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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Rentenversicherungsträger

Die deutschen Rentenversicherungsträger sind die Schaltstellen des gesetzlichen Rentensystems. Sie nehmen Rentenbeiträge ein, verwalten sie und zahlen Renten aus. Die Rentenversicherungsträger sind selbstverwaltete Anstalten des öffentlichen Rechts. 2005 wurden sie neu organisiert. Es wird nicht mehr zwischen Arbeitern und Angestellten unterschieden und die Anstalten heißen nicht mehr BfA und LVA, sondern einheitlich "Deutsche Rentenversicherung".

Die Rentenversicherungsträger in Deutschland sind die Verwaltungen, die die gesetzliche Rentenversicherung durchführen. Sie nehmen die Beiträge von rund 30 Millionen Arbeitnehmern und ihrer Arbeitgeber ein, verwalten das Geld und zahlen die Renten an die rund 20 Millionen Ruheständler aus. Insgesamt verwalten die Träger rund 51 Millionen Versicherte. Zu den Rentenversicherungsträgern fließen die knapp 20 Prozent der Bruttolöhne der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hin, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber monatlich je zur Hälfte zahlen müssen. Die Rentenversicherungsträger führen Buch, so genannte Rentenkonten, über den Versicherungsverlauf jedes einzelnen Versicherten. Diese Rentenkonten sollte man auch in jüngeren Jahren häufiger abrufen, um sicher zu stellen, dass sämtliche Beiträge angekommen sind und richtig verrechnet wurden und mögliche Anrechnungszeiten, etwa für Studium oder Kindererziehung, berücksichtigt wurden. Die Anrechnung dieser beitragsfreien Zeiten auf die Rente wird in einem Bescheid des Rentenversicherungsträgers festgestellt. Seit 2005 bekommt jeder Versicherte von seinem Rentenversicherungsträger einmal im Jahr eine so genannte Renteninformation zugeschickt. Darin wird erläutert, welche Altersrente und welche Erwerbsminderungsrente zu erwarten ist. Um eine aussagefähige Renteninformation zu erhalten, ist es meistens notwendig eine so genannte Kontenklärung vorzunehmen. Das ist eine Auflistung und Belegung aller renterechtlich relevanten Zeiten, Gehälter und Beiträge. Arbeitnehmer ab 55 Jahren erhalten außerdem alle drei Jahre die so genannte Rentenauskunft. Sie gleicht einem Rentenbescheid. Tritt ein Arbeitnehmer in den Ruhestand, stellt er seinen Rentenantrag an seinen Rentenversicherungsträger und bekommt von ihm in einem Bescheid die Höhe seiner Rente mitgeteilt. Gegen diese Bescheide können die Versicherten beim Widerspruchsausschuss des Trägers vorgehen. Kommt es hier nicht zu einer Einigung, können die Sozialgerichte angerufen werden.

Die Rentenversicherungsträger sind Körperschaften des öffentlichen Rechts, die sich nach den Vorschriften des IV. Sozialgesetzbuches selbst verwalten. Die Mitglieder wählen in den Sozialwahlen die jeweilige Vertreterversammlung, die wiederum den Vorstand wählt. Beide Gremien bestehen aus Vertretern der Versicherten und Rentner und aus Arbeitgebervertretern, die hier alle ehrenamtlich tätig sind. Die hauptamtliche Geschäftsführung wird ebenfalls von der Vertreterversammlung bestimmt, genauso wie sie den Haushaltsplan feststellt und den Geschäftsbericht des Vorstandes billigen muss. Auch die Widerspruchausschüsse sind Teil der Selbstverwaltung.

Die neue "Deutsche Rentenversicherung"

Seit dem 1. Oktober 2005 sind die deutschen Rentenversicherungsträger in zwei bundesweiten und 17 regionalen Anstalten organisiert. Sie nennen sich alle Deutsche Rentenversicherung. Welche Abkürzung für sie üblich wird, ist noch nicht klar. Das Kürzel DRV steht bisher für den deutschen Reisebüro und Reiseveranstalter Verband. Die beiden bundesweiten Rentenversicherungsträger sind Ergebnis von Zusammenschlüssen zum 1. Oktober 2005. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) und der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) fusionierten zur Deutschen Rentenversicherung Bund. Sie hat neben der Betreuung von 40 Prozent der Versicherten den Auftrag, so genannte Grundsatz- und Querschnittsaufgaben zu erfüllen. Hier geht es um die Rentenpolitik allgemein. Das war bis dahin vor allem Aufgabe des VDR gewesen, der selbst kein Versicherungsträger war. Der andere bundesweite Rentenversicherungsträger ist die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft, Bahn, See, die aus der Fusion von Bundesknappschaft, Bahnversicherungsanstalt und Seekasse zum 1. Oktober 2005 hervorgegangen ist. Die drei so genannten Sonderanstalten, die bis dahin Versicherte bestimmter Branchen (Bergbau, Bahn und Seefahrt) betreuten, haben sich zu dem deutlich kleineren bundesweiten Träger zusammengeschlossen. Die regionalen Träger sind aus den Landesversicherungsanstalten (LVA) hervorgegangen. Sie nennen sich jeweils Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg, Deutsche Rentenversicherung Berlin und so weiter. Dabei haben die LVA Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zum 1. Oktober 2005 zur Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland fusioniert und die LVA Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein zur Deutschen Rentenversicherung Nord. Die Aufsicht über die bundesweiten Rentenversicherungsträger hat das Bundesversicherungsamt in Bonn (www.bundesversicherungsamt.de ). Die regionalen Träger werden von den Arbeitsministerien der jeweiligen Länder beaufsichtigt.

Es gibt neben der Deutschen Rentenversicherung noch weitere Rentenversicherungen, etwa die landwirtschaftliche Sozialversicherung (www.lsv.de) oder die berufsständischen Versorgungswerke der Freiberufler wie Mediziner, Architekten oder Rechtsanwälte. Diese Versicherungen sind aber nicht Teil des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung.

Organisationsreform

Bis Ende 2004 war die BfA für die Angestellten zuständig, die LVAs haben die Arbeiter und Handwerker betreut, die Knappschaft war für die Bergleute zuständig, die Bahnversicherungsanstalt für die Eisenbahner und die Seekasse für die Seeleute. Nachdem sich das Arbeitsaufkommen jahrzehntelang von den LVAs und den Sonderanstalten hin zur BfA verschoben hatte, einigte sich die Politik im Herbst 2004 auf eine Organisationsreform der gesetzlichen Rentenversicherungsträger. Im Oktober 2004 stimmte der Bundestag dem Gesetz zur Organisationsreform der gesetzlichen Rentenversicherung (RVOrgG) zu, im November 2004 bekam das Gesetz auch im Bundesrat eine Mehrheit. Die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten wurde aufgehoben. Zum einen ist die Zahl der Arbeiter jahrzehntelang gesunken, zum anderen kam es durch die Unterteilung immer wieder zu bürokratischen Skurrilitäten. So war ein Fahrer einer Brauerei ein Arbeiter. Wechselte dieser Arbeitnehmer als Fahrer zu einem Supermarkt, wurde er fortan als Angestellter geführt. Seine Rentenakten mussten von der einer regionalen LVA zur BfA übertragen werden. Im Saldo sind pro Jahr rund 300.000 Versicherte von den LVA und Sonderanstalten zur BfA gewechselt. Die LVA und die Sonderanstalten hatten durch den Wandel der Arbeitswelt immer weniger zu tun, was sich aber nicht zeitgleich in der Reduzierung ihrer Apparate niederschlug. Auch durch die Organisationsreform werden die regionalen Träger und die Sonderanstalten nicht wesentlich verkleinert. Das haben die Bundesländer verhindert, die in ihrer Region jeweils Arbeitsplätze sichern wollten. Bei der Deutschen Rentenversicherung arbeiten insgesamt rund 75.000 Menschen. Insofern ist auch die Reform der Rentenversicherungsträger vom deutschen Formal-Föderalismus geprägt. Es wird wegen der Reform keine Kündigungen von Mitarbeiter bei den Trägern geben. Dass man die Verwaltung der Minijobs der Bundesknappschaft zugewiesen hat, dient dem Erhalt überkommener Strukturen. Die Aufsichtsbehörden der Länder haben nach wie vor großen Einfluss auf die Struktur der Rentenversicherungsträger. Das hat rein machtpolitische Gründe. Eine Rente in Oberbayern unterscheidet sich durch nichts von einer Rente an der Nordsee. Auch die Zuordnung nach den Branchen der Sonderanstalten wurde aufgehoben. Nur die Bergmänner bleiben der Knappschaft zugeordnet, weil für sie ein eigenes Rentenrecht gilt. Die Abschaffung der Unterscheidungen entlastet auch die Arbeitgeber, die die Rentenversicherungsbeiträge nun mehr nicht mehr unterschiedlich verwalten und abführen müssen. Über die Kosten der Organisationsreform wurden bislang keine Angaben gemacht. Nur der Preis des neuen Logos wurden mit 100.000 Euro angegeben. Das gelb-grüne Zeichen soll einen Kreislauf symbolisieren, der für den Generationenvertrag steht.

Aufteilung der Versicherten

Künftig werden 40 Prozent aller Versicherten bei der "deutschen Rentenversicherung Bund" betreut, 55 Prozent bei den regionalen Trägern und fünf Prozent bei der "deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See". Die Aufteilung soll innerhalb von 15 Jahren für den gesamten Bestand an Versicherten erreicht werden. Die neuen Versicherten werden in drei Stufen aufgeteilt. Erst wird geprüft, ob eine Branchenzugehörigkeit vorliegt, so dass der neue Versicherte der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See zugeordnet wird. Ist dies nicht der Fall wird der neue Versicherte dem regionalen Träger zugeordnet, in dessen Bereich er wohnt. Hat der regionale Träger die Quote von 55 Prozent schon erreicht, wird der neue Versicherte entweder der Rentenversicherung Bund oder Knappschaft-Bahn-See zugeordnet. Je nach dem, ob deren Quote von 40 oder fünf Prozent schon erreicht ist. Von den bisherigen Versicherten ab Geburtsjahrgang 1945 werden pro Jahr bis zu 200.000 Versicherte den Träger wechseln, um die 40-55-5-Prozent-Aufteilung zu erreichen. Für die Versicherten ändert sich dabei wenig. Die Beiträge wie auch die Leistungen bleiben die gleichen. Nur der Briefkopf der Anschreiben wechselt. Jeder Versicherte kann sich an seinem Wohnort an eine Beratungsstelle der "deutschen Rentenversicherung" wenden, egal bei welchem Träger sein Konto geführt wird.

Durch die Organisationsreform sollen bis 2010 die Verwaltungskosten um zehn Prozent gesenkt werden. Das entspricht einem Betrag von 350 Millionen Euro. Zu dieser Einsparung sind die Träger gesetzlich verpflichtet. Ab 2007 müssen sie über die Einsparung berichten. Der Bundesrechnungshof hält die Arbeit der Träger bislang für wenig effektiv. So würde etwa ein einziger Rentenantrag von 15 Personen bearbeitet werden. Die Deutsche Rentenversicherung hält sich zugute, dass ihre Verwaltungskosten nur bei 1,7 Prozent der Gesamtausgaben liegen.

Rückblick

Die kleinteilige Gliederung der Rentenversicherungsträger ist historisch gewachsen. So reichen beispielsweise die Wurzeln der Bahnversicherungsanstalt bis in das Jahr 1859, als die Eisenbahnverwaltungen begannen, Versorgungskassen für ihre Arbeiter aufzubauen. Früher gab es auch noch viel mehr Anstalten. So wurden etwa die Bergleute bis zum Zusammenschluss 1969 von acht regionalen Knappschaften versichert. Am Ende des 19. Jahrhunderts bestanden in Deutschland rund 160 Knappschaften, deren Geschichte wiederum bis ins 15. Jahrhundert zurück reicht. Die Vorläufer der LVA wurden 1890 gegründet regionale Träger der damaligen Invalidenversicherung aufgrund des 1889 verabschiedeten Invaliditäts- und Alterssicherungsgesetzes. So entstanden rund vierzig Regionalträger. 1911 kam mit der Reichsversicherungsanstalt der Vorgänger der BfA hinzu. 1953 nahm die BfA ihre Arbeit auf. In der früheren DDR war der freie deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) Träger der Rentenversicherung. Nach der Wende wurde die Struktur aus den alten auf die neuen Länder ausgedehnt.



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