Wertpapierclearing und -abwicklung in der Europäischen Union, Standards
Standard 1: Gesetzlicher Rahmen. Wertpapierclearing- und -abwicklungssysteme und die zwischen diesen Systemen bestehenden Direktverbindungen sollten in allen betroffenen Rechtsordnungen über solide, klare und transparente Rechtsgrundlagen verfügen.
Standard 2: Handelsbestätigung und Abwicklungsabstimmung. Bestätigung von Handelsgeschäften zwischen unmittelbaren Marktteilnehmern sollte so bald wie möglich nach Handelsabschluss, jedoch spätest. am Handelstag (T+0) erfolgen. Wenn Bestätigung von Handelsgeschäften zwischen mittelbaren Marktteilnehmern (z. B. institutionelle Investoren) erforderlich ist, sollte diese so bald wie möglich nach Abschluss des Geschäfts erfolgen, vorzugsw. am Tag T+0, spätest. am Tag T+l. Abwicklungsanweisungen sollten so rasch wie möglich abgestimmt werden; für Abwicklungszyklen, die über T+0 hinausgehen, sollte die Abstimmung spätest. am Tag vor dem festgelegten Abwicklungstag erfolgen.
Standard 3: Abwicklungszyklen und Betriebszeiten. »Fortlaufende Abwicklung« sollte an allen Wertpapiermärkten stattfinden. Die endgültige Abwicklung sollte spätest. am Tag T+3 erfolgen, Kosten und Nutzen eines gegenüber T+3 verkürzten EU-weiten Abwicklungszyklus sollten abgewogen werden. Zentralverwahrer und ggf. zentrale Kontrahenten sollten ihre Betriebszeiten und Geschäftstage harmonisieren und zumind. während der TARGET-Betriebszeiten für Transaktionen in Euro zur Verfügung stehen.
Standard 4: Zentrale Kontrahenten. Kosten und Nutzen der Einrichtung eines zentralen Kontrahenten sollten bewertet werden. Wenn ein zentraler Kontrahent eingeführt ist, sollte dieser die von ihm eingegangenen Risiken streng überwachen.
Standard 5: Wertpapierleihe. Wertpapierleihgeschäfte (oder Repogeschäfte u. a. wirtschaftlich gleichwertige Transaktionen) sollten als Verfahren zur Vermeidung von Abwicklungsstörungen und zur Beschleunigung der Abwicklung von Wertpapiergeschäften gefördert werden. Barrieren, die Wertpapierleihgeschäfte zu Abwicklungszwecken behindern, sollten beseitigt werden. Die Vereinbarungen zu Wertpapierleihgeschäften sollten solide, sicher und effizient sein.
Standard 6: Zentralverwahrer. Wertpapiere sollten weitestgehend immobilisiert oder dematerialisiert und durch Kontobuchungen bei Zentralverwahrern übertragen werden. Um Integrität von Wertpapieremissionen und Interessen der Anleger zu schützen, sollten Zentralverwahrer sicherstellen, dass Emission, Haltung und Transfer von Wertpapieren auf adäquate und sachgerechte Weise erfolgen.
Standard 7: Lieferung gegen Zahlung. Das Erfüllungsrisiko sollte dadurch ausgeschlossen werden, dass Übertragung von Wertpapieren derart mit der geldlichen Verrechnung verknüpft ist, dass Abwicklung Lieferung gegen Zahlung erreicht wird.
Standard 8: Endgültigkeit der Abwicklung. Innertage-sendgültigkeit sollte durch Echtzeit- oder Multiplebatch-Abwicklung angeboten werden, um systemübergreifend Risiken zu verringern und effektive Abwicklung zu ermöglichen.
Standard 9: Kontrolle des Kredit- und Liquiditätsrisikos. Aus Gründen der Systemstabilität ist ein störungsfreier Betrieb der Zentralverwahrer wichtig. Daher sollten Zentralverwahrer, sofern sie durch die nationale Gesetzgebung zur Kreditvergabe berechtigt sind, ihre Kreditaktivitäten ausschl. auf Tätigkeiten beschränken, die zum reibungslosen Funktionieren von Wertpapierabwicklung und As-setservicing erforderlich sind. Zentralverwahrer, die Kredite (einschl. Innertages- und Übernachtkredite) gewähren, sollten ihr Kreditengagement nach Möglichkeit in vollem Ausmass besichern. Unbesicherte Kredite sollten auf eine begrenzte Anzahl klar definierter Fälle eingeschränkt werden und angemessenen Risikokontrollmassnahmen unterliegen, wie der Begrenzung des Risikoengagements oder Vorgaben zur Qualität der Geschäftspartner und zur Kreditlaufzeit. Die meisten Depotbanken unterliegen den bankenaufsichtsrechtlichen Regelungen der EU. im Hinblick auf Depotbanken, die in signifikantem Ausmass für Abwicklung von Wertpapiertransaktionen verantwortlich sind, sowie auf das Ziel, die mit deren Abwicklungstätigkeit verbundenen Systemrisiken möglichst gering zu halten, sollten nationale Wertpapierregulierungsund Bankenaufsichtsbehörden in Zusammenarbeit mit den Zentralbanken in ihrer Eigenschaft als Systemaufseher die von den Depotbanken angewandte Risikosteuerungspolitik dahingehend überprüfen, ob diese den Risiken, die dem Finanzsystem aus ihrer Tätigkeit erwachsen, gerecht werden. Insb. sollte überprüft werden, inwiefern das Ausmass der Besicherung des Kreditengagements (einschl. Innertageskredite) erhöht werden kann. Die Betreiber von Nettoabwicklungssystemen sollten zumind. über solche Risikokontrollen verfügen, die den rechtzeitigen Abschluss der Abwicklung auch dann gewährleisten, wenn der Teilnehmer mit der grössten Zahlungsverpflichtung ausfällt. Das zuverlässigste Kontrollintrumentarium besteht hier aus Besicherungsanforderungen in Verbindung mit eingeschränkter Kreditvergabe. Standard 10: Für den Zahlungsausgleich verwendete Aktiva. Aktiva, die zur Begleichung von aus Wertpapiergeschäften resultierenden Zahlungsverpflichtungen verwendet werden, sollten nur mit geringem oder keinem Kreditoder Liquiditätsrisiko behaftet sein. Falls kein Zentralbankgeld verwendet wird, müssen Massnahmen ergriffen werden, um die Systemteilnehmer vor potenziellen Verlusten und Liquiditätsengpässen zu schützen, die sich aus dem Ausfall des Zahlungsagenten, dessen Aktiva für diesen Zweck benutzt werden, ergeben können. Standard 11: Operationale Zuverlässigkeit. Die Ursachen für das mit dem Clearing- und Abwicklungsprozess verbundene operationale Risiko sollten bestimmt, überwacht und regelmässig bewertet werden. Das operationale Risiko sollte durch den Einsatz geeigneter Systeme und wirksamer Kontrollen und Verfahren minimiert werden. Die Systeme und damit verbundene Funktionen sollten a) zuverlässig und sicher sein, b) auf stabilen technischen Lösungen beruhen, c) im Einklang mit bewährten Verfahren entwickelt und gewartet werden, d) über angemessene, mengenelastische Kapazität verfügen, e) über angemessene Verfahren zur Aufrechterhaltung der Geschäftsabwicklung im Katastrophenfall sowie entspr. Notfallmechanismen verfügen, f) i.Hinbl.a. jene Verfahren, die rechtzeitige Wiederaufnahme des Betriebs und den Ab-schluss des Abwicklungsprozesses ermöglichen, häufigen und unabhängigen Überprüfungen unterliegen. Standard 12: Schutz der Wertpapierbestände von Kunden. Verwahrer von Wertpapieren sollten Verfahren der Buchführung und Verwahrung anwenden, die die Wertpapierbestände von Kunden in vollem Umfang schützen. Wesentlich ist, dass Kundenwertpapiere vor Ansprüchen der Gläubiger sämtlicher in der Verwahrungskette vertretener Körperschaften geschützt sind.
Standard 13: Führungs- und Verwaltungsstruktur. Füh-rungs- und Verwaltungsstrukturen von Zentralverwahrern und zentralen Kontrahenten sollten so gestaltet sein, dass sie das öffentliche Interesse wahren und den Zielen der Eigentümer und Marktteilnehmer dienen. Standard 14: Zugang. Zentralverwahrer und zentrale Kontrahenten sollten über objektive und öffentlich bekannt gegebene Teilnahmekriterien verfügen, die gleichberechtigten und offenen Zugang ermöglichen. Regelungen und Anforderungen, die den Zugang einschränken, sollten auf die Risikokontrolle abzielen. Standard 15: Effizienz. Wertpapierclearing- und -abwick-lungssysteme sollten unter Aufrechterhaltung eines sicheren Betriebs effizient sein.
Standard 16: Kommunikationsverfahren, Nachrichtenstandards und vollautomatisierte Abwicklung (Straight-through-Processing-STP). Körperschaften, die Wertpapierclearing- und -abwicklungsdienste zur Verfügung stellen, sowie die Teilnehmer an diesen Systemen sollten die einschlägigen internationalen Kommunikationsverfahren, Standards zur Nachrichtenübermittlung sowie Referenzdaten nutzen bzw. ihre Nutzung ermöglichen, um systemübergreifend effizientes Clearing und effiziente Abwicklung zu erleichtern. Diese Vorgehensweise unterstützt STP über den gesamten Wertpapiertransaktions-prozess hinweg. Dienstleistungsanbieter sollten STP anstreben, um zu einer zeitnahen, sicheren und kostenwirksamen Wertpapierabwicklung (einschliesslich Bestätigung, Abstimmung, Verrechnung, Zahlungsausgleich und Aufbewahrung) beizutragen.
Standard 17: Transparenz. Zentralverwahrer und zentrale Kontrahenten sollten den Marktteilnehmern genügend Informationen zur Verfügung stellen, damit diese die mit Wertpapierclearing- und -abwicklungsdiensten verbundenen Risiken und Kosten bestimmen und genau bewerten können. Bedeutende Depotbanken sollten ihren Kunden ausreichend Informationen zur Verfügung stellen, sodass diese die mit Wertpapierclearing- und -abwicklungsdiensten verbundenen Risiken bestimmen und genau bewerten können.
Standard 18: Regulierung, Aufsicht und Überwachung. Körperschaften, die Wertpapierclearing- und -abwicklungsdienste anbieten, sollten zumind. transparenten, konsistenten und wirksamen Regulierungs- und Aufsichtsmechanismen unterliegen. Wertpapierclearingund -abwicklungssystemvereinbarungen sollten einer zumind. transparenten, konsistenten und wirksamen Überwachung durch die Zentralbanken unterliegen. Zentralbanken, Wertpapierregulierungs- und Bankenaufsichtsbehörden sollten sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene (insbesondere innerhalb der Europäischen Union) auf wirksame und transparente Weise zusammenarbeiten.
Standard 19: Risiken systemübergreifender Direktverbindungen. Zentralverwahrer, die Direktverbindungen zur Abwicklung systemübergreifender Wertpapiertransaktionen eingerichtet haben, sollten diese so gestalten und handhaben, dass die mit der systemübergreifenden Abwicklung verbundenen Risiken wirksam verringert werden.
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