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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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New Marketing

Die Aufgabenumwelt vieler Unternehmen ist durch dynamische Veränderungen des Konsumentenverhaltens und wachsende Anforderungen gesellschaftlicher Zielgruppen gekennzeichnet. Unternehmen mit einer klassischen Marketing-Management-Orientierung passen sich den Herausforderungen der massiven Marktveränderungen häufig nicht in genügendem Maße an. Vor diesem Hintergrund wird die Notwendigkeit eines neuen, vernetzten Marketing-Denkens und -Handelns deutlich. Mit dem „New Marketing“ soll der Erfolg in den immer engeren und stärker umkämpften Märkten langfristig gesichert werden. Im wesentlichen sind es acht Megatrends, die gewohntes unternehmerisches Denken in Frage stellen und - wenn keine Anpassungsreaktionen erfolgen, sondern weiter auf den alten Denk- und Handlungsschienen gefahren wird - den Unternehmenserfolg nachhaltig gefährden können: 1. Dynamisierung der Turbulenzen: Die Stabilität der Märkte wird immer geringer, feste Elemente lösen sich auf, und immer weniger Märkte weisen langfristig berechenbare Abläufe auf. 2. Umfeld und Unternehmen vermischen sich: Eine klare Trennung zwischen Unternehmen und Kunde ist immer weniger möglich; alles ist mit allem vernetzt. 3. Interaktion und Glaubwürdigkeit verbinden sich: Menschen organisieren zunehmend ihre eigene Form und Art der Kommunikation und senden / empfangen Botschaften, die sie mental und situativ für richtig und glaubwürdig halten. Orientierung entwickelt sich hierbei in unterschiedlichen Bereichen: • Die Erarbeitung des unternehmensspezifischen Leitbildes stellt den Mitarbeitern einen langfristigen Orientierungsrahmen zur Verfügung. Das Unternehmensleitbild beschreibt die grundsätzlichen ethischen und moralischen Werthaltungen des Unternehmens und erklärt im wesentlichen das Verhältnis gegenüber relevanten Zielgruppen, z. B. Organisationsmitgliedern, Lieferanten, Kunden, Aktionären, Institutionen. Dies soll u. a. das Verantwortungsbewußtsein der Mitarbeiter gegenüber den Kunden verstärken. • Durch die laufende Analyse der Ist-Unternehmenskultur und durch geeignete Korrekturmaßnahmen sollen sämtliche Denk- und Handlungsweisen der Mitarbeiter auf die konkreten Kundengruppen ausgerichtet werden. Innerhalb des Unternehmens wird gleichzeitig ein partnerschaftlicher Umgang im Mitarbeiterverhältnis angestrebt, um in der allgemeinen Öffentlichkeit und bei unternehmensrelevanten Ansprachegruppen eine hohe Akzeptanz und Glaubwürdigkeit zu erzielen. • Die konsequente Kundenorientierung muß nicht nur von der Geschäftsleitung, sondern auch von den übrigen Mitarbeitern des Unternehmens getragen werden. Neben der Vorbildfunktion des Vorgesetztenverhaltens spielt die Einbeziehung der Mitarbeiter in die Entscheidungsbildung und -durchset-zung eine große Rolle. • Außerdem ist eine umfassende Information der Unternehmensangehörigen über Veränderungen der relevanten Markt-und Konsumentendaten sicherzustellen. Dies gewährleistet einerseits die Bewußtseinsbildung für konkrete unternehmenspezifische Problemstellungen und steigert andererseits das Engagement der Mitarbeiter bei notwendigen Anpassungen des Unternehmenverhaltens an die speziellen Markt- und Konsumentenanforderungen. • Die Unternehmensorganisation ist durch den Abbau von hierarchischen Strukturen, die häufige Bildung von Projektteams und die Etablierung von unbürokratischen Interaktionsprozessen flexibler zu gestalten. Hierdurch soll der En-trepreneur in jedem Mitarbeiter geweckt werden, damit durch Selbst-Motivation, -Organisation und -Kontrolle die Aktionsund Reaktionsgeschwindigkeit des gesamten Unternehmens zunimmt und die Innovationsbereitschaft wächst. Wenn die unternehmensinterne Neuorientierung eine ausreichende Eigendynamik entwickelt hat, ist das Unternehmen in der Lage, eine tragfähige Austauschbeziehung zu den relevanten Kundengruppen aufzubauen. Dies ermöglicht einen permanenten Rück-koppelungsprozeß, der eine hohe Adaptions- und Lernfähigkeit der Unternehmensmitarbeiter gegenüber den diskontinuierlichen Markt- und Konsumentenveränderungen beinhaltet. Die konsequente unternehmensexterne Fortführung des „New Marketing“ erlaubt die Schaffung einer unüblichen Markttransparenz im Sinne eines strategischen Wettbewerbsvorteils. Die charakteristischen Merkmale der unüblichen Markttransparenz liegen u. a. in der Einmaligkeit und Unverwechselbarkeit des Unternehmensauftritts, der Pioniertätigkeit der Unternehmensmitglieder und der besonderen Zugkraft bzw. Lokomotivwirkung der Untemehmensaktivitäten und -leistungen. Die Stärke der unüblichen Markttransparenz kommt durch die Ausprägung folgender Kriterien zum Ausdruck: • Ausmaß der hierarchischen Organisationsstruktur, • Kreativitäts- und Innovationsgrad der Unternehmensleistungen, • interne und externe Kommunikationsfähigkeit der Organisationsmitglieder, > • Art und Ausmaß der gebildeten Nutzenpotentiale sowie • Zeitraum der Sicherung vor Imitationen. Der besondere Fokus des „New Marketing“ liegt im Gegensatz zum klassischen Marketingdenken in der ganzheitlichen Sichtweise. So bildet das unternehmensintern gelebte und das auf die Aufgabenumwelt des Unternehmens konsequent angewendete kundenorientierte Denken und Handeln ein geschlossenes, dynamisches und veränderungsoffenes System. Das Konzept des Nischen-Marketing fand seit den frühen achtziger Jahren vor allem durch die Arbeiten von Porter und Kotler weite Verbreitung in der Theorie und Praxis des strategischen Marketing. Porter identifizierte in seiner richtungsweisenden Arbeit „Competitive Strategy“ die Konzentration auf eine Marktnische neben der jeweils auf den Gesamtmarkt gerichteten Differenzierungs- und Kostenführerschaftsstrategie als eine von drei grundsätzlichen, genetischen Strategietypen, die Unternehmen zur Behauptung im Wettbewerb offenstehen. Den Nischenbegriff definierte Porter durchaus weit: er umfaßt nach seinem Verständnis einzelne Abnehmergruppen, bestimmte Teile eines Produktprogramms oder auch einen geographisch abgegrenzten Teilmarkt. Insofern bedeutet Nischenstrategie im Sinne Porters letztlich nichts anderes als eine Spezialisierung des Unternehmens, wobei diese personell, sachlich oder auch räumlich ausgeprägt sein kann. Naturgemäß reicht jedoch allein die Konzentration auf einen Teilmarkt für eine erfolgreiche Marktbehauptung nicht aus, es sei denn, ein Unternehmen verfügt in dem bearbeiteten Segment zumindest zeitweise über eine Monopolstellung. Da dies aber die Ausnahme darstellt, kommt auch die Nischenstrategie nicht ohne eine Entscheidung für eine qualitäts- oder kostenbezogene strategische Ausrichtung des Unternehmens aus, so dass im Ergebnis auch Porter zu vier Strategietypen gelangt ( 21). Der Unterschied zu den gesamtmarktbezogenen Strategien besteht insofern lediglich im Bezugsobjekt, definiert doch das in der Nische tätige Unternehmen seine Qualitäts- oder Kostenposition gegenüber den diesen Teilmarkt ebenfalls bearbeitenden Wettbewerbern und nicht gegenüber dem Gesamtmarkt. Auch Kotler erkannte in seinen Arbeiten zum strategischen Marketing die Bearbeitung von Nischen neben der Marktführerschaft, der Strategie der Marktherausforderung sowie der Strategie des Marktmitläufers als eine von vier Basisstrategien. Mit Porter ist ihm auch das breite Verständnis der Marktnische gemein, wobei Kotler dem Nischenbegriff zusätzlich noch eine Spezialisierung auf bestimmte Technologien subsumiert. Wenngleich erst durch die erwähnten Arbeiten aus dem angelsächsischen Raum breit diffundiert, wurde das „Phänomen der Marktnische“ bereits zu Beginn der 60er Jahre durch den deutschen Natur-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler Bernt Spiegel umfassend untersucht. Anhand seines sozial-psychologischen Positionierungsmodells und fundiert auf dem Nischenbegriff der Biologie leitete Spiegel zwei Typen von Nischen, die manifeste, also bereits existierende, sowie die latente, also noch verborgene Nische ab. Dabei liegt dem Spiegeischen Begriff der Nische ein streng marktpsychologisches Verständnis zugrunde. In dieser engen Begriffsauffassung ist eine Nische stets kundenbezogen definiert, liegt also dann vor, wenn für bestimmte Segmente eines Marktes ein bedürfnisgerechtes Angebot noch nicht existiert. Nischen-Marketing bedeutet in dieser engen Begriffsauffassung die Identifikation solcher manifester oder latenter Marktnischen und die anschließende Entwicklung von Leistungen, die speziell auf die Bedürfnisse der die Nische repräsentierenden Konsumenten ausgerichtet sind. Im Gegensatz zu Spiegel ist der von Porter und Kotler eingeführte (und in der Nachfolge auch von vielen weiteren Autoren übernommene) Nischenbegriff ungleich breiter angelegt. Daraus erklärt sich auch die oftmals synonyme Verwendung der Begriffe Nischen- und Konzentrationsstrategie in der Literatur. Gemein ist beiden Begriffen jedoch der Grundgedanke der Spezialisierung, durch die ein Angebot am Markt Präferenzen erlangt. Zur Betrachtung der Einsatzfelder von Nischenstrategien erweist sich die Systematisierung nach unternehmensbezogenen, marktbezogenen und wettbewerbsbezogenen Faktoren als sinnvoll. Mit Blick auf unternehmensbezogene Faktoren erscheint die Verfolgung einer Nischenstrategie vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen geeignet, deren Ressourcen zur Erlangung einer starken Position im Gesamtmarkt nicht ausreichen. Ähnliches gilt für kleinere Geschäftsbereiche oder Tochtergesellschaften von Konzernunternehmen, wobei hier jedoch entsprechende Ressourcenbereitstellungen aus dem Konzernverbund heraus erfolgen können. Schließlich werden Nischenstrategien bevorzugt von solchen Unternehmen verfolgt, die über ganz spezifisches Know-how bei der Bearbeitung bestimmter Marktsegmente verfügen. Betrachtet man marktbezogene Faktoren, dann zeigt sich, dass Nischenstrategien sowohl in jungen, rasch wachsenden Märkten (Kotler) als auch in schrumpfenden Märkten (Porter) erfolgversprechend eingesetzt werden können. Für die Konzentration auf Teilsegmente in jungen Märkten spricht das Ressourcenargument, während in schrumpfenden Märkten die Bearbeitung solcher Segmente, die bei relativer Volumensstabilität eine hohe Profitabilität aufweisen, noch über Jahre hinweg gute Renditen sichern kann. Nischenstrategien erweisen sich somit also in ganz verschiedenen situativen Kontexten als geeignet. Die von Porter eingenommene wettbewerbsbezogene Perspektive schließlich hebt die Bedeutung von Nischenstrategien in solchen Branchen hervor, in denen die Positionen des Kosten- und Qualitätsführers durch etablierte Wettbewerber besetzt sind, so dass oftmals nur die Spezialisierung auf einen Teilmarkt verbleibt. In einer managementorientierten Betrachtung ist naturgemäß vor allem die Identifikation von Erfolgsfaktoren eines Strategietyps von Interesse. Hier lassen sich die vielfältigen, in der Literatur diskutierten Aspekte auf drei zentrale Faktoren verdichten: • die Identifikation von volumensstarken, ausreichend profitablen Nischen. Hierbei sind moderne Marktforschungsver-fahren, wie etwa die multidimensionale Skalierung (MDS), einzusetzen, • die schnelle Besetzung identifizierter Nischen und der Aufbau von Eintrittsbarrieren für potentielle Wettbewerber zur Verteidigung der Nischenposition sowie • die Existenz spezifischer Kompetenzen eines Unternehmens für die Bearbeitung der identifizierten Nische. Der große Erfolg, mit dem z. B. Unternehmen wie BMW im Automobilbereich oder Bang & Olufsen im Bereich der Unterhaltungselektronik Nischenstrategien verfolgen, darf aber nicht über die Risiken hinwegtäuschen, denen ein Unternehmen durch eine bewußte Konzentration auf Teilmärkte ausgesetzt ist. So kann eine Angleichung der Bedürfnisstrukturen zwischen Teil- und Gesamtmarkt zu einem Verschwinden der Nische führen. Derartige Entwicklungen können durch das Vordringen von Substitutionsprodukten oder neuen Technologien noch gefördert werden. Zudem besteht für das in der Nische tätige Unternehmen stets die Gefahr, dass es Konkurrenten gelingt, eine weitere Segmentierung des Teilmarktes vorzunehmen und in einem oder mehreren dieser Segmente Fuß zu fassen. Insofern ist es unter Risikogesichtspunkten sinnvoll, wenn sich Kotler für die parallele Besetzung mehrerer Nischen ausspricht. Gleichwohl verfügen gerade kleinere Unternehmen oftmals nicht über die notwendigen Ressourcen für ein derartiges „multiple niching“, so dass dann die Identifizierung, Besetzung und Verteidigung profitabler Nischen um so sorgfältiger erfolgen muß. Neue Impulse hat das Nischen-Marketing seit Mitte der achtziger Jahre durch die Diskussion um eine zunehmende Individualisierung von Produkten und Dienstleistungen erhalten, die durch die Bereitstellung entsprechender flexibler Produktions- und Informationstechnologien ermöglicht wird. Ansätze der Mikrosegmentierung weisen gleichzeitig Wege zu einer immer präziseren Identifikation kleinster Marktsegmente. Derartige unter Schlagworten wie „Segment-of-one-Approach“ diskutierte Entwicklungen stellen gleichsam den Endpunkt eines Kontinuums dar, bei dem die Nische letztlich mit dem einzelnen Konsumenten übereinstimmt.



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