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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Umweltschutzindustrie

1. Definition und Abgrenzung der Umweltschutzindustrie von anderen Industriebereichen Der Umweltschutz ist heute ein gesellschaftliches Ziel von zentraler Bedeutung und bestimmt demzufolge auch das wirtschaftliche Handeln in immer stärkerem Ausmaß. Durch die Produktion, die Bereitstellung sowie die Anwendung von Gütern und Dienstleistungen, die direkt oder indirekt mit dem Umweltschutz in Verbindung stehen, werden sowohl die Wirtschaftsstrukturen als auch die wirtschaftliche Entwicklung in vielfältiger Weise beeinflusst. Einerseits sehen sich Unternehmen in zunehmendem Umfang mit Anforderungen zum Schutz der Umwelt konfrontiert. Andererseits bietet die Entwicklung und Vermarktung von Umwelttechnologien vielversprechende wirtschaftliche Entfaltungschancen, die mittlerweile in weiten Bereichen der Industrie genutzt werden. Obwohl sich der Begriff „Umweltschutzindustrie“ neben anderen Bezeichnungen wie „umwelttechnische Industrie“ oder „Umweltindustrie“ mittlerweile in der Umgangssprache etabliert hat, ist die Umweltschutzindustrie ein wenig eindeutiger, kaum scharf abgrenzbarer Begriff, für den sich bislang noch keine einheitliche Definition etablieren konnte. Zunächst ist die Abgrenzung der Umweltschutzindustrie als eigenständige Industriebranche problematisch. Da Anbieter von Umweltschutzgütern unterschiedlichen Branchen zuzurechnen sind, stellt sich dieser Industriesektor vielmehr als Querschnittsbereich dar. Weitere Abgrenzungsprobleme ergeben sich in der Einbeziehbarkeit von „umweltschonenden“ Varianten von Produkten und Produktionsverfahren sowie der Zurechenbarkeit von Umweltschutzgütern und -techniken, die auch Beiträge zu anderen betriebs- oder volkswirtschaftlichen Zielsetzungen liefern. Die Abgrenzung von umweltinduzierten und nicht umweltinduzierten Gütern erscheint in diesem Zusammenhang nicht immer objektiv möglich. Diese Fragen werden umso bedeutender, als Maßnahmen, die eindeutig dem Umweltschutz zuzurechnen sind, zunehmend durch sogenannte „integrierte Technologien“ abgelöst werden. Unter integriertem Umweltschutz wird dabei ein multimedialer Ansatz verstanden, der sämtliche input-, verfahrens- und outputseitigen Umweltschutzmaßnahmen umfaßt, die zur Vermeidung und Verminderung von Schadstoffemissionen in die Medien Wasser, Luft und Boden beitragen. Abgrenzungsprobleme ergeben sich bei integrierten Umweltschutzmaßnahmen insbesondere dadurch, daß mit der Vermeidung und Verminderung prozeßbedingter -Emissionen und Abfälle in der Regel auch Kapazitätserweiterungen, geänderte Material- und Energieeinsätze sowie Folgeinvestitionen und -kosten in anderen betrieblichen Teilbereichen verbunden sind. Weitere Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich durch die Auslegung des Begriffs „Industrie“, der - wie in der deutschen Statistik üblich - nur Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes oder auch weitere Bereiche wie etwa das Baugewerbe oder den Dienstleistungsbereich umfassen kann. Vor dem Hintergrund beständig wechselnder Schwerpunkte in der Umweltpolitik sowie der sich im Zeitablauf wandelnden Gewichtung von Schutzbereichen erscheint zudem die eindeutige Definition des Begriffs „Umweltschutz“ bei der Erfassung der Bedeutung der Umweltschutzindustrie schwierig. Vergegenwärtigt man sich die vom Umweltschutz betroffenen Medien bzw. Bereiche, insbesondere Klimaschutz und -Luftreinhaltung, Gewässerschutz und Abwasserbehandlung, Natur- und Artenschutz, Bodenschutz und Abfallbehandlung, Lärmschutz sowie Strahlenschutz und Gefahrstoffe, so wird das Ausmaß potentieller Umweltschutzgüter deutlich. Anbieterverzeichnisse sowie Datenbanken zum Umweltschutzmarkt differieren demzufolge beträchtlich in Bezug auf die einbezogenen Schutzbereiche und Wirtschaftsgüter. Gemeinsam ist ihnen in der Regel, daß sie bei den Umweltschutzgüterproduzenten bzw. bei den Umweltschutzgütern ansetzen. Unter Zugrundelegung eines derartigen angebotsorientierten Ansatzes, bei der Produktions- und Beschäftigungsvolumina herstellerbezogen erfaßt werden, stellt sich die Umweltschutzindustrie als Querschnittsbranche, vorzugsweise aus dem Bereich der Investitionsgüterindustrie, dar. Eingedenk des Umstandes, daß neben der Produktion auch der Dienstleistungssektor in erheblichen Maße am Wirtschaftsgeschehen im Bereich des Umweltschutzes beteiligt ist, erscheint jedoch eine Eingrenzung der Umweltschutzindustrie auf die Herstellung von Waren zu eng. Unter dem Begriff Umweltschutzindustrie sind idealtypischerweise vielmehr die Gesamtheit aller Betriebe zu verstehen, die Güter gegen spezielles Entgelt erbringen, welche der Erfassung, Vorbeugung, Vermeidung, Verminderung von Umweltbelastungen dienen oder zur Schonung natürlicher Ressourcen beitragen. Ungeachtet der Tatsache, daß aufgrund der skizzierten Abgrenzungs- und Bewertungsprobleme noch keine allgemein anerkannte Definition der Umweltschutzindustrie vorliegt, wird im folgenden der Versuch unternommen, das wirtschaftliche Umfeld der Umweltschutzindustrie, die Struktur des Markes für Umweltschutzgüter, die Position und internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Umweltschutzindustrie sowie Zukunftsperspektiven für die Umweltschutzindustrie zu analysieren. 2. Wirtschaftliches Umfeld der Umweltschutzindustrie 2.1. Bedeutung der Umweltschutzindustrie in Deutschland Umsatz, Tätigkeitsbereiche und Branchenprofile Ausgelöst sowohl durch steigendes Umweltbewußtsein als auch durch die zunehmend strengeren gesetzlichen Anforderungen an den Umweltschutz verzeichnet der Markt für Umweltschutzgüter in Deutschland in den vergangenen Jahren stetige Zuwachsraten. In Deutschland gibt es mindestens 5.000 Anbieter von Umweltschutztechnik, Umweltschutzdienstleistungen und umweltfreundlichen Produkten. Dabei handelt es sich überwiegend um kleinere Unternehmen. Bei der Verteilung des Umsatzes auf verschiedene Schutzbereiche zeigt sich, daß die traditionellen Schutzbereiche Luftreinhaltung, Klimaschutz bzw. Gewässerschutz sowie Abwasserbehandlung zwar dominieren, der Bereich Abfallwirtschaft/Recycling jedoch zunehmend an Bedeutung gewinnt. Die Tätigkeitsbereiche weisen ihrerseits ein ausgeprägtes Branchenprofil auf. Während sich im Investitionsgütergewerbe (insbesondere in den Sektoren Elektrotechnik sowie Feinmechanik/Optik) sowie im Versorgungssektor die Meß-, Analyse- und Regeltechnik als ein wichtiger Aktivitätsbereich herausstellt, liegt im Bergbau und im Investitionsgütergewerbe der Schwerpunkt auf der Luftreinhaltung. Umsätze im Bereich Lärmbekämpfung konzentrieren sich auf den Bausektor, den Stahl- und Leichtmetallbau sowie die Herstellung von Kunststoffwaren. Dienstleister sind überdurchschnittlich stark im Bereich der Abfallwirtschaft/Recycling sowie bei der Altlastensanierung und im Bodenschutz engagiert. Beschäftigungswirkungen Die Produktion von Umweltschutzgütern sowie Umweltschutzdienstleistungen bewirkt in Deutschland bedeutende Beschäftigungsimpulse. Die durch den Umweltschutz indirekt induzierten Arbeitsplätze sind breit über alle Branchen der Wirtschaft gestreut. Dabei liegt mit etwa 55% der umweltschutzinduzierten Arbeitsplätze ein Schwerpunkt auf dem Dienstleistungssektor. Anfang der neunziger Jahre hingen bereits 680.000 Arbeitsplätze in Deutschland vom Umweltschutz ab. Im Jahre 1994 waren im Umweltschutz in der Bundesrepublik Deutschland nahezu eine Millionen Menschen beschäftigt. Mit über 500.000 Personen war zu diesem Zeitpunkt über die Hälfte der durch Umweltschutz Beschäftigten unmittelbar am Arbeitsplatz mit Umweltschutzaufgaben befaßt. Hiervon waren fast 200.000 Personen bei den Gebietskörperschaften beschäftigt. In privaten und öffentlichen Entsorgungs- und Recyclingunternehmen waren rund 90.000 Personen tätig. Etwa 50.000 Beschäftigte nehmen im produzierenden Gewerbe unmittelbar Umweltschutzaufgaben wahr. Darüber hinaus waren etwa 450.000 Personen durch die Produktion von Umweltschutzgütern beschäftigt. Konkret handelt es sich dabei um fir den Umweltschutz eingesetzte Investitionsgüter sowie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe. Hiervon waren ca. 260.000 Arbeitsplätze direkt durch die Herstellung von Umweltschutzgütern induziert, während 190.000 Arbeitsplätze auf Unternehmen entfielen, die Vorleistungen für die Produktion von Umweltschutzgütern herstellen. Von den direkt induzierten Arbeitsplätzen waren ein Drittel bei Unternehmen des Baugewerbes und ein knappes Viertel bei Unternehmen des Maschinenbaus angesiedelt. Für das Jahr 2000 wird erwartet, daß mehr als 1,1 Millionen Menschen in Deutschland ihren Arbeitsplatz dem Umweltschutz verdanken. 2.2. Globale Märkte für Umweltschutztechniken Umwelttechnologien zählen zu den aussichtsreichen Wachstumsbranchen. Von der -OECD werden jährliche Wachstumsraten zwischen sieben und acht Prozent prognostiziert. Der Weltmarkt für Umweltschutzgüter und -dienstleistungen entwickelt sich dementsprechend sehr dynamisch. Schätzungen aus dem Jahr 1994 gehen von einem Marktvolumen von bis zu 900 Mrd. DM im Jahr 2000 aus. Nach jüngsten Schätzungen der OECD wird das Weltmarktvolumen für Umweltschutzgüter von 200 Mrd. Dollar irn Jahr 1990 auf 300 Mrd. Dollar bis zum Jahr 2000 anwachsen. Besonderes Augenmerk verdient in diesem Zusammenhang der Entsorgungssektor. In den vergangenen 15 Jahren hat sich der Umsatz im Entsorgungsmarkt weltweit auf 75 Mrd. DM verdoppelt. Bis zum Jahr 2005 wird mit einem weltweiten Umsatz im Entsorgungssektor von 200 Mrd. DM gerechnet. Mit der zunehmenden Globalisierung der Märkte sind sowohl Umweltwirkungen als auch Beschäftigungswirkungen verbunden. Im ungünstigsten Fall können Umwelt- und Beschäftigungsziele gleichzeitig unterlaufen werden, wenn beispielsweise umweltverträglichere Produktionsverfahren im Inland durch das Ausweichen auf ausländische Produkte oder durch Verlagerungen von Betriebsstandorten in andere Länder konterkariert würden. Um diesen negativen ökologischen Folgen einer -Globalisierung entgegenzuwirken, ist eine stärkere Globalisierung umweltpolitischer Strategien voranzutreiben. Konkret bedeutet dies, daß die Globalisierung der Weltwirtschaft durch eine enge internationale Zusammenarbeit im Umweltschutz zu flankieren ist. 2.3. Konkurrenzfähigkeit der deutschen Umweltschutzindustrie im internationalen Vergleich Im internationalen Vergleich ist Deutschland schon seit einigen Jahren einer der wichtigsten Anbieter von Umweltschutzgütern. Dabei ist die deutsche Stellung am stärksten bei den Abfall- und Abwassertechnologien. Die jüngste Entwicklung zeigt allerdings, daß in den letzten Jahren andere Staaten in diesem Bereich aufgeholt haben, allen voran die USA. Deutschland hat 1996 potentielle Umweltschutzgüter im Wert von rund 37 Mrd. DM ausgeführt und ist mit einem Welthandelsanteil von 17,5% mittlerweile zweitgrößter Exporteur nach den USA (18%). Drittgrößter Anbieter von Umweltschutztechnologien ist Japan mit einem Handelsanteil von ca. 13%. Bei diesen Angaben ist einschränkend jedoch zu berücksichtigen, daß zum großen Teil nur die traditionellen „additiven“ (nachgeschalteten „End-of-Pipe“) Umweltschutztechniken erfaßt werden. Über die Stellung Deutschlands im Wettbewerb um „integrierte Umweltschutztechnologien“ sind auf dieser Basis kaum verläßliche Schlüsse zu ziehen. Die deutsche Umweltschutzindustrie zeichnet sich durch ein technologisch hochwertiges Sortiment aus. Dies spiegelt sich auch in der sehr hohen Patentspezialisierung im Bereich der Umweltschutztechnik wider. Die USA und Japan sind in diesem Bereich dagegen weniger durch patentgeschützte Erfindungen vertreten als sonst üblich. Lediglich in Kanada, Schweden, den Niederlanden und der Schweiz sind die Anteile an Patenten auf dem Gebiet der Umwelt-schutztechnik höher als bei den Patenten insgesamt. Deutschlands insgesamt günstige „Patentposition“ in der Umweltschutztechnik gilt dabei für nahezu sämtliche Technikbereiche, insbesondere für die Luft- und Gewässerreinhaltung, den Lärmschutz, die Abfallbeseitigung sowie das Recycling. Weiterführende Literatur: Halstrick-Schwenk, M./ Horbach, J./ Löbbe, K./ Walter, J.: Die umwelttechnische Industrie in der Bundesrepublik Deutschland, Untersuchungen des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung, Heft 12, Essen 1994; Kaiser, H.: Keine Rezession für intelligente Umwelttechnik-Unternehmen, in: Metalloberfläche, 48, o. O. 1994; Rentz, O. (1995): Integrierter Umweltschutz, in: Junkernheinrich, M./ Klemmer, P./ Wagner, G., (Hrsg.): Handbuch zur Umweltökonomie, Berlin 1995; UBA - Umweltbundesamt: Jahresbericht, Berlin 1997; BMBF 1999: Zur technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands. Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Zusammenfassender Endbericht, o. O. 1998.



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