Mobilität
1. Begriffsabgrenzung
Mobilität leitet sich vom lateinischen „mobilitas“-“Beweglichkeit” ab. In abstrakter Sichtweise umschreibt Mobilität die Fähigkeit von Menschen, ihren Standort zwischen verschiedenen Zuständen in ihrer natürlichen oder sozialen Umwelt zu verändern. In sozialwissenschaftlicher Bedeutung steht Mobilität für eine Veränderung des Status eines Menschen im Vergleich zu wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Bezugsmaßstäben. Die berufliche, sektorale oder regionale Mobilität von Arbeitskräften etwa beschreibt den Wechsel des ausgeübten Berufes, zu einem Arbeitsplatz in einer anderen Branche der Wirtschaft oder an einem anderen Ort. Im Zusammenhang mit Auswirkungen auf die natürliche Umwelt steht bei der Definition von Mobilität jedoch die physische Beweglichkeit von Menschen (oder Gütern) zwischen verschiedenen Punkten im Raum, also die räumliche Ortsveränderung, im Vordergrund.
Räumliche Ortsveränderung kann momentan, also kurzfristig, erfolgen - dann ist sie eng mit dem Begriff des Verkehrs verknüpft. Oder sie kann dauerhafter Natur und mit einer langfristigen Verlagerung des Wohnortes einer Person verbunden sein. Diese langfristige Form der räumlichen Mobilität steht allerdings nicht im Mittelpunkt der aktuellen umweltpolitischen Diskussion, obwohl auch ein Umzug nicht ohne die Inanspruchnahme von Verkehrsleistungen denkbar ist und zu zusätzlicher kurzfristiger Mobilität (etwa durch Pendeln zwischen Wohn- und Arbeitsort) führen kann. Hier wird Mobilität mit der kurzfristigen räumlichen Beweglichkeit von Menschen oder Gütern gleichgesetzt. Mobilität beschreibt damit Phänomene, die mit Aktivitäten im Personen- und Güterverkehr in Beziehung stehen.
Der räumlichen Mobilität dienen sowohl gewerbliche Verkehrsleistungen im Personen- und Güterverkehr als auch selbst erbrachte Verkehrsleistungen (Werksverkehr im Güterverkehr, motorisierter Individualverkehr mit Kraftfahrzeugen im Personenverkehr). Dabei werden meist nur solche Verkehrsleistungen in die Betrachtung mit einbezogen, die im Zusammenhang mit einer Interaktion der Menschen in der Gesellschaft und im arbeitsteiligen wirtschaftlichen System, also mit Produktion, Handel und Konsum von Gütern und Dienstleistungen stehen. Ausgeklammert bleibt die momentane Beweglichkeit von Menschen innerhalb der eigenen vier Wände oder auch die körperliche Mobilität im Sinne von Fitneß und dem Ausüben von Sportarten. Im Mittelpunkt der Verkehrsmobilität im hier verwendeten Sinne steht die Interaktion zwischen Menschen, die zu Verkehrsleistungen führt, Nutzen stiftet, aber auch Ressourcen beansprucht und Kosten verursacht, die möglicherweise auch bei unbeteiligten Dritten anfallen können. Je nach räumlicher Perspektive kann Mobilität sich auf großräumige Verkehrsrelationen zwischen Regionen oder Ländern beziehen oder auch auf kleinräumige Verkehrsverhältnisse, etwa innerhalb von Städten oder Agglomerationsräumen.
Erschwert wird die Definition, weil der Begriff der räumlichen Mobilität mehrdeutig gebraucht werden kann. Er kann sowohl die reine Möglichkeit zur Ortsveränderung (Beweglichkeit, potentielle Mobilität) ansprechen als auch die tatsächlich vollzogene Ortsveränderung (Bewegung, praktizierte Mobilität). Mobilität von Menschen und Gütern beschreibt im ersten Fall die Option, stets Verkehrsleistungen in Anspruch nehmen zu können (ohne daß dies dann tatsächlich immer getan wird), im zweiten Fall die (meist häufig) vollzogene Inanspruchnahme dieser Leistungen selbst. Beide Begriffsausprägungen können dabei in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen: Je höher die praktizierte Mobilität ist, je mehr Fahrzeugbewegungen also stattfinden, desto geringer wird bei gegebener Kapazität der Verkehrsinfrastrukturnetze die potentielle Mobilität, wenn es nämlich zu Stauungen kommt. Die praktizierte Mobilität beeinträchtigt dann die potentielle Mobilität ebenso wie die Erreichbarkeit von Standorten.
Die umweltpolitische Debatte richtet sich überwiegend auf die praktizierte Mobilität, und zwar nicht nur, weil sie die potentielle Mobilität beeinträchtigen kann, sondern vor allem wegen der schädlichen Umweltwirkungen von Fahrzeugbewegungen. Die mit der praktizierten Mobilität einhergehenden Transportvorgänge haben in der Regel Wirkungen auf Dritte, die weder unmittelbare Nutzer noch Zahler der Verkehrsleistungen sind. Verkehr ist mit Lärm, Luftverschmutzung, Gewässerverunreinigung und Bodenbelastung durch Schadstoffe verbunden, im Falle des Baus von Verkehrswegen auch mit Flächenversiegelung und Einschränkungen der naturräumlichen Nutzungs- und Regenerationsfähigkeit. Auch die Folgekosten von Unfällen gehören in diese Kategorie, soweit nicht vorher Versicherungsprämien zu entrichten waren. Die Kosten zur Vermeidung oder zum Ausgleich der Nebenwirkungen auf die Umwelt fallen meist extern an. Je höher die praktizierte Mobilität ist, desto relevanter werden die externen Kosten des Verkehrs. Daher wird in der umweltpolitischen Debatte über die Mobilität häufig eine Strategie der Verkehrsvermeidung gefordert.
2. Wechselwirkungen zwischen Mobilität und Umwelt
2.1. Mobilität als Voraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung
Aus ökonomischer Perspektive ist zunächst darauf zu verweisen, daß die Begegnung von Menschen sowie die Produktion, der Austausch und der Konsum von Gütern und Dienstleistungen nicht nur potentielle, sondern auch tatsächlich praktizierte Mobilität voraussetzen. Ohne Transportvorgänge ist eine arbeitsteilige Wirtschaft nicht denkbar. Die bestmögliche Nutzung der vorhandenen Ressourcen innerhalb der zur Verfügung stehenden Alternativen (die optimale Allokation der Ressourcen) unterbliebe, wenn nicht die Spezialisierungsvorteile durch Handel genutzt werden könnten, wenn nicht durch Wettbewerb von außen lokale, regionale oder nationale Monopolstellungen untergraben würden und wenn es keinen Austausch und Ansammlung von neuem Wissen und Kenntnissen geben würde.
Insofern sind die Fähigkeit zur räumlichen Bewegung von Menschen und von Gütern ebenso wie die vollzogene Bewegung selbst unabdingbare Grundlagen menschlichen Wirtschaftens unter der Beschränkung der Knappheit. Sie bilden die Basis für wirtschaftliches Wachstum und nicht nur für den erreichten materiellen Wohlstand, sondern auf dessen Basis auch für kulturelle Entwicklung. Dies wird in der Öffentlichkeit zuweilen vergessen, wenn wirtschaftliches Wachstum und das damit verknüpfte Wachstum des Verkehrswesens als allgemeines Umweltübel gebrandmarkt werden. Verkehrsleistungen haben letztlich Vorleistungscharakter für jede Art von menschlicher Interaktion. Im Sinne der Wachstumstheorie stellen Verkehrsleistungen einen nahezu limitationalen Produktionsfaktor dar: Ihr Fehlen würde ein nennenswertes Produktionsergebnis gar nicht erst entstehen lassen und selbst eine Entkopplung von Verkehrs- und Wirtschaftswachstum ist mit vielen Fragezeichen zu versehen. Die Bedeutung der räumlichen Mobilität geht auch noch über ihren Vorleistungscharakter hinaus. Wenn es um Freizeitgestaltung und Reisen geht, werden Aktivitäten der praktizierten Mobilität selbst zu einem Konsumgut, für das im übrigen eine hohe Einkommenselastizität der Nachfrage besteht. Dieser Aspekt der Mobilität wird immer bedeutender, da ein Teil des gesamtwirtschaftlich zu verteilenden Produktivitätsfortschritts in Form von mehr Freizeit konsumiert wird.
2.2. Externe Kosten der Mobilität
Trotz ihres generell nutzenstiftenden Charakters sind Transportvorgänge allerdings in der Tat mit Kosten verbunden, die über die reinen Transportkosten hinausgehen, die von den unmittelbaren Nutzern der Verkehrsleistungen getragen werden. Zu derartigen externen Kosten zählen (1) Nutzungskosten der Verkehrsinfrastruktureinrichtungen in der Nähe der Kapazitätsgrenzen sowie (2) externe Umweltkosten des Verkehrswegebaus und des Verkehrsbetriebes. Es sind diese externen Kosten, die die Transportvorgänge innerhalb einer Wirtschaft und damit die Mobilität zu einem umweltpolitischen Problem machen. Die umweltpolitische Debatte hat dabei meist eine ausgeprägte verkehrsträgerspezifische Dimension. Die Sorgen um verstopfte Verkehrswege und die durch Verkehrsleistungen verursachten Umweltschäden richten sich insbesondere gegen den Straßenverkehr, und zwar sowohl den Straßengüterverkehr als auch den motorisierten Individualverkehr mit Kraftfahrzeugen. Beide haben im Laufe der Zeit ihren Anteil am jeweiligen Modal Split erheblich ausweiten können. Der Straßengüterverkehr erbringt in Deutschland mittlerweile fast 2/3 der tonnenkilometrischen Verkehrsleistung, der motorisierte Individualverkehr mehr als 4/5 der Leistung im Personenverkehr. Von Seiten der aktiven Umweltpolitik wird gerade diese Art der praktizierten individuellen Mobilität kritisiert. Hinter den Initiativen zur Verringerung und Vermeidung externer Kosten des Verkehrs steht daher meist auch das Bestreben, einen —Modal Shift weg vom Straßenverkehr hin zum Schienenverkehr herbeizuführen.
2.2.1. Nutzungskosten von Verkehrswegen Nutzungskosten entstehen dadurch, daß sich die Verkehrsteilnehmer als Nutzer der Infrastruktur jenseits bestimmter Schwellenwerte des Auslastungsgrads gegenseitig behindern und die Grenzkosten der Nutzung von sonst nahe Null auf merklich positive Werte steigen. Spürbar werden diese Kosten durch Zeitverluste der Nutzer - die Verkehrswege können ihre ursprüngliche Aufgabe, ungehinderte Mobilität zu gewährleisten, nicht mehr erfüllen. Verkehrsinfrastruktureinrichtungen verlieren in der Nähe der Kapazitätsgrenze ihre ökonomische Eigenschaft eines öffentlichen Gutes, dessen Leistungen zweckmäßigerweise unentgeltlich abgegeben werden sollten. Bei Annäherung an die Kapazitätsgrenze werden die Leistungen der Verkehrsinfrastruktur zunehmend knapper und müßten eigentlich mit einem Preis belegt werden, der die Opportunitätskosten der Nutzung reflektiert, also den Wert einer alternativen Nutzung der dabei eingesetzten Ressourcen.
Verkehrswege können aber - von wenigen Ausnahmen, wie Brücken, Tunnels, einigen Innenstädten oder Mautautobahnen in einigen europäischen Ländern oder in den Vereinigten Staaten abgesehen - aus Transaktionskostengründen im allgemeinen entgeltfrei genutzt werden, ihr Bau und ihre Unterhaltung wird traditionellerweise über Steuern finanziert, auch wenn als Folge der knapper werden öffentlichen Finanzen private Finanzierungsmodelle im Vordringen begriffen sind. Daher gehen die Opportunitätskosten der Nutzung normalerweise nicht (oder nur zum Teil) in das Nutzen-Kosten-Kalkül der Verkehrsteilnehmer ein. Es kommt zu Oberlastungserscheinungen, zu Stauungen, zu Zeitverlusten, und wenn sich derartige Stauungen innerhalb ganzer Netze ausbreiten, im Extremfall zu dem, was in der Öffentlichkeit unter dem Stichwort „Verkehrsinfarkt“ diskutiert wird. Ein Teil der externen Kosten wird durch die Zeitverluste im Stau allerdings direkt internalisiert, der Rest bleibt jedoch extern, weil jeder zusätzliche Nutzer, der in einen Stau einfährt, nur die durchschnittlichen Staukosten einkalkuliert, nicht aber die mit jedem marginalen Nutzer exponentiell steigenden Stau-Grenzkosten. Extern heißt im Falle von Staukosten allerdings nur, daß die Kosten bei anderen Verkehrsteilnehmern auftreten, nicht jedoch in der übrigen Volkswirtschaft außerhalb des Sektors Verkehr.
2.2.2. Externe Umweltkosten des Verkehrs Externe Umweltkosten des Verkehrs können sowohl mit dem Verkehrswegebau als auch mit dem Verkehrsbetrieb in Zusammenhang stehen. Staukosten in bestehenden überlasteten Verkehrsnetzen lassen sich prinzipiell durch Investitionen in Kapazitätserweiterungen des Verkehrswegenetzes und in qualitativ verbesserte Verkehrswege senken oder auch beseitigen. Ökonomisch ist eine Beseitigung von Engpässen in Verkehrsnetzen sinnvoll, wenn das Investitionskalkül die künftigen Nutzen und Kosten hinreichend korrekt abbildet. Genau an diesem Punkt setzt aber die Kritik seitens der Umweltpolitik ein. Es wird argumentiert, daß hinsichtlich der Folgekosten des Verkehrswegebaus für künftige Generationen keine Kostenwahrheit herrsche. Ein weitergehender Infrastrukturausbau entspreche nicht den Idealen eines nachhaltigen Entwicklungspfades. Als „nachhaltig“ wird dabei eine Entwicklung bezeichnet, die sich in ihrem Wachstum nicht ihrer eigenen Grundlagen beraubt. Als wesentliche negative Folgen werden die stärkere Nutzung der natürlichen Umwelt für wirtschaftliche Zwecke, die Flächenversiegelung durch forcierten Verkehrswegebau, unumkehrbare Eingriffe in biologische Prozesse bei Fauna und Flora und Einschränkungen der Regenerationsfähigkeit der Natur genannt. Der ökonomische Kern der Kritik liegt damit in der These begründet, daß ein weiterer Infrastrukturausbau langfristig wesentlich mehr gesamtwirtschaftliche Kosten verursache, als es die direkten Kosten der im Infrastrukturausbau eingesetzten Ressourcen widerspiegeln. Vernachlässigt würden die Kosten von Ausgleichsmaßnahmen für entstehende Beeinträchtigungen der natürlichen Lebensgrundlagen und die Opportunitätskosten der Nutzung des knappen Gutes Umwelt. Im Zusammenhang mit dem Verkehrswegebau wird im übrigen auf das Phänomen des „induzierten“ Verkehrs verwiesen. Die verbesserte potentielle Mobilität animiere zu zusätzlicher praktizierter Mobilität und führe rasch zu erneuter Überlastung der soeben erst erweiterten Kapazitäten.
Mangelnde Kostenwahrheit wird jedoch vor allem hinsichtlich der externen Umweltkosten des laufenden Verkehrsbetriebes beklagt. Zwar stehen Emissionen vieler Schadstoffe wie Kohlenmonoxid, Schwefeldioxid, Stickoxiden und des Klimagifts Kohlendioxid sowie von Lärm zu einem großen Teil ursächlich mit Fahrzeugbewegungen in Zusammenhang, wenn auch nicht ausschließlich. Die Kosten aus der -Luftverschmutzung, der Verunreinigung von Gewässern, der Lärmemissionen, oder aus der globalen Erwärmung aufgrund des Kohlendioxid-Schadstoffausstoßes sowie zur Beseitigung von Unfallfolgen (soweit diese nicht schon durch Versicherungsprämien internalisiert sind) gehen aber nicht in das Kalkül der Verkehrsteilnehmer bzw. der Anbieter von und Nachfrager nach Verkehrsleistungen ein - sie sind für die Verkehrsteilnehmer und -märkte externe Kosten. Analytisch abstrakt sind externe Kosten einfach zu fassen. Die Kurve der sozialen Grenzkosten (unter Einschluß aller externer Wirkungen) liegt über der Kurve der privaten Grenzkosten (die den Anbietern von Verkehrsleistungen unmittelbar entstehen). Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht wird bei einer derartigen Diskrepanz beider Kostenarten „zu viel“ von der fraglichen Leistung produziert. Das gesamtwirtschaftliche Wohlfahrtsoptimum würde eine Reduzierung der mit externen Kosten verbundenen Aktivitäten erfordern.
2.3. Probleme der Internalisierung externer Kosten
Die Quantifizierung von externen Kosten und in noch viel stärkerem Maße das Ergreifen von geeigneten Maßnahmen, mit deren Hilfe sie internalisiert, also wieder entscheidungsrelevant gemacht werden können, ist schwierig und vielfach umstritten. Die verschiedenen Schätzungen der gesamtwirtschaftlichen Folge- und Vermeidungskosten des Verkehrs liegen weit auseinander. Aber auch die verschiedenen Maßnahmen, die zur Internalisierung der externen Kosten ergriffen werden können, sind problematisch. Vergleichsweise Konsens herrscht noch über den Ansatz, daß die fehlende Kostenwahrheit wo immer möglich über preisliche Instrumente hergestellt werden sollte und möglichst wenig über generelle Ge- und Verbote oder administrative Beschränkungen. Wenn die Diskrepanz zwischen privaten und sozialen Kosten der Mobilität für die Umwelt durch höhere Preise für die Ortsveränderung überbrückt würde, dann würden die einzelnen Marktteilnehmer unter dieser zusätzlichen Restriktion auch gesamtwirtschaftlich effizient handeln. Sie müßten dann nämlich für die verursachten Umweltschäden bezahlen und erhielten Anreize zur Vermeidung der Schäden.
Als preisliches Instrument zur Internalisierung bei externen Kosten ist grundsätzlich zum einen eine Besteuerung der mit externen Kosten verbundenen Transaktionen denkbar. Mit der sog. Pigou-Steuer sollen die einzelwirtschaftlichen Grenzkosten auf das Niveau der sozialen Grenzkosten angehoben werden (in Falle externer Nutzen wären es entsprechende Subventionen). Zum anderen ist an sogenannte handelbare Verschmutzungslizenzen zu denken, die gegen Entgelt von allen Emittenten eines Schadstoffes-auch von außerhalb des Verkehrssektors-erworben werden müßten. Das würde die praktizierte Mobilität mit den Kosten des damit einhergehenden Verbrauchs an sauberer Umwelt belasten. Handelbare Verschmutzungslizenzen würden den Vorteil bieten, den Ausgleich zwischen privaten und sozialen Kosten den Markttransaktionen der Beteiligten und damit dem Preismechanismus zu überlassen. Abgesehen von der Schwierigkeit, daß ein tolerables Niveau an Emissionen des jeweiligen Schadstoffes definiert werden müßte, wäre ein System von Verschmutzungslizenzen allerdings mit erheblichen Transaktionskosten (einschließlich der Kosten für die Ermittlung und Kontrolle der individuellen Emissionsmengen) verbunden. Daher gilt die steuerliche Lösung als einfacher zu realisieren, obwohl man hier die Kostenverläufe von privaten und sozialen Kosten genau kennen müßte, um die mit einer Steuer stets verbundenen negativen Auswirkungen auf die Allokation der Ressourcen möglichst gering zu halten.
Im Zusammenhang mit einer praktischen Internalisierung der externen Kosten der Mobilität wird immer wieder eine drastische Erhöhung der Mineralölsteuer als fahrleistungs- (= mobilitäts-) abhängige Abgabe diskutiert. Abgesehen davon, daß sie nicht proportional zu den Emissionen aller Schadstoffe verläuft, zeigen sich bei der Mineralölsteuer allerdings beispielhaft die Tücken eines Lenkungsinstruments, das als relativ ertragstarke Steuer zugleich zur Erzielung von fiskalischen Einnahmen dienen kann und soll. Denn eine nachhaltige Einschränkung der Mobilität würde mit spärlicher sprudelnden Einnahmen des Fiskus erkauft - und zwar nicht nur bei der Mineralölsteuer, sondern aufgrund von Wachstumseinbußen auch bei ertragsabhängigen Steuern zufriedenstellende Einnahmen dagegen mit einem nachhaltig verfehlten Lenkungszweck. Dieser „trade-off“ ist im übrigen kein abstraktes Gedankenmodell, sondern immer dann sehr real, wenn staatliche Ausgabeansätze über Steuern finanziert werden müssen. In der finanzpolitischen Debatte der letzten Jahre gilt die Mineralölsteuer als ein bevorzugtes Finanzierungsinstrument, das stärker anreizmindernde direkte Steuern und Abgaben ersetzen soll. Gerade dadurch tritt der beschriebene Konflikt zwischen Einnahmenerzielungs- und Lenkungszweck in den Vordergrund. Derartige Alltagsprobleme der praktischen Finanzpolitik aber mindern die theoretische Eleganz einer an der PigouSteuer orientierten Intemalisierungsabgabe entscheidend.
2.4. Das Argument der externen Nutzen des Verkehrs
Im Rahmen der Debatte über externe Kosten der Mobilität und deren Internalisierung wird in der Verkehrswissenschaft seit einiger Zeit auch über mögliche externe Nutzen des Verkehrs bzw. der Mobilität diskutiert. Diese wären mit den externen Kosten zu saldieren und könnten sogar die Einführung komplizierter Intemalisierungsmechanismen überflüssig machen. Die Berücksichtigung externer Nutzen des Verkehrs (und dabei explizit des Straßenverkehrs) wird im wesentlichen mit dessen Erschließungsfunktion für den Raum und dessen produktivitäts- und wachstumsfördernden Wirkungen begründet. Derartige wohlfahrtssteigernde Wirkungen der Mobilität werden von Kritikern dieses Ansatzes nicht geleugnet. Sie argumentieren aber, diese seien bereits internalisiert oder aber nur als pekuniäre externe Nutzen anzusehen. Im ersten Fall wären sie bereits in den internen Kosten des Verkehrs enthalten und innerhalb der mit Hilfe der Verkehrsleistungen erzeugten Wertschöpfung abgegolten. Im zweiten Fall würden sie zwar außerhalb der unmittelbar betrachteten Marktbeziehung auftreten, würden jedoch über relative Preisveränderungen auf verbundenen Märkten weitergewälzt und stellten - wie übrigens auch pekuniäre externe Kosten - keinen korrekturbedürftigen Mangel in der Ressourcenallokation dar. Demgegenüber verweisen die Befürworter einer Berücksichtigung externer Nutzen darauf, daß die Nutzen gleichwohl vielfach technologischer Natur seien, also mit den Umweltkosten zu verrechnen seien. Als Beispiele werden Agglomerationsvorteile und Spill-over Effekte beim technischen Fortschritt und bei Innovationen genannt. Das Argument bleibt allerdings umstritten.
Insgesamt kann man festhalten, daß die Rolle der räumlichen Mobilität ambivalent ist. Auf der einen Seite ist praktizierte Mobilität eine unabdingbare Voraussetzung für notwendige wirtschaftliche Entwicklung, auf der anderen Seite verursachen Fahrzeugbewegungen externe Umweltkosten, die nicht nur die natürliche Umwelt sondern langfristig auch die wirtschaftliche Entwicklung beeinträchtigen können. Die praktischen Probleme einer wirksamen Internalisierung der externen Kosten des Verkehrs sind allerdings weiterhin alles andere als gelöst.
Weiterführende Literatur:
Baum H./ Behnke, N. C.: Der volkswirtschaftliche Nutzen des Straßenverkehrs. Schriftenreihe des Verbandes der Automobilindustrie e.V., 82., Frankfurt a. Mobilität 1997; Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft e. V.: Mobilität im 21. Jahrhundert. Die gesellschaftliche Herausforderung. Vorträge und Diskussionsergebnisse der Jahrestagung 1993 der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft, Internationales Verkehrswesen 45 (11), Würzburg 1993; Nash, C.: Transport Externalities. Does Monetary Valuation Make Sense?, in: de Rus, G./ Nash, C. (eds.): Recent Developments in Transport Economics, Aldershot, Ashgate 1997; Petersen, R./ Schallaböck, K. 0.:
Mobilität für morgen. Chancen einer zukunftsfähigen Verkehrspolitik. Berlin, o. J.; Verkehrsforum Seefeld (Hrsg.): Verkehrsforum Seefeld. Mobilität ohne Grenzen? Seefeld 1995.
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