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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Lean-Marketing

Bedingt durch die beachtlichen Erfolge vor allem japanischer Unternehmen und durch die rezessive Wirtschaftslage Anfang der 90er Jahre sind Lean-Konzepte zunehmend zum Gegenstand der Diskussion in Wissenschaft und Praxis geworden. Beeindruckt von der Kundennähe, der Flexibilität, der hohen Qualität und den niedrigen Kosten in der Produktion, die mit der konsequenten Umsetzung der sog. „schlanken“ Konzepte einhergehen, gewinnen in den westlichen Industrieländern Lean-Konzepte zunehmend an Attraktivität. Dabei wird häufig die Umsetzung von Lean-Konzepten mit einem straffen Kostenmanagement gleichgesetzt. Diese verkürzte Sichtweise liegt sicherlich darin begründet, dass in Zeiten schwacher Konjunktur das Management von Unternehmen sich vielfach dazu gezwungen sieht, nach kurzfristig erfolgswirksamen Lösungen zu suchen. Der aktuelle Wettbewerbs- und Kostendruck, der auf den Unternehmen lastet, und die Erkenntnis, dass jahrzehntelang erfolgreiche Unternehmensstrukturen und Verhaltensweisen den Anforderungen des internationalen Wettbewerbs nicht mehr entsprechen, unterstreichen die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit der Philosophie und den Prinzipien von Lean-Konzepten. Gerade für Unternehmen, die die Philosophie einer marktorientierten Unternehmensführung vertreten, stellt das erst seit kurzem in den Mittelpunkt der Diskussion geratene Konzept des „Lean-Marketing“ eine Aufforderung dar, die bestehenden Marketingstrukturen im Unternehmen zu hinterfragen. In diesem Zusammenhang bleibt aber zunächst festzuhalten, dass eine Vielzahl der Bausteine, die der Lean-Philosophie zugrunde liegen, in ihren Kernelementen weder neu, noch japanischen Ursprungs sind. So wurde bspw. das Kaizen-Prinzip Ausdruck der Suche nach Optimierungspotentialen zur ständigen Verbesserung des Produktionsprozesses - bereits von Henry Ford als ein wesentliches Erfolgspotential in der Automobilindustrie postuliert. Auch Elemente wie Teamarbeit und Qualitätszirkel sind bereits länger bekannt und durchaus westlichen Ursprungs. Neu dagegen sind die integrierte Betrachtungsweise der Prinzipien und Methoden sowie sichtbare Bestrebungen zur konsequenten Umsetzung der Lean-Konzepte in den Unternehmen ( 14). Neben den „etablierten“ Konzepten wie z. B. Lean Management, Lean Production und Lean Organization existiert mittlerweile eine Vielzahl weiterer Ansätze, die sich mit Teilaspekten des Marketing-Managementprozesses auseinandersetzen. So werden die Aspekte Lean Communications, Lean Selling, Lean Administration oder Lean Banking intensiv diskutiert. Diese Liste ließe sich noch um eine Reihe weiterer Ansätze ergänzen. Damit wird aber unmittelbar deutlich, dass den Fragen nachzugehen ist, welche zentralen Kernelemente in der Lean-Diskus-sion zu identifizieren sind sowie ob und inwieweit diese das bisherige Marketingverständnis beeinflussen. Lean-Konzepte sind primär das Ergebnis unternehmenspraktischer Entwicklungen. Dabei wird eine Vielzahl von z. T inhaltlich nur gering verbundenen Kennzeichen und Handlungsmustern unter dem Begriff „Lean“ subsumiert: Vermeidung von Verschwendung, Beschränkung auf Kernaktivitäten, Kundenorientierung, Prozeß- bzw. Aktivitätenorientierung, Komplexitätsreduktion der Organisation und der technischen Prozesse, Simultaneous Engineering u.v.m. Darüber hinaus werden im Zusammenhang mit der Lean-Diskussion auch Konzepte wie Outsourcing, Gemeinkostenwertanalyse, Geschäftsprozeßoptimierung, Kanban oder just-in-time-Konzepte aufgegriffen. Dieser Umstand erschwert auch die Abgrenzung der Lean-Konzepte von anderen Unternehmensführungskonzepten, wie Total Qua-lity Management oder Time-based Management, die ebenfalls die aktuelle Diskussion prägen. Aus der Vielzahl von Merkmalen, die im Zusammenhang mit der Lean-Diskussion angeführt werden, lassen sich die folgenden Aspekte als zentrale Kernelemente des Lean-Marketing herausfiltern: Ganzheitliche Sichtweise und Prozeßorientierung, Kundenorientierung und Zuliefererintegration, Mitarbeiterorientierung und Konzentration auf die eigenen Kernkompetenzen. Häufig stellen Unternehmen Einzelpläne zur Steuerung ihres operativen Geschäfts auf und lassen eine eindeutige strategische Ausrichtung vermissen. Ziel des Lean-Marketing ist es, ganzheitliche strategische Konzepte zu erstellen bzw. diese wiederzuent-decken. Nicht die Erreichung einer einzelnen Erfolgsposition im Wettbewerb steht dabei im Vordergrund, sondern die simultane Erzielung von mehrdimensionalen Wettbewerbsvorteilen. Die bisherige Überzeugung vor allem deutscher Unternehmen, dass sie die Qualitätsführerschaft verfolgen, wohingegen die japanischen Wettbewerber die Kostenführerschaft anstreben, wird heute durch die Tatsache entkräftet, dass japanische Unternehmen in vielen Bereichen, wie z. B. der Mikroelektronik, sowohl die Qualitäts- als auch die Kostenführerschaft übernommen haben. Das bisher als Spannungsfeld gesehene Verhältnis der Erfolgsdimensionen Kosten, Qualität und Zeit scheint damit aus Sicht der Lean-Diskussion aufgehoben zu sein. Vielmehr werden diese Zielgrößen als komplementäre Bestandteile eines Gesamt-Konzepts gesehen. Ansätze wie der des Time-Cost-Quality-Leadership zeugen davon. Das Streben nach mehrdimensionalen Wettbewerbsvorteilen, das allerdings bereits im Outpacing-Ansatz von Gilbert und Stre-bel diskutiert wurde, orientiert sich an der Zufriedenheit der Kunden als oberster Verhaltensmaxime. In diesem Zusammenhang wird häufig auf die zunehmende Bedeutung der Kundenbindung hingewiesen und eine an den zentralen Nutzendimensionen des Produkts sowie an den hierfür notwendigen Kernkompetenzen ausgerichtete Unternehmenspolitik gefordert. Die Konzentration auf Kernkompetenzen läßt eine zunehmende Fokussierung der Manager auf Überlegungen zum Out-sourcing im operativen Bereich erkennen. Solche „Make-or-Buy“-Entscheidungen können jedoch immer nur situationsspezifisch getroffen werden und beinhalten grundsätzlich die Gefahr, dass sich Unternehmen in die Abhängigkeit von externen Lieferanten und Dienstleistern begeben. Durch den Abfluß von Know-how sowie einen höheren Koordinations- und Kontrollaufwand bzgl. der Zulieferer kann sich das Streben nach „Schlankheit“ im Unternehmen sogar kontraproduktiv auswirken. Neben dem Outsourcing bieten sich aber auch innerhalb der Unternehmen heute zahlreiche Möglichkeiten zur Umsetzung des Lean-Marketing. So sind vielfach eine ausufernde Produktvielfalt, sehr lange Entwicklungszeiten und hohe F & E-Kosten zu beobachten. Beispielhaft sei hier die Automobilindustrie angeführt, in der bei einzelnen Herstellern die Kosten, die ursächlich auf die Sortimentskomplexität zurückzuführen sind, bis zu 20 % der Gesamtkosten ausmachen. Durch die Konzentration auf Kernkunden sowie deren Bedürfnisse und daraus folgend auf ein Kernsortiment kann den genannten Tendenzen entgegengewirkt werden. Damit wird vor allem der Tatsache Rechnung getragen, dass nur eine langfristige Bindung der Kunden an das Unternehmen die effiziente Ausschöpfung ihres „Ertragspotentials“ ermöglicht. Vor allem in der Distributionspolitik ist dem Gedanken des „wertvollen Kunden“ im Rahmen eines potentialgesteuerten Key-Account-Management besondere Bedeutung beizumessen. Für den Bereich der Logistik wird im Rahmen der Lean-Marketing-Dis-kussion vermehrt der Einsatz von flexibel gestalteten Transportsystemen von Systemdienstleistern gefordert, die in der Lage sind, just-in-time-Konzepte selbständig zu steuern. Ziel des Lean-Mar-keting ist auch hierbei, die Kundenbindung über verbesserten Service, verkürzte Lieferzeiten, Zuverlässigkeit sowie Flexibilität zu erhöhen. Für die erfolgreiche Umsetzung des Lean-Marketing werden darüber hinaus auch Veränderungen in den Unternehmensstrukturen, -Systemen und der -kultur gefordert. Die Dezentralisierung von Entscheidungskompetenzen, insgesamt flachere Hierarchien, ein effizientes Prozeß- und Schnittstellenmanagement sowie die Behandlung der Mitarbeiter wie „interne Kunden“ sind dabei nur einige der häufig gestellten Anforderungen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Lean-Marketing kein generell neues Marketing-Verständnis darstellt. Vielmehr zeigt es Ansatzpunkte auf, in welche Richtung die bereits bekannten Konzepte in den Unternehmen weiterentwickelt werden müssen. Das Konzept des Lean-Marketing läßt dabei die Notwendigkeit deutlich werden, kontinuierlich und kritisch die eingesetzten Verfahren auf Optimierungspotentiale hin zu überprüfen. In diesem Zusammenhang sei noch einmal darauf hingewiesen, dass Lean-Marketing nicht als bloße Abmagerungskur gesehen werden sollte, die u. U. alle Kräfte für den Wettbewerb rauben kann. Vielmehr zeigt Lean-Marketing Wege zu mehr „Fitness“ auf, um im Wettbewerb besser bestehen zu können.



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