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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Bioremediation

Einleitung Bioremediationsverfahren, d. h. Verfahren zur biologischen Schadstoffeliminierung, zielen im Grundsatz darauf ab, vorhandene -Kontaminationen vollständig zu eliminieren, indem dieselben mikrobiell verstoffwechselt werden. Die Nutzung des reichhaltigen metabolischen und physiologischen Potentials der mikrobiellen Welt stellt dabei die Basis dar, für die Entwicklung aller effizienten Bioremediationsverfahren. Die resultierenden Endprodukte dieser Verfahren sind CO2, Wasser, Mineralien und Biomasse. Im Gegensatz zu anderen Reinigungsverfahren läßt sich durch mikrobielle Abbauprozesse idealerweise eine irreversible Eliminierung der Schadstoffe herbeiführen. Vor dem Hintergrund des Bundesbodenschutzgesetzes, welches zum Ziel hat, die Funktionen des Bodens nachhaltig zu sichern (Vorsorge) oder wiederherzustellen (Gefahrenabwehr bei Altlasten und kontaminierten Flächen), sind Bioremediationsverfahren in der Regel die Verfahren der Wahl, da das behandelte Material biologisch nicht tot ist, wie dies beispielsweise bei der thermischen Behandlung der Fall ist. Die Wiederverwendbarkeit des gereinigten Bodens stellt ein bedeutendes Kriterium für die Auswahl der zur Verfügung stehenden Remediationsverfahren dar. Für die meisten als Altlasten vorgefundenen Schadstoffe ist ein mikrobieller Abbau nachgewiesen und sowohl ökonomisch als auch ökologisch sinnvoll. Bioremediationsverfahren sind daher heute Stand der Technik. Bioremediationsoptionen Die verschiedenen zur Verfügung stehenden Bioremediationsverfahren lassen sich entsprechend einer „Hierarchie der Optionen“ unterteilen in: Die Nutzung der natürlichen Selbstreinigungsprozeße, die international auch als „Natural Attenuation“ oder „Intrinsic Bioremediation“ bezeichnet wird. Diese beruht auf der Abbauleistung der autochthonen (standorteigenen) Mikroflora unter den am Standort vorhersehenden Bedingungen und erfordert kein Eingreifen sondern lediglich ein Monitoring. Biostimulierung: Diese kommt dann zum Einsatz, wenn ein standorteigenes Abbaupotential existiert, jedoch physikochemische Voraussetzungen oder Nährstoffbedingungen für den Abbau limitierend sind. In diesen Fällen kann der mikrobielle Abbau z. Bioremediation durch Belüftung oder Nährstoffzufuhr induziert werden. Beimpfung mit Spezialkulturen, im allgemeinen als „Bioaugmentation“ bezeichnet. Obwohl autochthone Bioorganismen als Biokatalysatoren in Bioremediationsverfahren generell die erste Wahl sind, existieren Voraussetzungen unter denen der Einsatz von selektierten Spezialkulturen oder gentechnisch veränderten Mikroorganismen als Inokula nützlich ist. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn Natural Attenuation oder Biostimulierung nicht funktionieren und tatsächlich die „Biologie“ limitierend ist, d. h. daß keine mikrobielle Abbauaktivität und kein oder nur ein unzureichendes standorteigenes Abbaupotential vorhanden ist. Der Einsatz von Inokula wird daher a priori auf schwer abbaubare Substanzen, die, sofern überhaupt, nur kometabolisch (Metabolisierung eines nicht zum Wachstum nutzbaren Substrats in Gegenwart eines Wachstumssubstrats) abgebaut werden können, komplexe Schadstoffmischungen oder Schadstoffe, die zu toxischen Intermediaten transformiert werden, begrenzt sein. Ex-situ-Bioremediationverfahren Man unterscheidet zwischen ex-situ- und insitu-Bioremediationsverfahren. Unter exsitu-Verfahren faßt man Prozesse zusammen, bei denen das kontaminierte Material ausgehoben („ausgekoffert”) und anschließend behandelt wird. Die Behandlung kann entweder direkt am Kontaminiationsstandort („on site“) oder aber nach Transport in einer Behandlungsanlage („off site“) erfolgen. Exsitu-Verfahren sind zwar aufwendig, eröffnen aber vielfältige Möglichkeiten zur Förderung mikrobiellen Abbaus durch: Belüftung und Nährstoffzufuhr; Erhöhung der Bioverfügbarkeit durch Homogenisierung, Auflockerung, mechanisches Umwenden bzw. Suspendierung des Bodens; optionalen Zusatz von Spezialkulturen (Bioaugmentation) oder Zuschlagstoffen, wie Stroh, Rinde oder Holzschnitzel. Ex-situ-Verfahren können als „Landfarming“, in Mietenverfahren oder in Bioreaktoren stattfinden. Beim Landfarming wird der Bodenaushub klassiert, nach entsprechenden Voruntersuchungen mit Strukturstoffen und Nährstoffen konditioniert und auf einem abgedichteten Hintergrund in einer Höhe bis 0,5 m ausgebracht. Mittels landwirtschaftlicher Geräte wird der Boden im Zuge der Sanierung bearbeitet. Ein Nachteil des Landfarming ist der enorme Flächenbedarf. So sind für 1000 m3 Boden, ausgebracht in einer Höhe von 0,5 m, mindestens 2000 m2 Fläche notwendig. Als Folge der großen Oberfläche sind unkontrollierte Emissionen flüchtiger Schadstoffe möglich. Zudem ist der Boden den Witterungsbedingungen ausgesetzt, was zur Verschlemmung oder Austrocknung führen kann. Das Landfarming kommt vor allem in den USA zum Einsatz. Entsprechend wird die biologische Dekontamination von Böden sowohl als on-site - als auch als off-site-Sanierung vorrangig im Mietenverfahren durchgeführt. Das Mieten-verfahren ist eine spezielle Form der Kompostierung. Der Bodenaushub wird zunächst klassiert und homogenisiert sowie entsprechend der Ergebnisse von Voruntersuchungen mit Struktur- und Nährstoffen konditioniert. Die Homogenisierung und Konditionierung bewirkt eine Verteilung der Schadstoffe im Boden, eine Auflockerung der Bodenstruktur sowie eine gute Durchlüftung des Materials. Der aufbereitete Boden wird zum mikrobiellen Schadstoffabbau in Tafelmieten von ca. 1,5 m bis 2 m Höhe (je nach Bodenart) aufgesetzt. Die Mieten können über Belüftungsrohre und/oder Berieselungssysteme oder durch regelmäßiges Wenden des Bodens mit Sauerstoff, Wasser und Nährstoffen versorgt werden. Verglichen mit dem Landfarming ist der Flächenbedarf von Mietenverfahren deutlich geringer. Die Einhausung der Mieten durch Zelte bzw. die Behandlung einer ortsfesten Anlage schützt den Boden vor Witterungseinflüssen und ermöglicht die Einstellung optimaler Abbaubedingungen. Ausgasende Schadstoffe können gefaßt und die Luft in Bio- und oder Aktivkohlefiltern gereinigt werden. Die Behandlungszeiten liegen im Zeitraum von Wochen bis Monaten. Böden mit hohem Feinkornanteil verdichten stark in Mieten, was in einer Limitierung des Schadstoffabbaus durch Sauerstoffmangel und in einer geringen Bioverfügbarkeit resultiert. Hier bietet der Einsatz von Bioreaktoren wesentliche Vorteile. Der Abbauprozeß läßt sich optimal steuern, die Bioverfügbarkeit der Schadstoffe kann erhöht werden, es kann eine intensive Durchmischung erfolgen und es können sehr feuchte Böden behandelt werden bis hin zur Sanierung mittels Suspensionsverfahren. Festbettreaktoren werden in Form von Drehrohr-Bioreaktoren realisiert, wie sie auch für die Intensivrotte bei der Hausmüllkompostierung eingesetzt werden. Sie ermöglichen eine intensive Durchmischung und Steuerung der Gasströme, wobei der Betrieb im Vergleich zum Mietenverfahren aufwendiger ist. In Suspensions- oder Slurry-Bioreaktoren, die auch in Verbindung mit der Bodenwäsche betrieben werden, werden kontaminiertes Material und Wasser im Verhältnis von etwa 1:1 suspendiert. Dabei findet ein hydraulischer Aufschluß des Bodens und eine intensive Durchmischung der kontaminierten Bodenpartikel mit Mikroorganismen, Luft und Nährstoffen statt. In Suspensionsreaktoren sind daher hohe Stoff- und Phasenübergänge gewährleistet, ihr Betrieb ist jedoch sehr energieaufwendig. Darüber hinaus muß dekontaminiertes Material nach der Behandlung getrocknet werden. Die Behandlungszeiten liegen in der Größenordnung von Tagen. Da der technische Aufwand sowie die Kosten für Bioremediationsverfahren in Bioreaktoren hoch sind, eignet sich ein solches Vorgehen nur für den Abbau von Schadstoffen, die unter „natürlichen Bedingungen“ persistent sind. In den letzten Jahren hat sich bei den ex-situB ioremediationsverfahren eine deutliche Präferenz für off-site-Sanierungen in ortsfesten Behandlungsanlagen gezeigt. Die Gründe für diese Entwicklung sind in den folgenden Vorteilen einer off-site-Behandlung zu sehen: es sind nicht für jedes Sanierungsvorhaben aufwendige -Genehmigungsverfahren durchzuführen; direkter Aushub und Abtransport mit Entfallen der Wartezeiten hinsichtlich der Installation mobiler Anlagen zur Bodensanierung; kein Platzbedarf am Schadensort; das kontaminierte Material wird in der Regel Eigentum des Sanierers und somit der Auftraggeber aus seiner weiteren Verantwortung für den Aushub entlassen; Bodenreinigungsanlagen sind prädestiniert, auch kleinere Bodenmengen im ökologisch und ökonomisch sinnvollen Rahmen anzunehmen und zu sanieren. In-situ-Bioremediationverfahren Bei der in-situ-Bioremediation verbleibt der kontaminierte Boden an Ort und Stelle. Sie wird eingesetzt, wenn eine oberflächliche Bebauung vorliegt, die Schadstoffe in großen Tiefen bis zum Grundwasserleiter eingedrungen sind und aufgrund des Umfangs und der tiefliegenden Kontamination ex-situVerfahren nicht einsetzbar bzw. viel zu teuer sind. Tiefgründige Kontaminationen erstrekken sich sowohl auf die oberen aeroben (mit Sauerstoff versorgten) als auch auf die tiefer liegenden anaeroben (mit Wasser gesättigten) Schichten. Die oberen Bereiche können durch Bodenluftabsaugung oder durch Bodenbelüftung („Bioventing“) von flüchtigen Kontaminanten, wie z. Bioremediation Kohlenwasserstoffen, gereinigt werden. Bei der Bodenluftabsaugung, die bei sandigen bis schwach bindigen Böden Anwendung findet, wird an den mit Folien abgedeckten Boden ein Vakuum angelegt, wodurch die flüchtigen Verbindungen aus dem Porenraum abgesaugt werden. Diese kontaminierte Luft wird anschließend über Biofilter oder Bodenwäscher gereinigt. Im Fall der Bodenbelüftung (Bioventing) wird der Boden durch Lanzen belüftet, wodurch den Mikroorganismen Sauerstoff zugeführt wird und aerobe Abbauprozesse gefördert werden. Zu diesem Zweck werden auch Sauerstoff, Wasser oder Nitrat injiziert. Dieses Prinzip leitet zu den hydraulischen Verfahren über, bei denen tieferliegende gesättigte Bodenschichten und Gewässerhorizonte (Aquifer) durchströmt werden. Das nach dem „Pump-and-treat“-Prinzip durch den kontaminierten Boden gepumpte und an der Oberfläche in Bioreaktoren oder Kläranlagen gereinigte Wasser kann erneut dem Kreislauf zugeführt werden. Im Rahmen der sehr anspruchsvollen hydraulischen Maßnahmen, bei denen die Geologie des Bodens zu berücksichtigen ist, werden in-situ- und ex-situ-Behandlungen gekoppelt. Durch Zusatz geeigneter Elektronen-Akzeptoren kann auch die Nutzung anaerober Abbauprozesse erreicht werden; alternierende Aerob/Anaerob-Behandlungen sind ebenfalls denkbar. Im Rahmen der in-situ-Bioremediationsverfahren tritt in den letzten Jahren verstärkt Natural Attenuation in den Vordergrund. Natural Attenuation hat nichts mit „Nichts tun und abwarten“ zu tun; vielmehr ist es das Bestreben, die in Ökosystemen ablaufenden Prozesse zu erkennen und ggf. zu steuern. An die Stelle aufwendiger technischer Maßnahmen tritt hier die verstärkte Nutzung ökologischer Prozesse. Durch umfassendes Monitoring wird versucht, Korrelationen zwischen kritischen biologischen und physiologischen Parametern, welche den Schadstoffabbau beeinflussen und Reaktionen der mikrobiellen Lebensgemeinschaft auf diese Parameter zu eruieren, limitierende Reaktionen des Abbaus zu identifizieren und ggf. gezielt fördernd einzugreifen, wobei auch längerfristige, über Jahre andauernde Prozeßlaufzeiten einkalkuliert werden. In den USA wird darüber hinaus vielfach die Phytoremediation genutzt. Darunter versteht man die Nutzung des komplexen Systems der Pflanzen und der RhizosphärenMikroflora zur Remediation von Böden, die durch organische Schadstoffe oder Schwermetalle kontaminiert sind. Phytoremediationsverfahren werden häufig mit dem Land-farming kombiniert. Perspektiven Bioremediationsverfahren werden bislang insbesondere bei Mineralölschadensfallen eingesetzt, wenngleich ihr Potential weitaus größer ist. Nischenlösungen sind im Bereich schwer abbaubarer Xenobiotika, d. h. Substanzen mit neuartiger chemischer Struktur und ggf. mit Substituenten, die in der Natur nicht oder nur sehr selten vorkommen, oder problematischer Schadstoffmischungen, die zu ökotoxikologischen Problemen führen können, durch den Einsatz adaptierter Spezialkulturen oder gentechnisch veränderter Mikroorganismen denkbar. Akkumulierende Dead-end Produkte können im Fall unvollständiger mikrobieller Abbauwege oder biochemisch inkompatibler Schadstoffmischungen u. U. toxischer sein als die Ausgangssubstanz selbst oder aber zu toxischen Produkten transformiert werden, die dann die mikrobielle Gemeinschaft destabilisieren und Abbauprozesse inhibieren. In diesen Fällen ist das rationale Design von Mikroorganismen mit geeigneten Abbauwegen eine Option. Für die Bioremediation von Mineralölkohlenwasserstoffen (MKW) oder polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) spielt diese Art der Bioaugmentation dagegen keine Rolle, wenn man von Biotensid-Produzenten absieht. Tenside können zur Erhöhung der Bioverfügbarkeit eingesetzt werden. Effektivität, Toxizität und Kostengründe sprechen dabei gegen eine exogene Zugabe von Tensiden für Bioremediationsanwendungen. Gegenüber synthetischen Tensiden weisen sogenannte Biotenside (Biosurfactants) entscheidende Vorteile auf: ihre Oberflächenaktivität ist sehr hoch; sie sind hitze- und pH- stabil; biologisch abbaubar und werden darüber hinaus in-situ produziert. Durch die gezielte Kombination von Biotensidgenen mit Abbauwegmodulen in gentechnisch konstruierten Stämmen lassen sich Ausmaß und Kinetik des Abbaus schlecht bioverfügbarer Schadstoffe nachhaltig verbessern. Im Fall des Vorliegens schwer löslicher Schadstoffe kann durch Einsatz thermophiler Mikroorganismen bei erhöhten Temperaturen eine verbesserte Löslichkeit der Schadstoffe erreicht werden. Bei allen erwähnten Bioremediationsoptionen muß allerdings festgehalten werden, daß der Trend heute mehr und mehr weg von kostenintensiven „High Tech“ Verfahren hin zu preisgünstigen Verfahren geht. Weiterführende Literatur: Erb, R. WI Eichner, C. A./ Wagner-Döbler, 1./ Timmis. K. N.: Bioprotection of microbial communities from toxic phenol mixtures by a genetically designed pseudomonad. Nature Biotechnology 15, o. O. 1997; Heiden, S. (Hrsg.) Innovative Techniken der Bodensanierung. Ein Beitrag zur Nachhaltigkeit. Heidelberg 1999; Heiden, S./ Erb, R./ Warrelmann, J./ Dierstein, R. (Hrsg.): Biotechnologie im Umweltschutz. Bioremediation: Entwicklungsstand, Anwendungen, Perspektiven, Berlin 1999; Michels, J./ Track, T./ Gehrke, U./ Sell, D. (Hrsg.): Biologische Verfahren zur Bodensanierung, im Erscheinen; Timmis, K. NI Steffan, R. J./ Unterman, R.: Designing microorganisms for the treatment of toxic wastes. Annu. Rev. Microbiol. 48, o. O. 1994.



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