscheidung der Produkte zum Schutz der inländischen Produktion oder tatsächlich zum Schutz fossiler Brennstoffe getroffen wurde. Das eingesetzte Panel folgte der Argumentation der USA, daß die Steuer einen Anreiz zum Kauf verbrauchsarmer Pkw darstelle und somit zu der angestrebten Treibstoffeinsparung beitragen könne. Somit wurde die Maßnahme als GATT-konform legitimiert. Der zweite Streitpunkt in diesem Kontext hängt mit einer Regelung der USA zusammen, wonach die im Inland produzierten und die importierten Pkw eines Herstellers einen durchschnittlichen Treibstoffverbrauch nicht übersteigen dürfen (Corporate Average Fuel Economy, auch CAFE-Regulation genannt). Wird dies nicht erreicht, muß eine Geldbuße entrichtet werden. Bemerkenswert ist, daß der Flottendurchschnitt getrennt nach in- und ausländischer Produktion erhoben wird. Nach Ansicht der EG können dabei auf die Produktion von Luxus-Automobilen spezialisierte Hersteller (z. B. Mercedes-Benz, Porsche oder Rolls-Royce) ihre schlechten Verbrauchswerte nicht durch die guten von kleineren Autos kompensieren und sind daher verstärkt von der CAFE-Regelung betroffen. Das Panel bestätigte, daß die getrennte Berechnung des Durchschnittsverbrauchs nicht mit Artikel III Abs. 4 vereinbar ist. Jedoch sah es eine Rechtfertigung durch Artikel XX (g) beim Zugrundelegen eines Flottendurchschnitts, da diese Maßnahme zur Erhaltung eines erschöpfbaren Naturschatzes (Erdöl) diene und die Zielsetzung des CAFE-Programms bei einer Nichtbeschränkung importierter Autos gefährdet wäre. Allerdings wurde auch im Artikel XX (g) keine Begründung für die diskriminierende Trennung zwischen inländischer und ausländischer Flotte gesehen. Die dargestellten Beispiele zeigen, daß der Streitschlichtung innerhalb von GATT/WTO eine besondere Bedeutung zuteil wird, da die Panel-Entscheidungen einen großen Einfluß auf die Interpretation und Rechtsfortbildung aller WTO-Vertragstexte haben. Bemerkenswert erscheint allerdings die Tatsache, daß bisher nur eine überaus geringe Anzahl von Streitschlichtungsverfahren mit direktem oder indirektem Umweltbezug angestrengt worden sind, und dies obwohl der WTO bislang mehr als dreihundert nationale Umweltschutzmaßnahmen gemeldet wurden, die nach Einschätzung der Mitgliedsstaaten durchaus geeignet sind, ihre jeweiligen Handelspartner gegenüber inländischen Anbietern offen oder verdeckt zu diskriminieren. In den meisten Fällen wurde von den potentiell benachteiligten Nationen jedoch keine formale Streitbeilegung durch GATT oder WTO beantragt. Allein die Androhung eines derartigen Verfahrens führte in einigen Fällen bereits zur Rücknahme von vorgeblich umweltpolitisch motivierten Handelsbeschränkungen. Festzuhalten ist schließlich noch, daß die zuständigen Panels die umstrittenen Umweltschutzmaßnahmen bislang in der Vielzahl der Fälle als nicht GATT-konform eingestuft haben. 4. Steht das GATT dem Umweltschutz im Wege? Wenn wir uns die Panel-Entscheidungen mit Umweltbezug anschauen, so kann der Eindruck entstehen, daß dem Freihandelsgedanken stets der Vorrang eingeräumt wird. Hieraus leiten viele Politiker eine Forderung nach „greening the GATT“ ab. Ist diese These in ihrer Schärfe tatsächlich haltbar? Zur Beantwortung dieser Frage ist es sinnvoll, die Voraussetzungen genauer zu betrachten, die eine zulässige (GATT-konforme) Maßnahme erfüllen muß. Es lassen sich drei Kriterien finden, die bei den Auslegungen des Artikels XX Bedeutung erlangt haben. Erstens muß die Maßnahme überhaupt geeignet sein, das vorgegebene Ziel erreichen zu können. Diese Anforderung stellt keine Einschränkung des Umweltschutzes zugunsten des GATT dar, da sich jede nicht zieladäquate Maßnahme bestenfalls zur Verfolgung anderer, nicht umweltbezogener, Ziele gebrauchen läßt. Zweitens muß die getroffene Maßnahme auch dann wirksam sein, wenn kein anderer Staat sich dieser Praxis anschließt. Dies bedeutet, daß die Zielsetzung einer Vorbildwirkung für andere oder die bewußte Wahl einer Vorreiterrolle, um einen Umdenkungsprozess in Gang zu setzen, nicht mit den GATT-Prinzipien in Einklang zu bringen sind. Alleingänge dieser Art sollen sich nicht handelbeschränkend auswirken, sondern bleiben eher der Herausbildung multilateraler Umweltabkommen vorbehalten. Hierin kann eine Einschränkung des politischen Handlungsspielraums bei der Durchsetzung langfristiger Umweltziele gesehen werden. Dies heißt jedoch nicht, daß ihre Umsetzung dadurch generell gefährdet wäre. Bleibt noch das dritte und entscheidende Kriterium. Jede Maßnahme wird daraufhin untersucht, ob es nicht auch andere, weniger im Widerspruch zum GATT stehende Lösungen des Umweltschutzes gibt. Damit wird nicht der Umweltschutz dem Freihandel untergeordnet. Bei mehreren geeigneten Maßnahmen wird nur derjenigen der Vorzug gegeben, die weniger Nebenwirkungen in anderen Bereichen, insbesondere beim Außenhandel aufweist. Damit erhalten die Mittel zur Verwirklichung eines Umweltschutzes eine Gewichtsverlagerung in Richtung der marktkonformsten Lösung. Prinzipiell wird der Umweltgedanke jedoch nicht eingeschränkt. 5. Das Verhältnis von GATT und WTO zu internationalen Umweltschutzverträgen Derzeit gibt es ca. 180 multilaterale Verträge, die sich mit Fragen des Umweltschutzes befassen. Davon enthalten mindestens zwanzig Abkommen explizite Bestimmungen, die Handelsbeschränkungen zulassen, d. h. es den Unterzeichnerstaaten ausdrücklich erlauben, sich auch handelspolitischer Instrumente zu bedienen, wenn dies zur Erreichung der Vertragsziele erforderlich scheint. Als die wichtigsten Beispiele solcher Verträge seien hier das Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (CITES, 1973), das Montrealer Protokoll über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen (1987) sowie das Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfallstoffe und ihrer Entsorgung (1989) genannt. Das Verhältnis solcher Abkommen zum Regelwerk von GATT und WTO war und ist höchst umstritten, auch gerade deshalb, weil viele dieser Abkommen stärkere Eingriffe in den internationalen Handel als nach GATT/WTO zulässig erlauben. Abschließend vereinbarte Lösungen dieser Konfliktfälle bestehen bislang nicht. Allerdings mußte die Frage, ob oder inwieweit die in einigen internationalen Umweltschutzabkommen enthaltenen Handelsregeln mit dem Regelwerk der Welthandelsordnung vereinbar sind, in der Praxis bisher noch nicht entschieden werden. Jedoch lassen sich künftige Konflikte zwischen WTO-Regeln und den Vorschriften der Umweltschutzabkommen grundsätzlich nicht ausschließen. Allgemein anerkannt ist die Tatsache, daß das GATT den Regeln der Wiener Vertragsrechtskonvention unterliegt und ebenso wie die multilateralen Umweltabkommen nach den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts auszulegen ist. Dabei ziehen bei Vertragspartnern, die sowohl das GATT als auch ein Umweltschutzabkommen unterzeichnet haben, stets die Vereinbarungen des später unterzeichneten Vertrages. Probleme entstehen erst dann, wenn nicht alle Unterzeichner des GATT bzw. der WTO auch den neueren Umweltvereinbarungen angehören. Hier kann es dann zur Anwendung zweierlei Rechts kommen. Handelsbeschränkungen, die im Widerspruch zum GATT stehen, können damit nur gegenüber den Vertragspartnern der weitergehenden Umweltvereinbarungen getroffen werden. Viele Umweltschutzabkommen sehen den Einsatz von Handelssanktionen auch gegen Nichtunterzeichnerstaaten vor, so daß sich Spannungen immer dann ergeben, wenn davon ein Mitgliedsland der WTO betroffen ist, das dem entsprechenden Abkommen nicht beigetreten ist und sein Recht auf Nichtdiskriminierung verletzt sieht. Durch die Anerkennung der Grundprinzipien der Welthandelsordnung als Leitschnur bei der Ausgestaltung der spezifischen Maßnahmenkataloge internationaler Umweltschutzverträge und durch eine Art -Selbstverpflichtung, sich ausschließlich der GATT/ WTOkonformen Instrumente zu bedienen, ließe sich die Wahrscheinlichkeit solcher Konflikte wesentlich verringern. Dies entspricht der häufig zu findenden Forderung nach „gatting the green“. Damit würde man eine Einengung des Handlungsspielraums akzeptieren, die die wechselseitigen Beeinträchtigungen internationaler Verträge auf ein Mindestmaß reduziert. Dies wird sich jedoch nur dann durchsetzen, wenn die Anwendung von unnötigen Handelsbeschränkungen nicht zumeist auch einen erwünschten Nebeneffekt bei Umweltschutzabkommen darstellte. Es handelt sich hierbei um eine ganz legale Form der Aushöhlung der GATT-Regeln. 6. Reformansatz zum Miteinander von Ökologie und Ökonomie Handelsliberalisierung und Umweltschutz haben ein gemeinsames Ziel: die Erhöhung der sozialen Wohlfahrt durch eine Verbesserung der Lebensqualität. Durch die Globalisierung der ökonomischen und der ökologischen Probleme steht das internationale Handelssystem vor der großen Herausforderung, eine Brücke zwischen dem Anliegen einer weiteren Handelsliberalisierung einerseits und dem Schutz der Umwelt andererseits zu schlagen, ohne dabei neue protektionistische Schlupflöcher schaffen zu dürfen. Bisherige Defizite von GATT und WTO sind in diesem Zusammenhang unbestreitbar und führten in der Vergangenheit immer wieder zu Forderungen nach „greening the GATT“. Dabei stehen den Verfechtern eines liberalen Handelssystems, die zwar die Notwendigkeit ökologischer Reformen anerkennen, aber gleichzeitig auf die Gefahr drohender protektionistische Mißbräuche verweisen, zahlreiche Umweltschutzgruppen zusammen mit einigen bedrängten einheimischen Produzenten gegenüber. Doch ohne eine umweltfreundliche Interpretation der GATT-Bestimmungen werden angesichts eines wachsenden Umweltbewußtseins immer mehr Staaten Maßnahmen zum Schutz der Umwelt ergreifen, ohne Rücksicht darauf, ob diese GATT-konform sind oder nicht. Die WTO selbst vertritt allerdings die Auffassung, daß eine Änderung oder Ergänzung des GATT-Rechts einer flexibleren Auslegung bestehender Normen vorzuziehen wäre, um einer Verwässerung und Ausdehnung der Maßnahmen in eine Grauzone hinein vorzubeugen. Schon die Aufnahme weiterer Umwelttatbestände in den Artikel XX würde das strittige Verhältnis zu internationalen Umweltabkommen deutlich günstiger gestalten. In ähnlicher Form könnte auch eine der schwerwiegendsten Unzulänglichkeiten des GATT-Vertrages, nämlich die einseitige Fokussierung auf Produkteigenschaften, gelöst werden. Durch einen ökologischen Verträglichkeitstest, der Ausmaß und Entstehungsort einer -Umweltbelastung zugrunde legt, oder durch eine Neudefinition des „like product-Begriffs“ könnten dann auch Importgüter diskriminiert werden, deren Herstellungsprozeß nicht mit den Zielen des Umweltschutzes vereinbar ist. Empfohlen wird auch die Neudefinition des Dumping-und Subventionsbegriffes, der zufolge das Unterschreiten bestimmter ökologischer Mindeststandards den Tatbestand einer unzulässigen staatlichen Beihilfe erfüllen würde und mit entsprechenden Gegenmaßnahmen beantwortet werden könnte. Damit soll ein wirksames Mittel gegen das sogenannte Öko-Dumping geschaffen werden. Einen ersten Schritt in diese Richtung bildet das 1994 in Marrakesch beschlossene Komitee für Handel und Umwelt. Es soll Folgen einer vermehrten Berücksichtigung umweltpolitischer Aspekte auf den Welthandel, insbesondere aber auch auf den Marktzugang der Entwicklungsländer untersuchen. Das Gremium stellt jedoch kein Verhandlungsforum dar, kann daher auch nur Empfehlungen erarbeiten. Gerade auf Drängen der Schwellen- und Entwicklungsländer wurde das Mandat des Komitees äußerst eingeschränkt, da diese Staaten befürchten, daß sich durch eine ökologische Reformierung ihre Export-und Entwicklungschancen verringern könnten. Dieser Nord-Süd-Konflikt birgt explosiven Zündstoff für die nächsten Jahre, da die restriktive Haltung der weniger entwickelten Länder auf die ungeduldigen Reformforderungen der Industriestaaten treffen. Beispiele für die Position der Entwicklungsländer sind die Weigerung, den Begriff Umwelt in Artikel XX (b) des GATT aufzunehmen oder Ausnahmeregelungen für multilaterale Umweltabkommen zu vereinbaren. Die Gruppe der reformwilligen Länder sieht sich also einer breiten Gegnerschaft innerhalb und außerhalb der WTO gegenüber. Inwieweit eine erfolgreiche Ausrichtung der Welthandelsorganisation auf ökologische Fragen möglich ist, bleibt abzuwarten. Zu beachten ist bei allen Anstrengungen, daß die Reform eines Regimes auch leicht eine unbeabsichtigte Schwächung oder Erosion nach sich ziehen kann, denn die Gratwanderung zwischen weiterer Handelsliberalisierung und Umweltschutz stellt eine der größten diplomatischen Herausforderungen unserer Zeit dar. Weiterführende Literatur: Altemöller, F.: Handel und Umwelt im Recht der Welthandelsorganisation WTO. Umweltrelevante Streitfälle in der Spruchpraxis zu Artikel III und XX, GATT, Frankfurt a. M. 1995; Diem, A.: Freihandel und Umweltschutz in GATT und WTO, Baden-Baden 1995; Esty, D. C.: Greening the GATT. Institute for International Economics, Washington 1994; Hauser, H./ Schanz, K.- U.: Das neue GATT. Die Welthandelsordnung nach Abschluß der Uruguay-Runde, MünchenlWien 1995; Knorr, A.: Umweltschutz. Nachhaltige Entwicklung und Freihandel. WTO und NAFTA im Vergleich, Stuttgart 1997.



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