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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Wechselkurstheorie

erklärt Stand und Veränderung des Wechselkurses (als Preis einer Währung ausgedrückt in einer anderen). Zwischen Ländern mit Goldstandard besteht eine Wechselkursparität oder Goldparität (= Verhältnis zwischen dem Goldgehalt beider Währungseinheiten), um die der Wechselkurs nur im Ausmass der Goldpunkte schwanken kann. Bei freien Währungen stellt sich die Frage nach den Bestimmungsgründen des Gleichgewichtswechselkurses als jenem Kurs, bei dem Angebot und Nachfrage auf dem Devisenmarkt (ohne Interventionen der Währungsbehörden) übereinstimmen. Unter dem Eindruck freischwankender Kurse in England entwickelten die Klassiker (Henry THORNTON, 1802; John WHEATLY, 1803) die Kaufkraftparitätentheorie, welche als Anwendung der Quantitätstheorie auf den Wechselkurs dessen Veränderungen mit Veränderungen der Kaufkraft des Geldes in den betreffenden Ländern erklärt. Sie wurde von Gustav CASSEL nach dem 1. Weltkrieg erneut formuliert und in Deutschland v.a. von wissenschaftlicher Seite während der Inflationsperiode vertreten. Ihr stand die Zahlungsbilanztheorie der Praktiker gegenüber. Die naive Zahlungsbilanztheorie beschränkt sich auf die Aussage, dass der Wechselkurs von Angebot und Nachfrage auf dem Devisenmarkt oder der Zahlungsbilanz abhängt, ohne deren Bestimmungsgründe aufzuzeigen. Die motivierte Zahlungsbilanztheorie (Karl DIEHL, 1921; Karl HELFFERICH, 1923) behauptet, dass die Zahlungsbilanz vorgegeben und durch verschiedene starre Posten bestimmt ist. Die Passivität der deutschen Zahlungsbilanz und die Wechselkursverschlechterungen nach dem 1. Weltkrieg ergaben sich nach dieser Auffassung v.a. durch einen hohen Einfuhrbedarf an Nahrungsmitteln und Rohstoffen und die Reparationszahlungen. Der hohe Wechselkurs verteuert die Importgüter, woraus allgemeine Preissteigerungen entstehen, die eine Vermehrung der Geldmenge zur Aufrechterhaltung des binnenländischen Zahlungsverkehrs erzwingen. Gegen die motivierte Zahlungsbilanztheorie wurde vorgebracht, dass nur wenige Positionen (z.B. Schuldendienst) invariabel sind. Die Handels- und Dienstleistungsbilanz als wichtigste Posten der Zahlungsbilanz werden von den in- und ausländischen Preisen und dem jeweiligen Wechselkurs bestimmt, zu dem die Umrechnung erfolgt. Die Zahlungsbilanz, die den Wechselkurs erklären soll, ist selbst vom Kurs abhängig. In der Betonung von Veränderungen der inneren Kaufkraft der Währungen als entscheidendem Faktor für Zahlungsbilanz und Wechselkurs liegt die Stärke der Kaufkraftparitätentheorie. Das einseitige Abstellen auf Kaufkraftveränderungen hindert sie jedoch daran, nichtmonetäre Kursveränderungen (z.B. durch internationale Kapitalbewegungen, Einkommensschwankungen oder Änderung der relativen Preise) zu erklären. Nach der unbefriedigenden Erklärung des Wechselkurses durch die Kaufkraftparitäten- und Zahlungsbilanztheorie rückten der Devisenmarkt und die Untersuchung jener Größen, die Devisenangebot und -nachfrage bestimmen, in den Mittelpunkt der modernen Wechselkurstheorie. Dabei wird die Bedeutung der Elastizitäten der mengenmäßigen Importnachfrage und des mengenmäßigen Exportangebots der betreffenden Länder für Devisenangebot und -nachfrage klargelegt (Fritz MACHLUP, 1939/40; Heinrich von STACKELBERG, 1949; Joan ROBINSON, 1947). Außerdem wird der Einfluss der Kapitalbewegungen auf den Wechselkurs herausgestellt. Besonderes Interesse fand die Frage nach einer normalen Reaktion der Leistungsbilanz auf eine Wechselkursänderung, worunter bei einer Abwertung die Verringerung eines Defizits und bei einer Aufwertung die Abnahme eines Überschusses zu verstehen ist. Die Elastizitätsanalyse zeigt, dass eine normale Reaktion der in inländischer Währung ausgedrückten Leistungsbilanz bei Erfüllung der MARSHALL-LERNER-Bedingung eintritt. Die als »Elastizitätspessimismus« bezeichnete Vermutung, dass die Elastizitäten der Importnachfrage sehr niedrig sind und daher eine normale Reaktion der Leistungsbilanz ausbleibt, war Gegenstand einer umfangreichen Diskussion. Die Elastizitätsanalyse berücksichtigt nicht die Veränderung der Leistungsbilanz aufgrund der Einkommenseffekte einer Abwertung. Diese Fragestellung ist Gegenstand der Absorptionstheorie. In neuerer Zeit hat die auf Robert MUNDELL (1958) und Harry G. JOHNSON (1968) zurückgehende monetäre Wechselkurstheorie starke Aufmerksamkeit gefunden, die den Wechselkurs als grundsätzlich monetäres Phänomen auffaßt und aus einem portfoliotheoretischen Ansatz erklärt. Dabei wird vollkommene Mobilität der internationalen Kapitalbewegungen und vollständige Substitution zwischen in- und ausländischen Finanzaktiva angenommen. Dennoch können internationale Zinsunterschiede im Ausmass einer Abwertungserwartung der eigenen Währung aufrechterhalten werden. Mit dieser Zinsparitätentheorie finden Zukunftserwartungen Eingang in die aktuelle Wechselkurserklärung. Der Wechselkurs zwischen zwei Ländern wird als relativer Preis für das Finanzaktivum Geld verstanden, das auf unterschiedliche Währungen lautet. Nach der monetären Wechselkurstheorie wird dieser Preis durch Angebot und Nachfrage nach Geldbeständen in den betreffenden Ländern bestimmt, wobei stabile Geldangebots-und -nachfragefunktionen mit wenigen Argumentenvariablen unterstellt werden. Ein Gleichgewichtskurs ist erreicht, wenn ein Bestandsgleichgewicht auf den nationalen Geldmärkten vorliegt, die vorhandenen Geldbestände also freiwillig gehalten werden: Ungleichgewichte auf den nationalen Geldmärkten sind ursächlich für Ungleichgewichte auf den Devisenmärkten und Wechselkursbewegungen. Eine Währung wertet ab, wenn in dem betreffenden Land das Geldangebot die Geldnachfrage übersteigt. Wechselkursbewegungen kommen zum Stillstand, wenn die zugrunde liegenden Geldmarktungleichgewichte abgebaut sind. Reale Faktoren wirken sich nur dann auf die Kurshöhe aus, wenn sie das Angebot oder die Nachfrage auf dem Geldmarkt beeinflussen. Dies geschieht über Preis- und Einkommensbewegungen. Da jedoch die Gütermärkte langsamer als der Geldmarkt auf Geldmengenänderungen   reagieren, kommt es nach Rüdiger DORNBUSCH zu einem kurzfristigen Überschießen der Wechselkurse über ihren langfristigen, durch die Kaufkraftparität bestimmten Gleichgewichtswert. Damit ist auch ein Beitrag zur Erklärung der starken Kursausschläge geliefert. Eine Weiterentwicklung stellt die Portfoliotheorie des Wechselkurses dar, in welcher die Annahme einer vollständigen Substituierbarkeit zwischen inländischen und ausländischen Finanzaktiva aufgehoben wird. Da hier z.B. ein Leistungsbilanzäberschuß, der ja gleichbedeutend mit einer Zunahme der Nettoauslandsaktiva ist, die optimale Zusammensetzung des Portfolios stört, werden die Inländer weitere Auslandsaktiva nur zu einem niedrigeren Kurs akzeptieren. Die damit verbundene Aufwertungstendenz der eigenen Währung wirkt auf einen Abbau des Leistungsbilanztiberschusses hin. Unter den Bedingungen fester Wechselkurse befaßt sich die Zahlungsbilanztheorie mit Ursachen und Wirkungen von Salden der Zahlungsbilanz. Literatur: Jarchow, H.-J., Rühmann, P. (1998). Rose, K., Sauemheimer, K. (1999). Gandolfo, G. (1987). Frenkel, J.A., Mussa, M.L. (1985). Dornbusch, R., Krugman, P. (1976)



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