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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Portfolioanalyse, ökologieorientierte

Auf der Grundlage der Erfassung interner und externer Schlüsselfaktoren stehen Unternehmen bei der strategischen Analyse im Umweltmanagement vor der Aufgabe, ihre ökologische Strategieposition zu bestimmen. Im Rahmen der strategischen Planung ist Ende der 70er Jahre die sog. Portfolioanalyse entwickelt worden, bei der die strategischen Geschäftseinheiten eines Unternehmens anhand unternehmensexterner und -interner Erfolgsfaktoren beurteilt und in einer Portfolio-Matrix zusammenfassend dargestellt werden. Anhand der Portfolio-Positionen können Normstrategien für einzelne Geschäftseinheiten abgeleitet werden, so daß die Relation zwischen Erfolgsbeitrag und Risiko für alle Geschäftseinheiten im Gesamtportfolio verbessert werden kann. Meffert et al. haben Mitte der 80er Jahre den Ansatz der Portfolioanalyse auf die Situationsanalyse im Umweltmanagement übertragen. Verschiedene Autoren haben den Ansatz des Öko-Portfolios aufgegriffen und weiterentwickelt. Die Grundüberlegungen des Öko-Portfolios setzen an einer Verknüpfung von ökonomischen und ökologischen Erfolgs- und Risikofaktoren an, anhand derer Geschäftseinheiten oder Produktgruppen beurteilt werden, um auf dieser Grundlage ökologieorientierte Normstrategien abzuleiten. Auf der Ebene der bestehenden Produkte, Produktgruppen oder strategischen Geschäftseinheiten kann eine ökologieorientierte Portfoliobetrachtung in Abhängigkeit der Dimensionen relative Vorteile ökologieorientierter Verhaltensweisen (Gewinnverbesserung, Deckungsbeitragserhöhung, Marktanteilserhöhung, Imageverbesserung in Relation zum Hauptwettbewerber) und der aus der Beschaffung, Produktion, Verwendung und Beseitigung des Produktes resultierenden Umweltgefährdung zur Konkretisierung der Strategieposition und Ableitung strategischer Stoßrichtungen (sog. Normstrategien) herangezogen werden. Grundsätzlich sind an die Analyseeinheiten (Geschäftseinheiten, Produktgruppen, Produkt) der Portfolioanalyse, die gleichen Anforderungen zu stellen, wie sie im Rahmen der traditionellen Portfolioanalyse gefordert werden. Als Anforderungskriterien für die Bildung der Geschäftseinheiten sind die Marktaufgabe, Eigenständigkeit und der Erfolgspotentialbeitrag zu nennen. Unternehmen in ökologisch betroffenen Branchen müssen den umweltbezogenen Herausforderungen vielfach in einem wettbewerbsintensiven Konkurrenzumfeld begegnen. Somit sind die Vorteile ökologieorientierter Maßnahmen mit Bezug zum Hauptkonkurrenten zu bestimmen, um die Wettbewerbsposition langfristig abzusichern. Insofern wird mit Hilfe eines Öko-Portfolios der Versuch unternommen, die besondere Bedeutung der wettbewerbsstrategischen Ausrichtung des Umweltmanagement im Planungsansatz zu berücksichtigen. Die Operationalisierung der Dimension »Umweltgefährdung« wirft allerdings Probleme auf. Aufgrund des aktuellen Wissensstandes kann der Einfluß der jeweiligen Unternehmensaktivitäten auf die -Umwelt in der Regel nur unvollständig erfaßt werden. Diese Größe kann z. B. als Index, ausgehend vom Stand der Technik unter Berücksichtigung der gesellschaftsbezogenen Umweltschutzansprüche, das Ausmaß aktueller und potentieller negativer Auswirkungen der strategischen Geschäftseinheiten auf das ökologische System wiedergeben. Schaltegger und Sturm operationalisieren den Umweltgefährdungsgrad durch den sog. Schadschöpfungs-Index. Dieser Index erfaßt die über eine gesamte Wertschöpfungskette (inkl. der Nutzungsphase von Produkten) entstehenden Umwelteinwirkungen in die Medien Boden, Wasser und Luft. Über ein Gewichtungsmodell, in dem alle Umwelteinwirkungen nach ihrer relativen Schädlichkeit im jeweiligen Umweltmedium und für den Menschen gewichtet und über alle unterschiedlichen Einwirkungsarten addiert werden, wird ein Gesamtindex gebildet. Vielfach ist die Schädlichkeit der Umwelteinwirkungen Gegenstand einer wissenschaftlich kontroversen Diskussion. Da keine hinreichenden wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen, sollten auch die subjektiven Urteile verschiedener Anspruchsgruppen (z. B. Greenpeace) in die Beurteilung des Umweltgefährdungsgrades der Geschäftsbereiche einbezogen werden, weil durch eine öffentlichen Diskussion um Problemstoffe die Marktattraktivität eines Geschäftsbereiches erheblich eingeschränkt werden kann, obwohl nach objektiven Erkenntnissen der Umweltgefährdungsgrad nicht so hoch einzustufen wäre. Die Dimension »Umweltgefährdung« bringt damit den Chancen- bzw. Risikoaspekt - und damit eine hohe bzw. geringe zukünftige Marktattraktivität - der Geschäftsbereiche zum Ausdruck. Die Verknüpfung der ökologischen Beurteilung mit einer ökonomischen Erfolgsdimensionen wird in dem dargestellten ÖkoPortfolio durch die relativen Vorteile ökologieorientierter Verhaltensweisen zum Ausdruck gebracht. Die Operationalisierung dieser „relativen Vorteile“ setzt voraus, daß im Vergleich zum Hauptwettbewerber mögliche Problemlösungen zur Verringerung des Umweltgefährdungsgrades der bestehenden Geschäftsfelder in ihren ökonomischen Erfolgswirkungen abgeschätzt werden. Zu den Erfolgswirkungen sind sowohl die psychographischen (Bekanntheits-, Einstellungs-, Zufriedenheits- und Vertrauenswirkungen bei betroffenen Zielgruppen) wie auch die ökonomischen Erfolgswirkungen (Marktanteil, Rendite, Shareholder Value) z. B. in Form eines Punktbewertungsmodells zu berücksichtigen. Gerade der in der klassischen Portfolioanalyse hergestellte Bezug zum Wettbewerb führt auch im ÖkoPortfolio zu einer wettbewerbsstrategischen Beurteilung des umweltorientierten Unternehmensverhaltens, wodurch Unternehmen angeregt werden, proaktiv Wettbewerbsvorteile durch eine umweltgerechtere Ausrichtung der Geschäftsbereiche zu erschließen. Dies erfordert ein ökologisches Benchmarking, in dem auch die Hauptwettbewerber hinsichtlich ihrer umweltorientierten Verhaltensweisen analysiert und bewertet werden. Schaltegger/Sturm vernachlässigen die Wettbewerbsdimension und schlagen eine Beurteilung von Geschäftsbereichen bzw. Produkten nach dem absoluten Dekkungsbeitrag vor, wodurch weniger Informationen für die Erstellung des Portfolios bereitgestellt werden müssen, allerdings auch keine wettbewerbsstrategische Implikationen abgeleitet werden können. Für die Position in den einzelnen Quadranten lassen sich tendenziell die in der Abbildung dargestellten Normstrategien ableiten: Sind die wettbewerbsbezogenen Vorteile aus einer Ökologieorientierung langfristig gering und der negative Einfluß der Geschäftsfelder (SGE 3) auf die Umwelt eher gering einzuschätzen, so ist eine Fortführung der bisherigen Marketingpolitik unter eventueller Anpassung an gesetzliche Umweltschutzanforderungen möglich. Ist hingegen bei geringen relativen Vorteilen ein hoher Grad an Umweltgefährdung erkennbar, so ist die Position durch Minimierung der Kosten für die Berücksichtigung ökologischer Belange abzusichern (SGE 1) oder im Falle dekkungsbeitragsschwacher Geschäftsfelder ein Rückzug aus dem Marktsegment vorzunehmen (SGE 2). Für Geschäftsfelder, deren Umweltgefährdungspotential eher niedrig ist, die aber hohe Anreize für eine Integration ökologischer Komponenten bieten, empfiehlt sich die Erarbeitung von Lösungsmöglichkeiten bei ökologischen Problemstellungen zur wettbewerbsbezogenen Profilierung und Differenzierung (SGE 5). Bei der Position der Erringung großer Vorteile aus der Ökologieorientierung bei einem gleichzeitig hohen Maß an Umweltgefährdung durch Beschaffung, Produktion und Absatz ist durch eine Intensivierung der Umweltschutzbemühungen ein situationsadäquates Ökologiemix zur Positionssicherung aufzubauen (SGE 4). Aufgrund der hohen Umweltgefährdung ist in diesen Bereichen die Berücksichtigung gesetzlicher Umweltschutzanforderungen in der Regel bereits zwangsläufig realisiert worden. Die gekennzeichneten Entwicklungspfade verdeutlichen, daß die aus ökologieorientierten Verhaltensweisen resultierenden Vorteile aufgrund von Me-too-Strategien der Konkurrenz gerade in Märkten mit hoher Konkurrenzintensität (z. B. Waschmittel-markt) nur für einen bestimmten Zeitraum aufrechtzuerhalten sind (Entwicklungspfad I). Andererseits bedarf es einer kontinuierlichen Bewertung des Umweltgefährdungspotentials einzelner Geschäftseinheiten. Mit der Weiterentwicklung des Stands der Technik und neuen Untersuchungen über umweltbelastende Stoffe müssen u. U. bereits abgesicherte Positionen wieder als relativ umweltgefährdend eingestuft werden (Entwicklungspfad II). Auch können sich die Geschäftsfelder in Richtung größerer relativer Vorteile ökologieorientierten Verhaltens bewegen. Dieses ist zum Beispiel denkbar, wenn Unternehmen, die sich ohnehin stark umweltbewußt verhalten, in einem solchen Bereich umweltgerecht agieren, der erst einige Zeit später durch –Anspruchsgruppen aufgegriffen und in den Medien publik gemacht wird. Das Unternehmen kann sich dann als Pionier oder Problemlöser in diesem spezifischen Bereich positionieren. In dem von Schaltegger/Sturm entwickelten Öko-Effizienz-Portfolio werden Geschäftsbereiche bzw. Produkte nach den Dimensionen ihres Schadschöpfungsindexes und dem absoluten Deckungsbeitrages abgebildet. Als Normstrategien haben sie in Anlehnung an die klassische Portfolioanalyse die Portfoliopositionen der Green Question Marks, Green Stars, Black Dogs und Black Cash Cows unterschieden (Schaltegger/ Sturm 1995). Der Wettbewerbsbezug findet bei diesem Öko-Portfolio keine direkte Berücksichtigung, so daß die strategische Erfolgsposition der Geschäftseinheiten durch die Portfoliopositionen nicht hinreichend repräsentiert wird. Somit ist das Öko-Effizienz-Portfolio durch eine sich anschließende Wettbewerbsanalyse zu ergänzen. In einer zusammenfassenden Würdigung ist festzustellen, daß das Instrument des ÖkoPortfolios als strategisches Analyseinstrument einen Gesamtiiherhlick über die Geschäftseinheiten eines Unternehmens bietet und bei der Ableitung von Prioritäten bezüglich der Ausrichtung von Geschäftseinheiten eine erste Orientierung liefern kann. Durch die graphische Aufbereitung der Positionen der Geschäftseinheiten wird die integrierte Ausrichtung des Unternehmens im Umweltmanagement gefördert und die abteilungsübergreifende Kommunikation über Umweltschutzmaßnahmen angeregt. Dies unterstützt den Querschnittscharakter des Umweltmanagement. Der der Portfolioanalyse zugrundeliegende Gedanke eines Risikoausgleichs findet dabei allerdings nur eingeschränkte Berücksichtigung, weil Unternehmen in ihren Kalkülen keine Mischung zwischen Geschäftsbereich mit hohen und geringem Umweltgefährdungsgrad anstreben sollten. Vielmehr ist der Umweltgefährdungsgrad aller Geschäftsbereiche möglichst auf ein gesellschaftlich oder wissenschaftlich akzeptiertes Ausmaß zu verringern. Als größtes Problem bei der Erstellung eines Öko-Portfolios ist die Operationalisierung der Portfoliodimensionen zu nennen. Letztlich setzt die Erstellung eines Öko-Portfolios die Erstellung von Öko-Bilanzen, Anspruchsgruppenanalysen und -Risikoanalysen voraus. In der Darstellung des ÖkoPortfolios wird beim Umweltgefährdungsgrad die zeitliche Dynamik der gesellschaftlichen Entwicklung von Umweltschutzansprüchen nicht explizit abgebildet. Weiterhin stellt sich die Frage, ob die für die Erstellung eines Öko-Portfolios verwendeten Dimensionen Bezüge zu strategischen Erfolgsfaktoren aufweisen. Vielfach sind eine Reihe weiterer Faktoren für die langfristige Entwicklung der Geschäftsbereiche zu berücksichtigen, die im Öko-Portfolio nicht berücksichtigt werden. Keine Hilfestellung liefert die Portfolioanalyse für zu generierende neue Geschäftseinheiten, weil von den bestehenden marktbezogenen Tätigkeitsfeldern ausgegangen wird. Sofern bestehende Geschäftseinheiten langfristig im Öko-Portfolio keine strategische Erfolgsposition behaupten können, sind neue Geschäftsfelder zu erschließen. Weiterführende Literatur: Freimann, J.: Betriebliche Umweltpolitik, Bern u. a. 1996; Meffert, H./ Bruhn, M./ Schubert, F./ Walter, T.: Marketing und Ökologie, in: Die Betriebswirtschaft, 46. Jg., o. O. 1986; Meffert, H./ Kirchgeorg, M.: Marktorientiertes Umweltmanagement, 3. Aufl., Stuttgart 1998; Steger, U., Umweltmanagement, Frankfurt/Wiesbaden 1993; Schaltegger, St./ Sturm, A.: Öko-Effizienz durch Öko-Controlling, Stuttgart 1995.



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