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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Aktienmarketing

Eine geringe Eigenkapitalausstattung und die dynamische Entwicklung der Eigenkapitalquoten stellen seit geraumer Zeit für eine Vielzahl bundesdeutscher Unternehmen eine besondere Herausforderung dar. Dennoch wurden in der Praxis kaum Überlegungen angestellt, wie die Marktwiderstände im Finanzmittelbeschaffungsbereich durch einen Transfer des Marketing-Gedankens auf den Finanz- und Aktienbereich überwunden werden können. Der Finanzbereich wurde vor allem zur Erfüllung der zwingend notwendigen Nebenbedingungen einer ausreichenden Kapitalversorgung angesehen. Die Sichtweise, dass im Rahmen der Finanzmittelbeschaffung zum Beispiel durch Aktienemission auch eine Geldanlagemöglichkeit angeboten wird, die den Bedürfnissen der Nachfrager entsprechend ausgestaltet werden kann, wurde lange Zeit vernachlässigt. Erst in jüngster Zeit erkennen Publikumsgesellschaften die Notwendigkeit, den Engpässen bei der Finanzmittelbeschaffung über Aktien durch ein entsprechendes Marketing zu begegnen. Diese Entwicklung äußert sich z. B. in zunehmenden Gründungen von Investor-Relations-Abteilungen zur Pflege der Beziehungen zu Aktionären und in der wachsenden Zahl von Unternehmenspräsentationen für Aktionäre, Wertpapieranalysten und Finanzjournalisten. Entsprechende Konzepte sowohl des Finanz- als auch des Aktienmarketing sind derzeit jedoch erst in Ansätzen erkennbar. Das Konzept des Aktienmarketing als Teilgebiet des umfassenderen Finanzmarketing basiert dabei auf dem Grundgedanken, durch die systematische und integrierte Ausrichtung aller aktienmarktorientierten betrieblichen Aktivitäten an den gegenwärtigen und zukünftigen Widerständen auf den Aktienmärkten einen Beitrag zur Erreichung der Gesamtziele von Publikumsgesellschaften zu leisten. . Das Aktienmarketing erschöpft sich dabei nicht in der Gestaltung der Investor Relations. Während Investor Relations i. e. S. nur als kapitalgeberbezogener Teil der Public Relations verstanden wird, das auf die Gestaltung der Beziehung zwischen der Unternehmung und einer nach Gruppen gegliederten Öffentlichkeit abstellt, zielt das Aktienmarketing auf die Beziehungspflege durch den Einsatz aller aktienmarktorientierten Marketing-Instrumente ab. Um langfristig Vertrauen und Verständnis bei den Anlegern und der übrigen Finanzwelt zu gewinnen und auszubauen, muß sich das Aktienmarketing-Management mit der gezielten Entwicklung einer aktienmarktorientierten Marketing-Konzeption auseinandersetzen. Aufbauend auf einer Analyse der Umweltbedingungen sind die Ziele des Aktienmarketing festzulegen. Als generelles Oberziel des Aktienmarketing ist die Annäherung an einen langfristig maximalen Aktienkurs zu nennen. Hierzu soll insbesondere die Beeinflussung der Aktionärsstruktur beitragen. Dieses Oberziel ist Mittel für die Realisierung einer optimalen Gesamtfinanzierungspolitik der Unternehmung, die eine sichere und kostengünstigere Finanzmittelbeschaffung gewährleistet. Ferner lassen sich aus dem Oberziel Instrumentalziele ableiten. Beispielsweise umfassen die kommunikationspolitischen Sub-ziele des Aktienmarketing die Erhöhung des Bekanntheitsgra-des sowie die Interessen- und Vertrauensgewinnung in der Finanzöffentlichkeit. Aufbauend auf der Entwicklung eines solchen Zielsystems des Aktienmarketing sind strategische Basis-Entscheidungen sowie marktteilnehmerbezogene Strategien festzulegen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Phase der Börseneinführung den Beginn des Aktienmarketing darstellt. In dieser Phase herrscht sowohl hinsichtlich des strategischen Handlungsrahmens als auch in bezug auf den Einsatz der absatzpolitischen Instrumente weitestgehende Entscheidungsfreiheit. Die gewählten Start-Strategien determinieren jedoch bereits alle nach der Börseneinführung im Lebenszyklus der Publikumsgesellschaft erfolgenden Entscheidungen. Der zentrale Gestaltungsbereich des Aktienmarketing ist die aktienspezifische Gestaltung des Marketing-Mix. Bei der Ableitung von Gestaltungsmöglichkeiten der Aktie ist zu beachten, dass die Aktie als eine Mitgliedschaft in einer AG verstanden wird, mit der für den Aktionär die Gesamtheit von Rechten und Pflichten aus der Übernahme eines Anteils am Grundkapital verbunden ist. Daher ist ein wesentlicher Bestandteil der Produktpolitik die Festlegung der Aktionärsrechte. Nach der Börseneinführung gilt es, auf den Sekundärmärkten eine möglichst offensive Sekundärmarktpflege durchzuführen. In diesem Zusammenhang steht den Publikumsgesellschaften als produktpolitische Maßnahme aufgrund von Gleichbehandlungsgrundsätzen nur die vollständige Variation der dargestellten Produkteigenschaften zur Verfügung. In der Praxis von besonderer Bedeutung sind dabei die nachträgliche Einführung von Stimmrechtsbeschränkungen, die Ausgabe von Berichtigungsaktien oder Aktiensplits. Preispolitische Entscheidungen im Rahmen des Aktienmarketing betreffen die Festlegung des Emissionskurses bei der Börseneinführung und die Festlegung von Bezugsrechten bei nachfolgenden Kapitalerhöhungen. Bei der Entscheidung über den Emissionskurs dominiert in der Praxis die Underpricing-Strategie als aktienspezifische Form einer Penetrationsstrategie. Ziel ist es dabei, durch die Einräumung eines Abschlags auf den ermittelten Gleichgewichtskurs den Aufbau eines „Emissionsstanding“ zu unterstützen. Hierdurch kann eine zu geringe „Kursphantasie“, die z. T. zu Schwierigkeiten bei nachfolgenden Plazierungen führt, vermieden werden. Im Rahmen der Distributionspolitik sind Entscheidungen über die Absatzkanäle (Selbstemission, Fremdemission) zu treffen. Bei der Fremdemission kommt der Auswahl des Konsorti-alführers ein hoher Stellenwert zu. Ferner ist die Zuteilungspolitik festzulegen, wobei darauf zu achten ist, dass eine gezielte Zuteilung an die präferierten Aktionärsgruppen erfolgt. Die bisher dargestellten Ansatzpunkte der Produkt-, Preis-und Distributionspolitik bilden den finanzpolitischen Kern des Instrumentaleinsatzes. Für ein erfolgreiches Aktienmarketing besteht jedoch die Notwendigkeit, vorbereitende, begleitende und nachbereitende Kommunikationsaktivitäten im Sinne einer Beziehungspflege durchzuführen. Anderweitig besteht die Gefahr, dass aufgrund eines bestehenden Informationsdefizits die angesetzten Maßnahmen keine oder nicht erwünschte Wirkungen zeigen können. Ziel der Kommunikationspolitik ist es dabei, Aktien im Primär- und Sekundärmarkt zu verkaufen und zur Kursstabilisierung die Aktionäre zum langfristigen Halten der erworbenen Aktien zu bewegen. Als Instrumente stehen die unpersönliche Kommunikation, wie z. B. jährliche Berichterstattung durch Geschäftsberichte und Aktionärsbriefe, und die persönliche Kommunikation, z. B. im Rahmen der Hauptversammlung, zur Verfügung. Die Gestaltung der Finanzkommunikation ist so vorzunehmen, dass diese inhaltlich mit der gesamten Unternehmenskommunikation übereinstimmt. Nur so besteht die Möglichkeit, ein übergreifendes positives Corporate Image zu erzielen. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die dargestellten einzelnen Instrumente einer besonders engen Abstimmung bedürfen. Nur so ist das Oberziel „langfristige Sicherung der Möglichkeit der Kapitalbeschaffung“ und „Erzielung eines langfristig maximalen Aktienkurses“ zu sichern. Hierdurch können letztendlich Wettbewerbsvorteile realisiert werden.



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