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Spruchstellenverfahren
Das Aktiengesetz gesteht den Minderheitsaktionären bei bestimmten Strukturänderungen eines börsennotierten Unternehmens (z.B. Fusionen, Übernahmen etc.) das Recht zu, Klage gegen ein zu niedriges Abfindungsangebot bei einem Landgericht einzureichen, um ein so genanntes Spruchstellenverfahren einzuleiten, wenn sein Unternehmensanteil (Aktie) entschädigt werden muss (§306, AktG). Der Kläger darf allerdings nicht auf eine schnelle Entscheidung hoffen. Untersuchungen haben gezeigt, dass ein Ergebnis zum Teil erst nach zehn Jahren erzielt wird. Von Spruchstellenverfahren sind jegliche Unternehmensgrößen betroffen, so auch Großkonzerne wie DaimlerChrysler oder Siemens. Für den Kleinaktionär birgt eine Klage kein Risiko, da nach dem Aktiengesetz das Unternehmen zur Übernahme der Kosten verpflichtet ist, unabhängig davon ob der Entscheid positiv oder negativ für den Aktionär ausfällt. In Folge dieser Regelung erklärt sich, warum Schutzvereinigungen der Kleinaktionäre das Spruchstellenverfahren Aktionären schmackhaft machen. So schlug beispielsweise die Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz den Kleinaktionären der Mannesmann AG vor, das Übernahmeangebot von Vodafone abzulehnen, den Unternehmensvertrag und somit die Abfindung abzuwarten und die Abfindungshöhe durch ein Gericht bestimmen zu lassen. Mit dem Gang vor das Landgericht zur Feststellung einer angemessenen Entschädigung ist das Spruchstellenverfahren allerdings noch nicht beendet, es kann Beschwerde auch in zweiter Instanz, dann vor dem Oberlandesgericht eingelegt werden. Dann vergehen meist Jahre bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung. Wann gibt es ein Spruchstellenverfahren? Für ein Unternehmen existieren unterschiedliche Möglichkeiten, die Kontrolle über eine andere Gesellschaft zu gewinnen. Eine Alternative ist der Erwerb von Anteilen über den Wertpapiermarkt bzw. durch direkte Angebote an die Aktieninhaber. Nach heutiger Gesetzeslage ergeben sich für den Aktionär hieraus keine Ansprüche gegenüber dem Großaktionär, also auch keine Möglichkeit für ein Spruchstellenverfahren. Erreicht hingegen eine Gesellschaft die Kontrolle über ein anderes Unternehmen im Sinne des Aktiengesetzes durch Eingliederung oder Verschmelzung, so besitzt der Minderheitsaktionär Rechte und Ansprüche gegenüber der dann herrschenden Gesellschaft. So kommt es regelmäßig zu Spruchstellenverfahren bei:
Bei Strukturmaßnahmen (Unternehmensvertrag)Um einen so genannten Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag abschließen zu können, bedarf es jeweils einer dreiviertel Mehrheit auf den Hauptversammlungen beider Gesellschaften. Wird ein solcher Vertrag verabschiedet, muss das herrschende Unternehmen den außenstehenden Aktionären eine so genannte Ausgleichszahlung als Entschädigung anbieten. Je nachdem ob es sich um einen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag handelt, sind die Zahlungen entweder als jährliche Geldleistung oder als variable Komponente, ähnlich einer Dividende, ausgestaltet. Entscheidet sich ein Kleinaktionär in Folge des Vertragsabschlusses für ein Ausscheiden aus dem nun beherrschten Unternehmen, so kann er von der anderen Gesellschaft verlangen, dass diese seine Anteile gegen eine angemessene Gegenleistung erwirbt. In Abhängigkeit der rechtlichen Stellung des herrschenden Unternehmens erhält er seine Abfindungszahlung entweder in Form neuer Aktien der im Inland ansässigen, herrschenden Gesellschaft oder als Barbetrag. Die Gewährung einer Abfindung oder Ausgleichszahlung ist aufgrund der im Aktiengesetz unklaren Bestimmung der Angebotshöhe nicht unproblematisch. Nach welchen Richtlinien dieses Angebot berechnet werden soll, wird nämlich nicht erläutert. Bei Zweifeln an der Angemessenheit der Angebotshöhe besitzt der Aktionär das Recht, diese durch ein Landgericht nachprüfen zu lassen, womit ein so genanntes Spruchstellenverfahren eröffnet wird. Bei Gesellschafts-Eingliederung (Squeeze-out/Fusionen/Übernahmen)Eine Eingliederung einer Aktiengesellschaft ist möglich, wenn die zukünftige, in Deutschland ansässige Hauptgesellschaft mindestens 95 Prozent der Aktien des Grundkapitals besitzt und das eingliedernde Unternehmen dieser zustimmt. Bei dieser Transaktionsart verlieren die außenstehenden Aktionäre bei Inkrafttreten der Eingliederung automatisch ihre Anteile an der einzugliedernden Gesellschaft. Diesen Aktionären steht jedoch eine Abfindungen zu. Die Art der Abfindung ist, ähnlich wie bei Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags, abhängig von der gesellschaftsrechtlichen Stellung des eingliedernden Unternehmens. Ist die Hauptgesellschaft eine nicht abhängige Gesellschaft, so müssen Aktien dieser gewährt werden. Ist sie jedoch selbst von einer anderen Gesellschaft abhängig, kann der Minderheitsaktionär zwischen Aktien des herrschenden Unternehmens oder einer Barabfindung wählen. Da die Vorschriften zur Bestimmung der Abfindungshöhe vergleichbar zu den Regeln bei einem Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag ausgestaltet sind, kann es auch hier zu Schwierigkeiten bei der Festsetzung der Offerte kommen. Der Anteilsbesitzer muss auch hier die Höhe des Angebots nicht als endgültig ansehen, sondern kann es ebenfalls durch ein Spruchstellenverfahren auf Angemessenheit überprüfen lassen. Beim Going-PrivateDas Going Private bezeichnet den Rückzug der Gesellschaft von allen Börsen und somit die Einstellung der Notierungen der Aktie. Letzteres wird auch als Delisting bezeichnet. Eine solche Unternehmensentscheidung hat für die Aktionäre bedeutende Folgen, da sie ihre Anteile in Zukunft nicht mehr über den Wertpapiermarkt handeln können. Trotz dieser einschneidenden Veränderung ist der Anlegerschutz nicht einheitlich im Börsengesetz geregelt. Durch die Börsenordnungen der einzelnen Handelsplätze wird bestimmt, unter welchen Voraussetzungen die Zulassungsstelle dem Antrag statt gibt. Die Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse sieht beispielsweise den Anlegerschutz als ausreichend gewürdigt, sofern dem Aktionär ein Kaufangebot für seine Anteile unterbreitet wird, das sich am höchsten Börsenpreis der letzten sechs Monate vor Antragsstellung orientiert. Aus Sicht von Aktionärsschützern ist diese Regelung vor allem bei unterbewerteten Unternehmen problematisch, da die Aktionäre eventuell weit unter dem Emissionspreis abgefunden werden und das Unternehmen so aus dem Going Private Profit schlägt. Da kein Spruchstellenverfahren zur Überprüfung des Angebots vorgesehen ist, ist die Zulassungsstelle in Bezug auf die Abfindungshöhe die einzige Kontrollinstanz. Was geschieht aber mit dem Kleinaktionär, wenn dieser nicht mit dem Going Private einverstanden ist? Er kann entweder die Aktien auf dem Kapitalmarkt veräußern, was bei den äußerst geringen Umsätzen sehr schwierig sein dürfte, eine Anfechtungsklage anstrengen oder auf den guten Willen des Unternehmens hoffen, dass es ihm ein höheres Barangebot unterbreitet. Im ungünstigsten Fall wird er als Kommanditisten des Unternehmens eingetragen oder kann seine Anteile nur noch an den Hauptgesellschafter veräußern, was massive finanzielle Nachteile nach sich zieht. "Angemessene Abfindung" Hauptansatzpunkte der Kritik am Aktiengesetz sind das Fehlen einer unteren Bezugsgröße sowie die fehlende Gleichbehandlung der Aktionärsminderheit mit Aktionären, die bereits im Vorfeld ihre Anteile an die neu herrschende Gesellschaft veräußert haben. Durch diese Komponenten, ist es möglich, den Minderheitsaktionären eine Abfindung zu offerieren, die niedriger als der Börsenkurs des beherrschten Unternehmens oder die zuvor gezahlten Kaufsummen liegt. Die Ansicht, dass die Abfindungshöhe unabhängig vom Börsenkurs des beherrschten Unternehmens festzulegen ist, wurde jahrelang in der Praxis umgesetzt. Bedeutende Verbände (BDI, IDW) bevorzugen die Berechnung der Abfindung ohne Berücksichtigung des Aktienkurses. Dass der Minderheitsaktionär bei dieser Kalkulation aber eher benachteiligt wird, zeigen mehrere durch Wirtschaftsprüfer vorgenommene Unternehmensbewertungen. So fand eine Untersuchung von 42 Unternehmen für den Zeitraum 1983 bis 1992 heraus, dass bei Vorliegen von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen in 33 Fällen die Abfindung durchschnittlich um 55 Prozent unter dem Aktienkurs lag. Nach einem aktuellen Urteil des BGH muss als Referenzwert jetzt der durchschnittliche Börsenkurs der letzten drei Monate vor der Eingliederung herangezogen werden. Eine Einschränkung ist jedoch für den Fall vorgesehen, dass der Börsenkurs im Falle zu geringer Umsätze den genauen Unternehmenswert nicht widerspiegelt. Hier darf die Entschädigung weiterhin den Börsenkurs unterschreiten.
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