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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Soziale Marktwirtschaft

Die Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland ist die soziale Marktwirtschaft. Sie ist eine Form der Marktwirtschaft, die den Wettbewerb grundsätzlich fördert, dabei aber gleichzeitig soziale Gesichtspunkte einbezieht. So sollen die Schwächen einer freien Marktwirtschaft ausgeglichen werden. In einer sozialen Marktwirtschaft besteht die Aufgabe des Staates darin, dort einzugreifen, wo die freie Marktwirtschaft versagt. Etwa, weil sie zu sozialen Ungerechtigkeiten führt oder zu anderen nicht erwünschten Entwicklungen. Ziel ist es, wirtschaftliche Freiheit und soziale Gerechtigkeit so gut wie möglich miteinander zu verbinden. Die Konzeption der sozialen Marktwirtschaft wurde nach Ende des Zweiten Weltkriegs für den Wiederaufbau der Bundesrepublik Deutschland entwickelt. Eng verbunden ist er mit den Namen Ludwig Erhard und Alfred Müller-Armack, der den Begriff "Soziale Marktwirtschaft" geprägt hat.

Entstehung

Entstanden ist das Leitbild der sozialen Marktwirtschaft gegen Ende des zweiten Weltkrieges. Grundlage der sozialen Marktwirtschaft sind Vorstellungen, die unter dem Begriff "Neoliberalismus" zusammengefasst werden. Innerhalb des Neoliberalismus spielte der Ordoliberalismus für Deutschland eine besondere Rolle. Einer der wichtigsten Vertreter dieser Richtung ist der Freiburger Wirtschaftswissenschaftler Walter Eucken. Der entscheidende analytische Ansatzpunkt für Eucken ist das wirtschaftliche Lenkungssystem, wobei er idealtypisch zwei Systeme unterscheidet:

  • Zum einen die Zentralverwaltungswirtschaft als ein System mit zentraler staatlicher Planung und die Wettbewerbswirtschaft mit einer dezentralen Planung. Hier werden die einzelnen Entscheidungen über den Markt koordiniert.
  • Dagegen steht die Wettbewerbswirtschaft, der u. a. wegen der größeren Effizienz, die auch die Lösung sozialer Probleme erlaubt, dabei der Vorzug gegeben wird.

Als weiteres Argument führt Eucken die Abhängigkeit der Ordnungen ins Feld geführt, vor allem die gegenseitige Abhängigkeit von Wirtschafts- und Staatsordnung. Freiheitliche Demokratie und Wettbewerbswirtschaft seien aufeinander angewiesen, da die Freiheit der Bürger nur durch Streuung der Macht möglich sei. Dieser Ansatz erteilt aber auch der Laissez-faire-Position eine deutliche Absage. Diese altliberale Form der Marktwirtschaft mit einer sich selbst überlassenen Wirtschaft tendiere zur Aufhebung des Wettbewerbs und damit zu Machtkonzentrationen in der Wirtschaft, was negative wirtschaftliche und soziale Konsequenzen nach sich ziehe. Eine Wettbewerbswirtschaft sei keine natürliche Ordnung. Sie könne erst durch einen von einem starken und durchsetzungsfähigem Staat gesetzten Ordnungsrahmen verwirklicht werden, wobei der Staat aber möglichst wenig in den Wirtschaftsprozess eingreifen solle.

Soziales Prinzip

Auf diesen Ansätzen des Neoliberalismus baut die soziale Marktwirtschaft auf. Eine eigene Ausrichtung erfährt sie dabei unter anderem im Hinblick auf die prozesspolitische Beeinflussung in der Konjunkturpolitik und das größere Gewicht der Sozialpolitik. Das Prinzip der Freiheit und das soziale Prinzip kennzeichnen die soziale Marktwirtschaft. Damit befindet sich die soziale Marktwirtschaft gewissermaßen in einem Spannungsfeld zwischen individueller Freiheit einerseits und sozialer Gebundenheit andererseits. In einer sozialen Marktwirtschaft wird die Produktion nach den Wünschen der Verbraucher gesteuert und die Produktivität als Folge des Wettbewerbs gesteigert. Die erzielten Einkommen ermöglichen eine sozialverträgliche Einkommensumverteilung in Form von Fürsorgeleistungen, Ausgleichzahlungen, Subventionen etc. Auf diese Weise soll versucht werden, eventuelle soziale Probleme abzumildern, die für bestimmte Bevölkerungsgruppen entstehen können, etwa, weil sie in der Marktwirtschaft gescheitert sind. Die Grenzen dieser Umverteilung finden sich dort, wo dies zu Lasten eines funktionierenden Wettbewerbs ginge und die Selbstständigkeit und Eigeninitiative der Bürger durch einen Versorgungsstaat erstickt würde. Die konkreten Grenzen sind hierbei aber offen.

Offenes System

Bei der sozialen Marktwirtschaft handelt es sich nicht um ein geschlossenes, sondern um ein offenes System, das bei neuen Wertvorstellungen und Erkenntnissen überprüft und verbessert werden kann. Das Leitbild der sozialen Marktwirtschaft erfuhr seit seiner Einführung in der Bundesrepublik Deutschland eine stetige Weiterentwicklung. Bis Mitte der 60er Jahre wurde vor allem der ordnungspolitische Rahmen betont. Mit einer Vielzahl grundlegender Gesetze wurden Elemente der sozialen Marktwirtschaft etabliert, etwa durch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen aus dem Jahr 1957, das auch als "ordnungspolitisches Grundgesetz" bezeichnet worden ist. Mitte der 60er Jahre erhielt dann die Prozesspolitik ein stärkeres Gewicht unter anderem durch das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft ("Stabilitätsgesetz"). Mit dem Ziel einer systematischen Konjunktursteuerung wurden die wirtschaftspolitischen Aufgaben des Staates erweitert. Im weiteren Verlauf kam es Anfang der 80er Jahre wieder zu einer stärkeren Orientierung an der ursprünglichen Konzeption der sozialen Marktwirtschaft.

Zu den Elementen der sozialen Marktwirtschaft gehören unter anderem:

1. durch staatliche Maßnahmen der Umverteilung in Form von: Sozialhilfeleistungen, Sozialrenten und Ausgleichzahlungen, Subventionen, Zuschüssen, progressiver Einkommenssteuer usw.2. durch die Systeme der sozialen Sicherung: Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung, Unfallversicherung3. durch eine Arbeits- und Sozialordnung

Wirtschaftspolitisches Leitbild der Bundesrepublik Deutschland. Der Staat muss dabei Rahmenbedingungen schaffen, die die marktwirtschaftlichen Aktivitäten fördern und gegebenenfalls mit angemessenen Maßnahmen in das Wirtschaftsgeschehen einzugreifen. Die soziale Marktwirtschaft wurde weitgehend von Alfred Müller-Armack konzeptioniert und dann später vom Wirtschaftsminister und späteren Bundeskanzler Ludwig Erhard (1897 - 1977) der praktischen Wirtschaftspolitik zugrunde gelegt. Die soziale Marktwirtschaft soll demnach durch eine Politik des sozialen Ausgleichs ergänzt werden. Die Märkte werden dabei sich selbst überlassen, doch der Staat überwacht diese Funktionsfahigkeit. Machtmissbrauch soll verhindert werden und die Bedürfnisse der Sozialpartner müssen angemessen berücksichtigt werden. Wichtige Gesetze sind: Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StabG), Betriebsverfassungsgesetz (Betr-VerfG), Rentenversicherungsgesetze, Mietrecht, etc.



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