Stabilitätspolitik
Sammelbegriff für politische Bemühungen, die Stabilität des ökonomischen Systems zu verbessern oder u.U. auch erst zu gewährleisten. Zielsetzung einer solchen Politik ist es zu verhindern, dass resistente Ungleichgewichte im ökonomischen System entstehen oder fortbestehen. Der Begriff Stabilität umfaßt mehr als nur Preisniveaustabilität. Dies entspricht dem allg. Verständnis von Stabilität, wie es sich z.B. im Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft von 1967 ausgedrückt hat. Es ist sinnvoll, Inflation und Arbeitslosigkeit als die Hauptindikatoren für eine mögliche Instabilität des ökonomischen Systems zu betrachten. Stabilitätspolitik zielt somit in erster Linie auf die Vermeidung von Inflation und Arbeitslosigkeit. Stabilitätspolitik erfordert die Aufwendung knapper Ressourcen. Sie ist folglich nur dann angebracht, wenn ihr Nutzen größer ist als ihre Kosten. Der Nutzen von Stabilitätspolitik (zumindest im Sinne der Arbeitslosigkeitsvermeidung) ist allerdings umstritten. Ein Nutzen tritt nur dann auf, wenn es im bestehenden Wirtschaftssystem Instabilitätstendenzen gibt, die sich immer wieder in Marktungleichgewichten (verbunden mit nichtbeschäftigtem Ressourcenangebot oder nichtbefriedigter Nachfrage) niederschlagen. Es besteht heute ein weitgehender Konsens in der Makroökonomik, dass eine langfristige Instabilität des Marktsystems eher unwahrscheinlich ist (jedenfalls in einem funktionierenden, nicht durch staatliche Regulierungen behinderten Marktsystem). Dagegen ist umstritten, ob es kurz-bis mittelfristige Instabilitätstendenzen gibt, die stabilitätspolitische Eingriffe rechtfertigen könnten. Die sog. Neue Keynesianische Makroökonomik glaubt, Lohn- und Preisinflexibilitäten nachweisen zu können, und zwar als das Ergebnis nutzenmaximierender Entscheidungen der Wirtschaftssubjekte. Dagegen unterstellen Vertreter der sog. Neuen Klassischen Makroökonomik vollkommende Lohn- und Preisflexibilität und folglich prinzipiell geräumte Märkte. Konjunktur- und Beschäftigungsschwankungen werden hier auf Angebotsreaktionen als Folge von unerwarteten Präferenz- oder Technologieänderungen zurückgeführt. Ein Beschäftigungsrückgang hat insoweit nichts mit unfreiwilliger Arbeitslosigkeit zu tun (Neue Makroökonomik). Die Notwendigkeit von Stabilitätspolitik im Sinne der Inflationsvermeidung durch angemessene Geldmengenpolitik wird in allen Lagern akzeptiert (Monetarismus). Uneinigkeit herrscht darüber, in welcher strategischen Form Stabilitätspolitik betrieben werden soll. Die traditionelle Stabilitätspolitik ist diskretionär. Sie beruht auf Fall-zu-Fall- oder Ermessensentscheidungen der jeweiligen Politiker und wird in jeder Periode aufgrund der jeweils vorliegenden Informationslage neu bestimmt (aktivistische Politikvariante). Das bekannteste Beispiel ist die traditionell-keynesianische antizyklische Konjunkturpolitik. Seit dem Ende der 60er Jahre ist diese Politik heftiger Kritik ausgesetzt. Die entscheidenden Einwände beziehen sich zum einen auf die Möglichkeit, dass der Staat durch sein diskretionär-aktivistisches Eingreifen die Konjunkturschwankungen noch verstärkt, was mit langen und instabilen Wirkungsverzögerungen der Politikeingriffe begründet wird. Zum anderen wird die früher dominierende Sichtweise des Staates als Gemeinwohlmaximierer angegriffen und ersetzt durch die realistischere Bezugnahme auf eigennutzmaximierende Wahl- und Berufspolitiker, die bewußt einen politischen Konjunkturzyklus auslösen. Außerdem wird die mögliche - Zeitinkonsistenz diskretionärer Wirtschaftspolitik hervorgehoben, die einen Inflationsbias in der Volkswirtschaft begründen kann. Diese Einwände gegen eine diskretionäre Stabilitätspolitik münden häufig in den Vorschlag einer Regelbindung, bei der sich die Politikbehörden auf eine langfristige Strategie festlegen. Eine Regelbindung · stabilisiere die Erwartungen der privaten Wirtschaftssubjekte; · versetze die Politikbehörden eher in die Lage, politischem Drängen von Interessengruppen nach expansiver Ausgabenpolitik zu widerstehen; · gebe den privaten Individuen bessere Kriterien an die Hand, um die Leistungen der Politikbehörden beurteilen und, wenn nötig, kritisieren zu können. Die gewählte Regel kann dabei entweder passiver oder aktiv(istisch)er Art sein. Eine passive Regel zeichnet sich dadurch aus, dass die Steuerungsvariable mit der Zwischenzielvariablen der Politik zusammenfällt (wie bei der Regel konstanten Geldmengenwachstums, auch FRIEDMAN-Regel genannt). Dagegen stellt eine aktive Regel eine Feedback-Variante dar. Dabei wird versucht, die Schwankungen einer Endzielvariablen (wie des Sozialprodukts oder des Preisniveaus) direkt oder über die Stabiliserung einer Zwischenziel-variablen (z.B. - Zinsniveau oder Wechselkurs) zu minimieren. Als Steuerungsvariable stehen die Geldmenge (und Währungsreserven), die Staatsausgaben und die Parameter der Steu- ern zur Verfügung. Es spricht vieles dafür, die Geldmenge als die zentrale Steuerungsvariable zu wählen, da hier die lags und die politischen Widerstände von Interessengruppen noch am geringsten sind. Die Frage nach der inhaltlichen Art der Regel stellt jedoch nur die eine Seite des stabilitätspolitischen Entscheidungsproblems dar. Die andere und von vielen Ökonomen derzeit als noch wichtiger angesehene Seite ist die Frage nach der Fristigkeit einer Regelbindung. Soll die Regel langfristig-starr festgelegt oder eher flexibel gehalten werden? Diese Frage ist stark umstritten. Für eine langfristig-starre Festlegung spricht das ZeitinkonsistenzArgument diskretionärer Wirtschaftspolitik. Für eine eher flexible Festlegung spricht der Nutzen der Flexibilität bei größeren Schockeinwirkungen und nicht sofort wirksamen Preisanpassungen. Eine Lösung dieses Entscheidungsproblems wird heute zunehmend gesucht in Form von institutionellen Anreizmechanismen und Sanktionsmechanismen, die das Zeitinkonsistenzproblem bei diskretionärer Politik abschwächen sollen. Wenn auch mit dem Begriff Stabilitätspolitik meist die makroökonomischen Varianten der - Geldpolitik und - Fiskalpolitik verbunden werden, sind jedoch auch mikroökonomische Varianten mitzuberücksichtigen. Wie schon angemerkt, wird in der Neuen Keynesianischen Ökonomik die dort unterstellte kurz- bis mittelfristige Instabilität des bestehenden Marktsystems auf rational begründbare Lohn- und Preisinflexibilitäten zurückgeführt. Die Lohn-und Preisinflexibilitäten selbst werden dabei mit Koordinierungsproblemen (Nichtinternalisierbarkeit von - Externalitäten) begründet. Demzufolge spricht vieles für die staatliche Bereitstellung der notwendigen institutionellen Vorkehrungen zur Überwindung dieser Koordinierungsprobleme und damit zum Abbau von Lohn-und Preisinflexibilitäten. Hierbei könnte man am ehesten an die Förderung oder Institutionalisierung von effizienten - Gleitklauseln oder von marktkonformer Einkommenspolitik denken. Schließlich stellt sich die Frage, ob Stabilitätspolitik international koordiniert werden sollte, und wenn ja, wie dies am besten zu geschehen hat. Die weltweit gewachsene ökonomische Interdependenz erfordert zweifelsohne zusätzliche stabilitätspolitische Anstrengungen oder Vorsichtsmaßnahmen auf nationaler Ebene. So werden beispielsweise aufgrund der Integration nationaler -p Finanzmärkte monetäre Schocks schneller und direkter von einem Land zum anderen weitergegeben. Das heiBt, die spill-over-Effekte nehmen an Gewicht zu. Folglich besteht sicherlich ein Bedarf an international koordinierter Stabilitätspolitik. Die Frage ist nur, welcher Art diese Koordinierung sein sollte. Der Vorteil eines institutionalisierten Informationsaustauschs als auch marktordnungspolitischer Koordinierung ist unbestritten. Dagegen bestehen Bedenken hinsichtlich der Effizienz und der Durchsetzbarkeit international koordinierter feingesteuerter Prozeßpolitik, dies sowohl aus theoretischen Überlegungen als auch aus den Erfahrungen früherer Versuche heraus. Literatur: Wagner, H. (1992). Mankiw, N.G., Romer, D. (1991). Blanchard,
0. , Fischer, S. (1989)
<< vorhergehender Fachbegriff |
|
nächster Fachbegriff >> |
|
|
|
|