Marktdisziplin
1. Sog. 3. Säule von Basel IL Nach Darstellung der EZB hat sich vor dem Hintergrund tief greifender Veränderungen im Finanzsystem, komplexerem Bankengeschäft, Internationalisierung, Konzentration der Banken u. a. sowie im Eurowährungsgebiet der Einführung der Gemeinschaftswährung ergeben, dass sich Bankenaufsicht und Zentralbanken stärker für Verfügbarkeit und Qualität von Marktsignalen interessieren, die über gegenwärtige und künftige finanzielle Bedigungen und Risiken der Banken Aufschluss geben. Doch können sich lt. EZB die Marktteilnehmer möglicherw. kein vollständiges und hinreichend detailliertes Bild über die Qualität einer bestimmten Bank machen, wozu vielmehr zusätzliche Informationen zur Zusammensetzung der Kreditrisiken und Eigenmittelbasis einer Bank, ausserbilan-zielle Aktivitäten und damit einhergehende Risiken sowie über Liquiditäts-, Betriebs- und Marktrisiken erforderlich sind. Dem wird durch die 3. Säule der Baseler Eigenkapitalvereinbarung Rechnung getragen, die vorsieht, dass dem Markt solche Informationen zur Verfügung gestellt werden müssen. Die EZB bringt zum Ausdruck, dass sie starkes Interesse an der Stabilität des Finanzsystems hat und daher auch am Beitrag, den Marktdisziplin potenziell dazu leisten kann. Sie prüft gemeinsam mit dem ESZB-Ausschuss für Bankenaufsicht (BSC) regelmässig die Risiken für die Finanzmarktstabilität im gesamten Euroraum, um mögliche Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems aufzuspüren und um einzuschätzen, inwieweit das Finanzsystem in der Lage ist, negative Schocks zu absorbieren. Diese Überprüfung erfolgt lt. EZB anhand von Datenquellen in Verbindung mit Marktinformationen über die Stabilität des Finanzsystems, um ein umfassendes Bild des EU-Finanzsystems zu erhalten. So stützt sich die EZB in ihren Berichten bei Analysen der Stabilität des Bankensystems insg. in Ergänzung zu den sonstigen Informationen zur Stabilität des Bankensektors und des Finanzmarkts auf aggregierte Marktpreise grosser Banken. Das Interesse an Marktinformationen und -disziplin wurzelt in der den Märkten immanenten Eigenschaft, Informationen extrem schnell zu verarbeiten und in einen Marktpreis zu aggregieren.
2. Nach Darstellung der Bundesbank beschreibt Marktdisziplin auch einen Wirkungsmechanismus, in dem Finanzmarktteilnehmer (Gläubiger, Aktionäre, Einleger) Anreiz haben, das Risikoverhalten von Banken zu kontrollieren und durch ihre Anlageentscheidungen ggf. zu reagieren. Ein solcher Anreiz dürfte lt. Bundesbank stets bestehen, wenn sie am Geschäftsrisiko der Banken partizipieren und bei Insolvenzfall mit Verlusten zu rechnen haben. Zu unterscheiden ist dabei zwischen 2 zusammenhängenden Varianten von Marktdisziplin: direkter und indirekter. Im Fall direkter Marktdisziplin haben lt. Bundesbank die Handlungen der Marktteilnehmer unmittelbaren Einfluss auf die Entscheidungen der Banken, z. B. per Ausübung vertraglich eingeräumter Rechte oder durch Konditionengestaltung beim Abschluss von Finanzkontrakten (Risikoaufschläge, erhöhte Sicherheitenleistung); bei indirekter Marktdisziplin hat das Verhalten der Marktteilnehmer Einfluss auf die Entscheidungen Dritter - bspw. Aufsichtsbehörden, Ratingagenturen -, die ihrerseits über verstärkte Überwachungsmassnahmen, Watchlisten, Ratingkorrekturen usw. das Verhalten der Banken beeinflussen. Hins, der Ausübung von Marktdisziplin sind lt. Bundesbank die verschiedenen Stakeholder-Gruppen einer Bank von unterschiedlicher Bedeutung, abhängig zum einen von ihren unterschiedlichen Anreizstrukturen (Renditeerwartungen und Risikotoleranz) und zum anderen von ihrer Einflussmöglichkeit auf die Geschäftspolitik von Banken. Besonders wirksame Marktdisziplin geht dabei vom Interbankenmarkt aus, über den sich Banken kurzfristig refinanzieren und wo die dortigen Marktteilnehmer erhebliche Anreize zur Disziplinierung haben und Banken besonders gute Voraussetzungen mitbringen, Informationen über ihre gleich gearteten Geschäftspartner zu erfassen und zu bewerten. Die Bundesbank sieht neben Aktienkursen Spreads von Einlagen am Interbankenmarkt als potenziell geeignete Marktindikatoren; Letzteren sieht sie in Deutschland als risikosensitiv an, da alle Banken unmittelbar oder mittelbar am Interbankenmarkt vertreten sind, die vom Interbankenmarkt ausgehende Disziplinierung wegen der hohen Transaktionsvolumina sehr effektiv ist und Interbankenmarkt-spreads als Frühindikatoren der Bonität von Banken betrachtet werden können. Preisinformationen am Interbankenmarkt haben nach Ansicht der Bundesbank allerdings kaum Auswirkung auf andere Marktteilnehmer, sodass i.A. zu erwarten ist, dass auf Grund fehlender öffentliche Verfügbarkeit dieser Marktindikator nur von den Banken selbst genutzt werden kann. Weiter kann i.A. davon ausgegangen werden, dass das Risiko einer Bank hinreichend zuverlässig in Emissionspreisen spez. nachrangiger Verbindlichkeiten und Genussrechte abgebildet wird. Jedoch ist das Handelsvolumen dieser Instrumente nach dem erfolgten Emissionszeitpunkt begrenzt und verhindert daher, dass die Preise jederzeit die gegenwärtige Risikosituation der Banken abbilden, auch wenn hins. Verfügbarkeit dieser Marktindikator Aktien überlegen ist. Schliesslich können lt. Bundesbank als weiterer Marktindikator Spreads von Creditdefault-Swaps für Kredite an eine bestimmte Bank die Marktmeinung zur Bonität von Banken zum Ausdruck bringen und daher aus Transparenzgründen als Benchmark für das Risiko einer Bank betrachtet werden. Die Bundesbank sieht es indes aus Sicht der Marktdisziplin als wünschenswert an, dass der Indikator für deutlich mehr Institute verfügbar wäre. Einleger können nicht genügend Marktdisziplin ausüben bzw. scheiden als Auslöser für Marktdisziplin aus. Wie stark Disziplinierungsmassnahmen durch den Markt auf das Verhalten einer Bank Einfluss haben, ist lt. Bundesbank von deren interner Anreizstruktur abhängig: Banken werden nur bereit sein, erhöhte Kosten von erweiterten Transparenzanforderungen zu tragen, wenn dazu ökonomische Anreize - etwa niedrigere Eigenkapital-, Refinanzierungskosten, günstigere Wettbewerbsposition - existieren. Bei höheren Transparenzanforderungen erhalten Banken zusätzliche Anreize, Risikomanagement und interne Kontrollen stetig zu verbessern, was auch zur Förderung der Stabilität des Finanzsystems insg. dient. Weiter haben lt. Bundesbank Marktstörungen meist geringeres Ausmass, wenn der Informationsfluss an die Investoren regelmässig erfolgt, da Anpassungsreaktionen in kleineren Schritten erfolgen und Überreaktionen leichter vermieden werden können. Schliesslich gewähren Transparenz fördernde Informationen nach einheitlichen Massstäben verbesserte Möglichkeiten für vergleichende Analysen im Finanzsystem, was dazu beiträgt, Systemeffekte von Marktstörungen zu begrenzen. Aber auch aus Sicht der Bankenaufsicht ist nach Ansicht der Bundesbank erwünscht, durch erhöhte Transparenz vorhandene Marktinformationen subsidiär zu nutzen und so die Effizienz bankenauf-sichtlicher Tätigkeit zu steigern. Allerdings kann gesteigerte Marktdisziplin durch erhöhte Transparenz auch negative Implikationen für die Finanzmarktstabilität aufweisen. So gewärtigen, wie die Bundesbank darstellt, in Konjunkturschwächeperioden auch an sich solide Banken verschlechterte Risikolagen. Greift in solchen Situationen die Marktdisziplin über erhöhte Konditionsforderungen oder Einlagenabzüge, kann eine Bank weitere Nachteile haben. Begrenzt die Bank dann ihr Kreditengagement, kann dies über gleichgerichtetes Verhalten weiterer betroffener Institute prozyklische gesamtwirtschaftliche Wirkungen zeitigen. Gesetzliche Vorschriften u. a. Vorgaben basieren in diesem Zusammenhang auf der Erkenntnis, dass ausreichende Transparenz zentrale Voraussetzung für das Wirken von Marktdisziplin ist: traditionell im HGB, vor allem aber in neueren Ansätzen (IFRS, DRS 5-10, Basel II, Säule 3), die erweiterte Risikoberichterstattung beinhalten.
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