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über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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ökonomisches Bankeigenkapital

Eigenkapital, das von einer Bank selbst als notwendig erachtet wird bzw. auf Grund eines umsichtigen Risikomanagements als notwendig angesehen werden sollte (bankinterne Eigenkapitalanforderung). Basiert ebenso wie das regulatorische Eigenkapital auf vor allem 3 wesentlichen Aspekten: Definition des Eigenkapitals bzw. der Eigenmittel, Quantifizierung des Risikos anhand einer Risikokennzahl, Verhältnis zwischen Eigenmitteln und Risikokennzahl. Banken sehen sich durch Wettbewerbsdruck bei gleichzeitig sinkenden Margen gezwungen, die knappe Ressource Eigenkapital in ihrer Geschäftssteuerung effizient und risikogerecht den verschiedenen Geschäftsbereichen zuzuweisen. Dies erfordert vor allem eine umfassende und auf modernen mathematischen Methoden beruhende Evaluierung der klassischen Bankrisiken, also Kredit-, Markt-, Liqui-ditäts-, operationelles Risiko. Hierbei stellen die unerwarteten Verluste das eigentliche Risiko für die Bank dar, während die erwarteten Verluste i. d. R. in den Vertragskonditionen mit den Kunden bereits berücksichtigt sind (z.B. durch entspr. Margen im Kreditgeschäft). Für die unerwarteten Verluste müssen Eigenkapitalpuffer gebildet werden, deren Höhe sich nach der Risikoneigung des Instituts richtet. Der erwartete Verlust wird theoretisch über den mathematischen Erwartungswert der Verlustverteilung definiert, wobei der unerwartete Verlust sich aus der Differenz zwischen dem zukünftigen (unsicheren) und dem erwarteten Verlust ergibt. Üblicherw. wird der unerwartete Verlust mit Hilfe des Value at Risk eines Kreditportfolios oder der Standardabweichung der Verlustverteilung beziffert. Wesentlicher Faktor bei der Bestimmung des ökonomischen Kapitals ist das Ausfallrisiko des Kreditnehmers. Die unterschiedlichen Methoden, mit denen Banken die Ausfallwahrscheinlichkeiten ihrer Kreditnehmer prognostizieren, lassen sich den Kategorien Expertensysteme, statistische, finanztheoretische Modelle zuordnen. Expertensysteme bewerten das betr. Kreditnehmerunternehmen hauptsächl. auf Grund von Erfahrungswissen. Zu den relevanten Informationen zählen vor allem Qualität der Unternehmensführung, Kapitalstruktur des Unternehmens, seine Ertragsaussichten und -Volatilität sowie Qualität seiner Sicherheiten. Durch den Bewer-tungsprozess wird dem Unternehmen eine Bonitätskennziffer zugewiesen. Ausfall- und Übergangswahrscheinlichkeiten (Übergangs- bzw. Migrationswahrscheinlichkeit ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kreditnehmer von einer bestimmten Bonitätsklasse in eine andere wechseit) werden auf Grund historischer Ausfallraten gewonnen. Statistische Modelle bestimmen das Ausfallrisiko unter Verwendung ökonometrischer Methoden, wobei hauptsächl. Bilanz- und Branchenkennziffern als erklärende Variablen verwendet werden. Man unterscheidet mind. 4 Ansätze: lineare Wahrscheinlichkeits-, Logit-, Probitmodelle, Diskriminanzanalysen. Am weitesten verbreitet ist die Diskriminanzanalyse, bei der diejenige lineare Funktion in Bilanzkennzahlen und Marktvariablen bestimmt wird, die am besten zwischen Ausfall und Nicht-ausfall der Unternehmen unterscheidet. Nachteil der statistischen Modelle ist, dass sie hauptsächlich auf Buchwerten der Unternehmen beruhen, die die tatsächliche Situation des Unternehmens häufig nur unvollständig erfassen. Finanztheoretische Modelle gründen auf Finanztheorien, quantitativen Theorien des Ausfallrisikos der Unternehmen. Ein Teil der klassischen Kreditrisikomodelle betrachtet das Eigenkapital einer Unternehmung als Calloption auf das Firmenvermögen. Die Firma wird demnach insolvent, wenn der Marktwert des Vermögens unter den Wert der Fremdverbindlichkeiten fällt. Nach dem Optionsbewertungsansatz hängt die Ausfallwahrscheinlichkeit des Unternehmens vom Verhältnis der Verbindlichkeiten zum Vermögen sowie von der Volatilität des Vermögens ab. Für börsennotierte Unternehmen können beide Parameter implizit aus dem Aktienkurs geschlossen werden, vorausgesetzt, dieser stellt einen guten Indikator für den Unternehmenswert dar; für nicht börsennotierte Unternehmen wird dagegen auf Proxyvariablen zurückgegriffen (z.B. EBITDA). Eine andere Vorgehensweise ermittelt die Ausfallwahrscheinlichkeiten aus den Renditespreads von Unternehmensanleihen. Hierbei werden aus risikolosen sowie aus risikobehafteten Anleihen implizite Forwardrates ermittelt, aus denen die Risikoprämien für den Forderungsausfall laufzeitabhängig abgeleitet werden können. Zudem erfolgt die Ermittlung des ökonomischen Eigenkapitals auf Grund von Portfoliotheorien. Ausgehend von den Ausfallwahrscheinlichkeiten der einzelnen Kreditnehmer muss eine Bank ihr notwendiges ökonomisches Eigenkapital für ihr Kreditportfolio als Ganzes bestimmen. Die traditionellen Ansätze zur Steuerung des Kreditrisikos auf Portfolioebene beruhen vielfach auf einer subjektiven Analyse der Kreditnehmer und der allgemeinen Risikolage eines Sektors oder eines Landes sowie eines Limitsystems, das den Kreditrahmen für einzelne Kreditnehmer und die übergeordneten Sektoren festlegt. In den letzten Jahren sind erhebliche Fortschritte bei der Messung des Ausfallrisikos sowie bei der Konstruktion, der Kalibrierung und der Implementierung von Kreditrisikomodellen zu verzeichnen, auf finanzmathematischen Portfoliotheorien basierend. Ein Teil der Kreditrisikomodelle basiert auf einem versicherungsmathematischen Ansatz, bei dem nur erfasst wird, ob ein Schuldner ausfällt (Defaultmode), jedoch nicht, wie sich seine Bonität im Zeitablauf ändert. Die Ausfallwahrscheinlichkeiten werden als bekannt vorausgesetzt. Unter gewissen wahrscheinlichkeitstheoretischen Annahmen wird eine Verlustverteilung abgeleitet, aus der dann das notwendige ökonomische Kapital berechnet werden kann. Andere Modelle basieren auf Ratingdaten. Dabei wird nicht nur der Ausfall eines Schuldners modelliert, sondern auch die Möglichkeit einer Bonitätsverbesserung oder -Verschlechterung. Die Verlustverteilung des Kreditportfolios wird meist mittels numerischer Simulation berechnet. Der wesentliche Input sind Migrationsmatrizen, die die Wahrscheinlichkeit des Übergangs eines Kreditnehmers von einer Bonitätsklasse in eine andere liefern.



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