Zahlungsbilanztheorie
untersucht Ursachen von Salden der Zahlungsbilanz, ihre Wirkungen für - Vollbeschäftigung und - Geldwertstabilität und die Effizienz von Maßnahmen zur Erzielung des Zahlungsbilanzgleichgewichts bei - festen Wechselkursen. Bei freien Wechselkursen wird die Zahlungsbilanztheorie zu einer Wechselkurstheorie. Zahlungsbilanztheorien gehen aus von den folgenden ex-post-Identitäten für Zahlungsbilanzsalden im Sinne von Veränderungen der Währungsreserven: a) Veränderung der Währungsreserven = Saldo der - Leistungsbilanz + Saldo der Kapitalbilanz; b) Veränderung der Währungsreserven = Veränderung der Zentralbankgeldmenge - Veränderung der Zentralbankkredite. Zahlungsbilanztheorien erklären die Bestimmungsgrößen von Reserveänderungen mit Funktionsgleichungen. Gleichung a) mündet in die strukturelle Zahlungsbilanztheorie, wonach der Zahlungsbilanzsaldo Ergebnis ist von erklärenden Größen der -, internationalen Kapitalbewegungen (Kosten- und Ertragsüberlegungen unter Berücksichtigung des Risikos) und des internationalen Leistungsverkehrs (Realeinkommen, Preise, Wechselkurse). In der keynesianischen Variante wird eine Reduzierung auf die Leistungsbilanz vorgenommen und die Zahlungsbilanz als Bestandteil der Einnahmen-AusgabenStröme behandelt. Stärkeres Einkommenswachstum eines Landes im Vergleich zum Ausland führt zu einem Leistungsbilanzdefizit, das durch einkommensreduzierende Maßnahmen oder durch eine - Abwertung der Inlandswährung zu beheben ist. Der Elastizitätsansatz vertraut auf Wirkungen von Wechselkursänderungen, wodurch die internationale Preisrelation verändert wird, eine Umlenkung der Nachfrage zugunsten inländischer Güter stattfindet und im Normalfall (-\' MARSHALL-LERNER-Bedingung) das Zahlungsbilanzdefizit abgebaut wird. Bei Neutralisierung der Wirkungen von Devisenbestandsveränderungen auf das - Geldangebot durch die Zentralbank bewirkt die Einkommenssteigerung einen höheren Bedarf an - Transaktionskasse, der Zinserhöhungen auslöst, somit Investitionen bremst, den Einkommensanstieg im Inland und Güterimporte reduziert und einen Zinsanreiz für Kapitalimporte auslöst, wodurch sich die Zahlungsbilanz weiter aktiviert. Abwertungen führen also im Normalfall zu einer Annäherung an das interne und externe Gleichgewicht, wenn in der Ausgangssituation Unterbeschäftigung und Zahlungsbilanzdefizit vorliegen. Besteht dagegen Vollbeschäftigung bei passiver Zahlungsbilanz, so kann externes Gleichgewicht nur durch Zurückdrängen der Absorption (- Absorptionstheorie) erreicht werden. Neben ausgabenumlenkenden (Abwertung) sind ausgabenvermindernde Maßnahmen (Deflationspolitik) in einem geeigneten policy-mix (Instrumente der Wirtschaftspolitik) erforderlich. In der monetären Variante des Absorptionsansatzes (Siegbert J. PRAIS, Ivor F. PEARCE, Murray C. KEMP) bewirkt die von einer Abwertung ausgelöste Preiserhöhung eine Verminderung des Realwerts der Kassenhaltung. Dieser Realvermögenseffekt hat bei unverändertem nominalen Geldangebot eine Verminderung der Absorption zur Folge, so dass neben ausgabeumlenkenden Effekten der Abwertung automatisch ausgabevermindernde Wirkungen erzielt werden, die die Zahlungsbilanz verbessern. Dieser monetäre Automatismus verbindet Gütermarkt und Geldmarkt mit der Zahlungsbilanz. Der Geldmarkt steht im Mittelpunkt der monetären Zahlungsbilanztheorie (insbes. Robert A. MUNDELL, Harry G. JOHNSON, Emil-Maria CLAASSEN). Sie setzt an der Identitätsgleichung b) für die Zahlungsbilanz an. Danach sinken die Währungsreserven, d.h., die Zahlungsbilanz ist passiv, wenn bei unveränderter Zentralbankgeldmenge die Zentralbank ihre Kreditgewährung an Inländer ausweitet. Die Zahlungsbilanz ist danach grundsätzlich ein monetäres Phänomen. Seine Wurzeln hat dieser Ansatz im Geldmengen-Preismechanismus, wie er von David HUME, David RICARDO und John S. MILL für einen Goldstandard beschrieben wurde (Zahlungsbilanzmechanismen). Zahlungsbilanzsalden sind in der monetären Zahlungsbilanztheorie Spiegelbilder von Geldmarktungleichgewichten. Sie verschwinden, wenn das ursächliche Geldmarktungleichgewicht beseitigt wird. Steigt die geplante - Geldnachfrage über das Geldangebot, so hat dies so lange einen Zahlungsbilanzüberschuss zur Folge, somit einen Anstieg der Währungsreserven und der Zentralbankgeldmenge, bis der Geldmarkt wieder im Gleichgewicht ist. Das bedeutet, dass sich bei festen Wechselkursen die Geldnachfrage das für das Gleichgewicht erforderliche Angebot schafft. Im Gegensatz zur keynesianischen Zahlungsbilanztheorie, wonach Einkommenserhöhungen via steigende Importe zu einem Zahlungsbilanzdefizit führen, bewirken in der monetären Zahlungsbilanztheorie steigende Einkommen bei unveränderter Höhe der Zentralbankkredite temporäre Zahlungsbilanzüberschüsse als Folge erhöhter Geldnachfrage. Die Anpassung des effektiven an den gewünschten Geldbestand äußert sich entweder in einem temporären Angebotsüberschuss am Gütermarkt mit der Folge korrespondierender Leistungsbilanzüberschüsse oder/und in einem Ungleichgewicht am Wertpapiermarkt mit der Folge eines temporären Kapitalbilanzungleichgewichts. Voraussetzung für den Wirkungszusammenhang sind eine stabile Funktion der Geldnachfrage und des Geldangebots und die vollständige Anpassung des Zins- und des Preisniveaus im jeweiligen (»kleinen«) Land an das Weltniveau aufgrund der internationalen Güter- und Wertpapierarbitrage bei Vollbeschäftigung. Sind Geldnachfrage oder Geldangebot instabil, d.h., besteht im Zeitverlauf kein fester Zusammenhang zwischen Erklärungsargumenten und der Resultanten, etwa zwischen Zentralbankgeldmenge und Geldangebot, oder existieren über Translokationskosten hinausgehende internationale Differenzen zwischen nationalen Güterpreisen und nationalen Zinssätzen, so wird dem monetären Ansatz jegliche Aussagekraft genommen. Die monetäre Zahlungsbilanztheorie befaßt sich ausschließlich mit langfristigen Aspekten monetärer Einflüsse auf die Zahlungsbilanz. Nichtmonetäre Ursachen werden dadurch nicht ausgeschlossen, sie sind aber nur dann relevant, wenn sie Geldmarktungleichgewichte zur Folge haben. Die Theorie ist komparativ-statisch (Analyse), vernachlässigt daher Übergangsprozesse. Problematisch ist, dass der Mechanismus des internationalen Ausgleichs der Preise und Zinssätze nicht expliziert wird und dass das langfristig automatisch hergestellte Zahlungsbilanz-und Geldmarktgleichgewicht allein von der ex-ante-Übereinstimmung von Beständen bestimmt wird. Wachsende Volkswirtschaften weisen aber stets Bestandsveränderungen auf. Neueste Ansätze zielen deshalb darauf ab, die monetäre Zahlungsbilanztheorie für ein Bestandsstromgleichgewicht zu formulieren. Literatur: Größl- Gschwendtner, I. (1991). Claassen, E.-M. (1978)
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