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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Finanzinnovationen

Neuerungen im Finanzsektor, einschl. neuartiger Abwicklungstechniken (Prozeßinnovationen), neuer Finanzmärkte (institutionelle Innovationen) und neuer Finanzinstrumente                (Produktinnovationen). Schwierigkeiten bereitet bei den hier vornehmlich behandelten Produktinnovationen der relative Charakter des Kriteriums »Neuartigkeit« in subjektiver, zeitlicher und intensitätsmäßiger Hinsicht. Entsprechend willkürlich und unterschiedlich sind Auffassungen darüber, für wen, wann und wie lange etwas neu ist oder wieder neu erscheint, bzw. wo die Grenzen zwischen Produktinnovation und -variation liegen. Angesichts der Vielzahl graduell veränderlicher Modalitäten eines Finanzproduktes gestattet auch Joseph A. SCHUMPETERs Innovationsbegriff, der auf eine schlagartige Änderung der Produktionsfunktion abstellt, praktisch keine eindeutige Abgrenzung. Mangels Konsensbildung finden sich in entsprechenden Abhandlungen statt einer allgemeingültigen Definition oftmals Systematisierungen bzw. Enumerationen der jeweils als Finanzinnovation betrachteten Instrumente. So verwendet etwa die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich eine funktionale (allerdings nicht überschneidungsfreie) Untergliederung in risiko- übertragende, liquiditätserweiternde, fremdkapitalerzeugende oder eigenkapitalerzeugende Innovationen. Anderenorts werden z.B. einzeln aufgelistete Instrumente zeitlich bestimmten Generationen zugeordnet. In den 80er Jahren war weltweit eine Welle von Finanzinnovationen zu beobachten. Als Ursachen sind wirtschaftliche, rechtliche sowie technische Rahmenbedingungen zu nennen: a) Ausgeprägte Zins- und Wechselkursschwankungen als Motiv für Risikoabsicherungsinnovationen (Finanzderivate z.B. Optionen, Futures oder Finanzswaps), die jedoch in Abhängigkeit von der individuellen Ausgangslage auch spekulativ eingesetzt werden mit dem Ziel, die Volatilität ertragbringend zu nutzen, z.B. auch in Form nackter Optionsscheine. b) Verschuldungskrise der - Entwicklungsländer, die insbes. Banken veranlaßte, traditionelle Kreditvergaben durch fungiblere Instrumente (z.B. TransferableLoan-Instruments, Debt-Equity-Swaps, Anleihevarianten) zu ersetzen. c) Umkehr der Leistungsbilanzsalden, wobei sich die Überschüsse mit dem 01preisverfall von den OPEC-Ländern zu westlichen Industrienationen (insbes. Japan) verlagerten. Die dort vorherrschende Präferenz für verbriefte Anlageformen förderte den Trend zur securitization. d) Bankaufsichtsrechtliche Restriktionen (v.a. verschärfte Eigenkapitalanforderungen) induzierten zwangsläufig Innovationen. der Banken, die entweder Eigenkapital erzeugten (Eigenkapitalsurrogate, z.B. Genußscheine, Ewige Anleihen) oder die Eigenkapitalbindung schonten (Trend zu bilanzunwirksamen Geschäften, z.B. Euronote-Fazilitäten). e) Deregulierungen bzw. Liberalisierungen verschiedener Finanzmärkte eröffneten Freiräume, die ebenfalls innovationsfördemd wirkten. Exemplarisch sei hier die zum 1.5.1985 vollzogene sog. »Restliberalisierung des deutschen Kapitalmarktes« angeführt, mit der für den DM-Bereich neue Produkte (Zerobonds, Zinsvariable Anleihen, Doppelwährungsanleihen und Anleihen in Verbindung mit Swap-Transaktionen) zugelassen wurden. DM-Depositenzertifikate (CD) wurden erst im Dezember 1985 genehmigt und nach Änderungen im Mindestreservesystem per 1.5.1986 zugelassen. Seit 1994 sind in Deutschland Geldmarktfonds erlaubt. f) Fortschritte in der Information- und Kommunikationstechnik erleichterten das Erkennen und Nutzen weltweiter Arbitragepotentiale (Globalisierung), die wiederum ein Entstehungsmotiv für Finanz-swaps darstellen. Mit der Entwicklung neuer Finanzprodukte sind z.T. fließende Übergänge zwischen vormals exakt abgegrenzten Finanzmärkten entstanden. So verschwimmen z.B. bei Genußscheinen je nach deren Ausgestaltung Eigen- und Fremdkapitalmerkmale, während Euronotes Elemente des Geld- und des Kreditmarktes in sich vereinen. Die Entstehung solcher hybrider Finanzierungsinstrumente verwischt nicht nur Marktgrenzen, sondern signalisiert zugleich eine gewisse Austauschbarkeit von Finanzprodukten und stellt damit die Abgrenzung und Quantifizierung der - Geldmenge in Frage. Geldpolitische Implikationen der Entwicklung von Finanzinnovationen bestehen somit zum einen in der Gefahr, dass Substitutionseffekte neuer Finanzprodukte (z.B. zwischen CD und Sichteinlagen oder Termineinlagen) den Zusammenhang einmal definierter Geldmengenabgrenzungen zu monetären Zielgrößen destabilisieren. Des weiteren werden Auswirkungen von Finanzinnovationen auf die Zinselastizität der Geldnachfrage vermutet. Die Wirkungsweise der Geldpolitik ist schließlich auch betroffen, sofern der monetäre Transmissionsmechanismus beeinflußt wird. So besteht die Gefahr, dass der für zinsabhängige Investitionen angestrebte Bremseffekt einer Hochzinspolitik durch zinsvariable Verschuldungsformen gemindert wird, da die Bedeutung der jeweiligen Zinshöhe mit abnehmender Zinsbindungsdauer sinkt. Neben der Investitionstätigkeit der Nichtbanken wird auch das Kreditangebot der Banken von einer sinkenden Zinselastizität betroffen Finanzderivate (z.B. Futures, Optionen) können spezifische und vielfältige gesamtwirtschaftliche Nebenwirkungen haben, z.B. auf die Stabilität der Finanzmärkte, die Effizienz der Geldpolitik und die Wechselkursbildung. Aus einzelwirtschaftlicher Sicht verbessern die Innovationen einerseits die Möglichkeiten des individuellen Finanz- und Risikomanagements; Kehrseite der Innovationsvielfalt ist andererseits eine verbreitete Intransparenz. Während einige Produkte nach Abklingen der ersten Innovationseuphorie nur eine kurze Lebensdauer aufweisen, zeichnen sich andere durch Nachhaltigkeit und z.T. eindrucksvolle Zuwachsraten aus, darunter insbes. die Finanzderivate, die in standardisierter Form an Terminbörsen gehandelt werden. Literatur: Gowland, D.H. (1991). Burger, K.M. (1989). Christians, F.W. (1988). Gutowski, A. (1988). Deutsche Bundesbank, Geldpolitische Implikationen der zunehmenden Verwendung derivativer Finanzinstrumente, Monatsbericht der Deutschen Bundesbank, November 1994



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