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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Vollbeschäftigung

1. allgemein die vollständige bzw. »normale« Inanspruchnahme aller Produktionsfaktoren (Arbeitskräfte, Produktionskapazitäten, Kapitalien usw.); siehe auch Beschäftigungsgrad. 2. vollständige Inanspruchnahme der Arbeitskräfte in einer Volkswirtschaft. Da ein bestimmtes Maß an Arbeitslosigkeit immer gegeben ist, wird Vollbeschäftigung nicht nur bei 0% Arbeitslosigkeit angenommen. In den 60er Jahren sah man Vollbeschäftigung bei einer Arbeitslosenquote von 0,8 % als gegeben. Heute wird Vollbeschäftigung in den Zielen der Wirtschaftspolitik unterschiedlich, dem Verlauf der Konjunktur entsprechend zwischen 2 und 3,5 % Arbeitslosenquote angenommen. Vollbeschäftigung ist eines der Hauptziele des Magischen Vierecks. 1. Vollständige, zumindest aber »normale« Inanspruchnahme aller Produktivkräfte einer Volkswirtschaft, so dass das Produktionspotential erreicht wird. 2. Volle Inanspruchnahme des Erwerbspersonenpotentials. Dieses wird auf der Basis von Jahren mutmaßlicher konjunktureller Vollauslastung (in der BRD: 19611965) geschätzt und mit Hilfe von alters-und geschlechtsspezifischen Jahresdurchschnittsquoten der Erwerbsbeteiligung von Inländern sowie mit Hilfe von Bevölkerungszahlen fortgeschrieben. Zum deutschen Erwerbspersonenpotential muss das im Inland verfügbare ausländische Erwerbspersonenpotential noch hinzugerechnet werden, was allerdings besondere Schätzprobleme verursacht. Vollbeschäftigung im Sinne einer Dekkung von Erwerbspersonenpotential (potentielles Arbeitsangebot) und Arbeitsplatzpotential (potentielle Arbeitsnachfrage) hängt maßgeblich von der Entwicklung der realen Bruttoinvestitionen und der - Kapitalintensität ab. Diskrepanzen zwischen Arbeitsangebot und -nachfrage zeigen sich in der Abwanderung ausländischer Arbeitskräfte und in verdeckter und offener Arbeitslosigkeit. Die offene Arbeitslosigkeit wird häufig als (zugestanden unvollkommenes) Indiz der Vollbeschäftigung benutzt, gelegentlich saldiert mit den offenen Stellen (»Spannungszahl«), was jedoch die Gefahr in sich birgt, dass die strukturellen Hindernisse der Vollbeschäftigung nicht hinreichend beachtet werden. In den späten 60er Jahren hielt man (z.B. in den Zielprojektionen der Bundesregierung) die Vollbeschäftigung bei einer Arbeitslosenquote von 0,8% für erreicht, noch zwei bis drei Prozentpunkte unter der Vollbeschäftigungsmarke, wie sie seit der Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre in Wissenschaft und Praxis propagiert wurde. In den 70er Jahren wurde die Marke nach und nacherhöht. Unter den Zielen der Wirtschaftspolitik nimmt Vollbeschäftigung als Komponente des magischen Vielecks einen bevorzugten Platz ein. In den Zielkatalogen des Gesetzes über die Bildung eines - Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (1963) und des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (1967) wird ein hoher Beschäftigungsstand genannt. Das Arbeitsförderungsgesetz (1969) sieht vor, dass weder Arbeitslosigkeit und unterwertige Beschäftigung noch ein Mangel an Arbeitskräften eintreten oder fortdauern soll. Literatur: Sachverständigenrat, Jahresgutachten Gute Wirtschaftslage mit relativ geringer Arbeitslosenquote, d. h. ein Zustand, bei dem jeder Arbeitssuchende zum zumutbaren Lohn eine angemessene Beschäftigung findet. Seit John Maynard Keynes (1883-1946) ist der Finanzpolitik auch langfristig immer stärker die Aufgabe zugefallen, vor allem die Vollbeschäftigung in einer Volkswirtschaft zu sichern. Im Gegensatz zur klassischen National­ökonomie postulierte Keynes, die wirtschaftliche Entwicklung tendiere keineswegs zu einer Voll­beschäftigung der Produktionsfaktoren; es werde sich langfristig vielmehr ein “Gleichgewicht” bei Unterbeschäftigung einstellen. Dem Staat falle durch expansive Ausgaben- und Defizitpolitik die Aufgabe zu, diese Nachfragelücke auf Dauer zu schließen. Die Theorie der Einkommens- und Beschäftigungswirkungen zusätzlicher Staats­ausgaben unterscheidet primäre, sekundäre und tertiäre Wirkungen. Unter primären Beschäfti­gungswirkungen werden jene Konsequenzen verstanden, die sich daraus ergeben, dass der Staat Güter und Dienste in Anspruch nimmt. Das ist unmittelbar der Fall bei den Personalausga­ben: Staatsbedienstete werden beschäftigt und beziehen Einkommen. Auch Beschäftigung und Einkommensbezug in den Unternehmen, von de­nen die öffentliche Hand Güter und Dienstleistun­gen kauft, zählen dazu ebenso wie Beschäfti­gung und Einkommensbezug in jenen Unterneh­men, die unmittelbar an den Staat liefern oder Zulieferungen leisten. Die Wirkungen von zusätz­lichen Staatsausgaben können sie um ein Vielfa­ches durch den Multiplikatoreffekt (sekundäre Auswirkungen) verstärkt werden: Von den zu Einkommen gewordenen Ausgaben fließt ein größerer Teil wieder in den Konsum und schafft abermals neue Einkommen. Dieser Prozess setzt sich solange fort, bis das zusätzliche Einkommen irgendwann freiwillig gespart, für Einfuhrgüter aus dem Ausland ausgegeben oder an den Staat abgeführt wird. Als wichtigster Prozeßverstärker gilt in der Theorie der Investitionsmultiplikator. Während Keynes das Multiplikatorprinzip zur Grundlage seiner expansiven Beschäftigungs­theorie entwickelt hat, hat der norwegische Na­tionalökonom Trygve Haavelmo 1945 nachge­wiesen, dass auch ein Staatshaushalt, der ohne zusätzliche Kreditaufnahme expandiert - zusätz­liche Staatsausgaben werden voll durch zusätzli­che Steuereinnahmen finanziert - Sozialprodukt und Volkseinkommen vergrößert. Unter seinen Annahmen und Voraussetzungen ist der Multipli­kator gleich 1, d.h. der Höhe der zusätzlichen Staatsausgabe entspricht eine gleichhohe Zu­nahme des Volkseinkommens (Haavelmo-Theo­rem).



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