Behandlungsfehler
In der Gesundheitswirtschaft:
Verletzung der nach den jeweiligen Erkenntnissen der Medizin und den objektiven Umständen erforderlichen ärztlichen bzw. zahnärztlichen Sorgfalt bei Aufklärung, Untersuchung oder Behandlung von Patienten. Auch die Unterlassung von bei Anwendung der ärztlichen/zahnärztlichen Sorgfalt eigentlich erforderlich gewesener Aktivität kann einen Behandlungsfehler darstellen, ebenso die Durchführung von Diagnose und/oder Behandlung, ohne dass diese bei Anwendung der ärztlichen/zahnärztlichen Sorgfalt erforderlich gewesen wären.
Als Synonym für den Begriff Behandlungsfehler wird häufig auch der Begriff Kunstfehler benutzt. Dabei wird unterstellt, dass es sich bei der ärztlichen Tätigkeit um eine Kunst handelt (ärztliche Kunst) und bei deren Anwendung ein Fehler unterlaufen ist.
§ 21 der vom Deutschen Ärztetag beschlossenen Muster-Berufsordnung für Ärzte schreibt vor, dass Ärztinnen und Ärzte dazu verpflichtet sind, sich ausreichend gegen Haftpflichtansprüche im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit zu versichern.
Bei den Ärztekammern sind Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen eingerichtet, die bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Arzt und Patient zu klären versuchen, ob aufgetretene gesundheitliche Komplikationen auf einen ärztlichen Behandlungsfehler zurückzuführen sind und möglicherweise zu einer Haftung des behandelnden Arztes führen. Ziel dieser Einrichtungen ist die außergerichtliche Einigung zwischen Arzt und Patient. Das Verfahren vor den Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen ist durch Verfahrensordnungen bzw. Statuten oder Vereinbarungen geregelt und für die Beteiligten gebührenfrei. Die Entscheidungen der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen haben nur Empfehlungscharakter; Patient und/oder Arzt können trotz Tätigwerden der Schlichtungsstelle oder der Gutachterkommission den ordentlichen Rechtsweg beschreiten.
Nach Informationen der Bundesärztekammer sind Schlichtungsstellen gemeinsam für die norddeutschen Ärztekammern (Schlichtungsstelle der Norddeutschen Ärztekammern; hier sind die Ärztekammern Land Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen angeschlossen) sowie bei der Bayerischen und Sächsischen Landesärztekammer eingerichtet. Hier wird im Einvernehmen mit den Beteiligten (Patient, Arzt/Krankenhaus) und der Haftpflichtversicherung des Arztes eine Aufklärung des Sachverhaltes versucht. Danach gibt die Schlichtungsstelle einen Vorschlag zur Beilegung der Streitigkeiten ab. Der Schlichtungsstelle gehören als Mitglieder ein Arzt als Vorsitzender und ein Jurist mit Befähigung zum Richteramt sowie weitere ärztliche Mitglieder an.
Gutachterkommissionen sind bei der Landesärztekammer Baden-Württemberg, der Landesärztekammer des Saarlandes sowie bei der Landesärztekammer Westfalen-Lippe eingerichtet; außerdem gibt es Gutachter- und Schlichtungsstellen bei der Landesärztekammer Hessen und der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz. Sie erstellen ein schriftliches Gutachten zu der Frage, ob ein dem Arzt vorwerfbarer Behandlungsfehler festgestellt werden kann, durch den der Patient einen Gesundheitsschaden erlitten hat bzw. erleiden wird. Die Gutachterkommissionen entscheiden in der Besetzung mit einem Mitglied, das die Befähigung zum Richteramt haben muss (Vorsitzender) und in der Regel mit zwei ärztlichen Mitgliedern, von denen mindestens ein ärztliches Mitglied in dem gleichen Gebiet tätig ist wie der betroffene Arzt.
Im Sozialgesetzbuch ist den Krankenkassen mit dem GKV-Reformgesetz 2000 ermöglicht worden, ihre Versicherten bei Behandlungsfehlern zu unterstützen. In § 66 SGB V heißt es dazu wörtlich:
Die Krankenkassen können die Versicherten bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen, die bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern entstanden sind und nicht nach § 116 des Zehnten Buches auf die Krankenkassen übergehen, unterstützen.
In der Gesundheitswirtschaft: medical malpractice
Unter dem Begriff Behandlungsfehler werden verschiedene Formen ärztlichen Fehlverhaltens zusammengefasst. Ein behandlungsfehler liegt vor, wenn ein (Zahn)Arzt oder ein Krankenhausträger seine Aufklärungspflicht verletzt. Er kann im Unterlassen liegen, wenn ein Eingriff geboten gewesen wäre, oder wenn der Arzt einen Eingriff vornimmt, der medizinisch nicht notwendig (indiziert) ist oder der Eingriff nicht "lege artis" erfolgt, also nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst vorgenommen wird. Bei der letzten Fallgruppe unterscheidet man je nach den Stufen der Behandlung Diagnose-, Indikations-, Therapie- und Nachsorgefehler sowie Fehler bei der Verordnung von Arzneimitteln, beim Einsatz medizinisch-technischer Geräte und die Nichtbehandlung. Um Schadensersatzansprüche durchzusetzen, können Patienten zunächst außergerichtlich und kostenfrei die Schlichtungsstellen der Ärztekammern anrufen. Hier wie im Klageverfahren vor den zuständigen Zivilgerichten gilt, dass grundsätzlich die Patienten den Behandlungsfehler, dessen Kausalität für den Schaden und das Verschulden des Arztes beweisen müssen.
Allerdings hat die Rechtsprechung angesichts der Nachweisprobleme Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr eingeführt, so z.Behandlungsfehler bei grob fehlerhaftem ärztlichen Handeln, bei Verstößen gegen Dokumentationspflichten sowie bei Klagen aufgrund von Aufklärungspflichtverletzungen. Ergänzend ist das Zivilgericht im Arzthaftungsprozess von Amts wegen verpflichtet, den Sachverhalt aufzuklären. Durch diesen so genannten Untersuchungsgrundsatz soll das Wissens- und Informationsgefälle zwischen Arzt und Patient minimiert werden.
Krankenkassen können seit der GKV-Gesundheitsreform 2000 nach eigenem Ermessen Versicherte bei Behandlungsfehlern unterstützen, um deren Patientenrechte durchzusetzen. Die Spitzenverbände der Krankenkassen haben hierfür eine bundesweite Zusammenarbeit mit dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung, insbesondere durch medizinische Gutachten, vereinbart. Sofern die Krankenkasse selber Leistungen erbracht hat, gehen Ersatzansprüche der Versicherten teilweise auf sie über (Regress).
Mit dem GKV-Modernisierungsgesetz hat jeder Patientdas Recht auf eine Patientenquittung erhalten, auf der alle Behandlungsschritte dokumentiert werden. Dies soll dazu beitragen, Behandlungsfehler zu vermeiden. Patienten können sich zur weiteren Information auch an die Patientenbeauftragte der Bundesregierung wenden.
§ 66 SGB V
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