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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Handels-Marketing

Vor dem Hintergrund steigender Konzentrationsgrade in der Handelslandschaft stellt sich die Frage nach der Leistungsfähigkeit eines Marketing durch den Handel. Zahlreiche Tendenzen, vor allem auf der Kosten- und Einkaufsseite, scheinen auf eine Reduktion des Handels-Marketing auf den Faktor „Preis“ hinzudeuten. Im Zusammenspiel dieser Kräfte konnten in den letzten Jahren preisaggressive Großvertriebsformen ihre Marktanteile deutlich zu Lasten kleinerer Geschäfte ausweiten. Andererseits ist im Kaufverhalten „hybrider“ Konsumenten die Neigung zu beobachten, dass bei Gütern des gehobenen Bedarfs und Luxusgütern durchaus die Bereitschaft besteht, Zusatzleistungen des Handels zu vergüten. Darüber hinaus versuchen Hersteller im Rahmen ihres vertikalen Marketing, auf die Marketingaktivitäten des Handels Einfluß zu nehmen. Die Frage nach dem Zielbeitrag solch vertikal abgestimmter Konzepte bleibt aus Handelssicht vielfach jedoch offen. All diese Entwicklungen belegen die Notwendigkeit zu einem situationsangepaßten Handels-Marketing. Ausgangspunkt einer Marketingplanung im Handel bildet eine systematische Situationsanalyse externer und interner Faktoren, um eigene Stärken und Schwächen zu erkennen und hierauf aufbauend eine Positionierungs- und Profilierungs-strategie zu entwickeln. Besondere Bedeutung erhalten dabei in letzter Zeit rechtliche Einflußfaktoren. So ergeben sich aus der Liberalisierung der Ladenschlußzeiten und insbesondere aus der angedachten Abschaffung des Rabattverbotes folgenreiche Implikationen für den Wettbewerb im Handel. Hinzu kommt eine hohe Dynamik bei der Informations- und Kommunikationstechnologie. Während Warenwirtschaftssysteme und Scannerkassen zunehmend auch im mittelständischen Handel schon fester Bestandteil im Handelsalltag geworden sind, lassen sich noch erhebliche Kostensenkungspotentiale durch den Einsatz EDV-gestützter Abrechnungssysteme (EDI) erzielen. Die explizite Formulierung eines Leitbildes schließt sich an die Situationsanalyse unmittelbar an. Hier geht es um die Festlegung einer grundsätzlichen Unternehmensphilosophie für den Handelsbetrieb, die als Orientierungsrahmen zukünftiger Entscheidungen dient und maßgeblichen Einfluß auf die Wahl einer geeigneten Betriebsform besitzt. Dabei wird in der Fachliteratur zum Einzelhandel unter Heranziehung verschiedener Strukturmerkmale, wie Standort, Größe der Verkaufsfläche oder Sortiment, vielfach zwischen den Betriebsformen Fachgeschäft, Warenhaus, Versandhandel, Fachmarkt sowie Discounter unterschieden. Anschließend sind im Planungsprozeß die angestrebten Ziele des Handelsunternehmens zu konkretisieren und operational hinsichtlich Inhalt, Ausmaß und Zeitbezug festzulegen. Darüber hinaus ermöglicht die Marktforschung für Einkaufs Stätten die Identifizierung von Zielgruppen, so dass segmentspezifisch vorgegangen werden kann. Neben Markt- und Rentabilitätszielen gewinnen im Handel in letzter Zeit auch zunehmend psycho-graphische Zielvorgaben an Bedeutung. Hierbei soll über die Gestaltung einer unverwechselbaren Einkaufsstättenidentität (Geschäftsstättenimage) und hohen Kundenzufriedenheit eine langfristig anhaltende Einkaufsstättentreue erreicht werden. In welcher Art und Weise die definierten Ziele zu realisieren sind, darüber gibt die Strategie- und Positionierungsentscheidung eines Handelsbetriebes Auskunft. Hierbei spielt in erster Linie die Abgrenzung von den Wettbewerbern eine entscheidende Rolle. Es sind langfristig verteidigbare Wettbewerbsvorteile anzustreben. Dabei können sämtliche Bereiche, die für den Kunden einen Nutzen stiften, zur Profilierung der Einkaufsstätte gegenüber der Konkurrenz beitragen. Als ein geeignetes Analyseinstrument zum Auffinden solcher Vorteile eignet sich die Wertkette. In diesem Zusammenhang sind sowohl der Beschaffungs- als auch der Absatzmarkt einer grundsätzlichen Untersuchung zu unterziehen. Beispielsweise ergibt sich die Frische eines Fischangebotes nicht nur aus dem Zusammenwirken mit dem Fischereigroßhandel, sondern auch durch die Sorgfalt innerhalb der Fischtheke. Auf der Maßnahmenebene sind die Strategie und Positionierung umzusetzen. Hierzu stehen dem Handel verschiedene Aktionsparameter zur Verfügung. Zu den wichtigsten zählen: • das Sortiment, • die Kundenservicepolitik, • die Preispolitik, • die Verkaufsstättengestaltung, • die Kommunikationsaktivitäten sowie • die Retrodistribution. Das Sortiment stellt die Zusammenfassung aller durch einen Handelsbetrieb angebotenen Artikel dar, während die Kundenservicepolitik alle selbständig marktfähigen Dienstleistungen umfaßt. Beide Kernbereiche sind in den Dimensionen Breite und Tiefe zu planen, d. h. es ist festzulegen, welche Waren- bzw. Dienstleistungsgruppen und wie viele Alternativangebote innerhalb einer Gruppe anzubieten sind. Zu beachten ist dabei, dass ein Spannungsfeld zwischen den entstehenden Kosten und dem Wunsch der Kunden nach Auswahl besteht. Im Rahmen der Preis- und Konditionenpolitik bestimmt das Handelsmanagement zum einen Art und Weise der Kalkulation sowie die Struktur von Preisvariationen und zum anderen Einkaufs- und Zahlungsbedingungen. Zu den Kalkulationsverfahren sind in erster Linie die Mischkalkulation und die Preisdifferenzierung zu rechnen. Bei der Mischkalkulation wird über das Angebot einiger weniger Artikel mit geringer oder gar negativer Deckungsspanne, aber hohem Aufmerksamkeitswert versucht, bei den Kunden ein preisgünstiges Image aufzubauen. Andere Artikel hingegen werden mit einer hohen Handelsspanne verkauft, so dass sich unter Ausnutzung von Verbundeffekten ein verbessertes Ergebnis ergibt. Eine Preisdifferenzierung liegt vor, wenn es bei einem Artikel gelingt, unterschiedliche Kundensegmente mit unterschiedlichen Preisen zu bearbeiten. Dieses Vorgehen findet überwiegend bei verschiedenen Filialen eines Handelsunternehmens statt. Eine neue Entwicklung bei den Einkaufs- und Zahlungsbedingungen stellt die zunehmende Akzeptanz von Kredit- und Kundenkarten dar; dieses geschieht in der Absicht, höhere Kaufbeträge pro Besuch sowie eine dauerhafte Einkaufsstättentreue zu erzeugen. Zur Verkaufsstättengestaltung zählen das äußere Erscheinungsbild, der Ladenbau, die Warenpräsentation, die Dekoration und die Verkaufsflächenzuteilung. Im Zusammenhang mit kommunikativen Aktivitäten des Handels, zu denen auch das Verkaufsgespräch zu rechnen ist, wird in vielen Geschäften eine erlebnisorientierte Gestaltung des Einkaufsprozesses beabsichtigt. Die Kunden sollen eine Steigerung ihrer wahrgenommenen Lebensqualität erfahren; auf der anderen Seite verspricht sich der Handel durch eine Erlebnisorientierung eine Abschwächung des als ruinös empfundenen Preis Wettbewerbs. Spätestens seit der Diskussion um das Duale System gewinnen Umweltschutzaspekte im Handel an Bedeutung. Dieses gilt in besonderer Weise für die Retrodistribution, d. h. für die Rückführung von Altprodukten zum Zwecke einer anschließenden Verwertung. In Zukunft ist einerseits mit einem weiteren Ansteigen der handelsrelevanten Umweltvorschriften, andererseits aber auch mit steigenden Umweltforderungen von Anspruchsgruppen gegenüber dem Handel zu rechnen. Zu den anerkannten Erfolgsvoraussetzungen im Handel zählen über die oben dargestellten hinaus das Personal, die Betriebsorganisation und der gewählte Standort. Zusammenfassend läßt sich festhalten, dass sich Handels-Marketing nicht nur auf den Faktor „Preis“ als ausschließliches Profilierungskriterium beschränkt. Vielmehr bestehen zahlreiche strategische und operative Ansatzpunkte, durch innovative Geschäftskonzepte den Kundenwünschen gerecht zu werden und sich gleichzeitig im Wettbewerbsumfeld zu behaupten.



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