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über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Finanzkonglomerateaufsicht

Eine Problematik von Finanzkonglomeraten kann sich in aufsichtsrechtlicher Sicht beim Fehlen einer gemeinsamen Aufsichtsbehörde ergeben: wenn separate Fachaufsichten für Wertpapierhäuser, Banken und Versicherungen existieren, nicht -wie in Deutschland die BaFin - eine gemeinsame Aufsichtsbehörde. Die aus Spartentrennung resultierende getrennte Beaufsichtigung kann dann zu Problemen führen, wenn die mit einer spartenübergreifenden Beteiligung verbundenen spezif. Risiken keine adäquate aufsichtssystematische Berücksichtigung finden. Gefahrenpotenziale resultieren aus der mangelnden Transparenz der Organi-sations- und Managementstrukturen, der Mehrfachbelegung von Eigenkapital sowie den Infektionsrisiken im Falle finanzieller Schwierigkeiten eines Gruppenunternehmens. Ziel einer diesbzgl. Aufsicht soll die umfängliche Erfassung der aus den unterschiedlichen Geschäften herrührenden Risiken und deren Wechselwirkungen sein, die zu einer besonderen Risikostruktur der sektorübergreifend tätigen Finanzgruppen beitragen. Die zunächst ergangene EU-Richtlinie zur Stärkung der Beaufsichtigung von Finanzunternehmen (BCCI-Folgemassnahmen-richtlinie) beinhaltete verbesserte Aufsichtsregelungen, die insb. durch gruppenweite Kontrolle der Konglomerate gewährleistet werden sollten sowie durch eine Führungsaufsicht, die Informationen über Kapital-, Management-und Rechtsstrukturen der Konglomerate sammelt, ihre Finanzkraft weltweit überwacht und Eingriffe koordiniert. Diese kaum wirksame Massnahme wurde durch die EU-Finanzkonglomeraterichtlinie deutlich verbessert, ihre Umsetzung in deutsches Recht 2005 wirksam. Damit wird auch die regulatorische Antwort auf eine Problematik gegeben, die die deutschen Finanzmärkte in den beiden letzten Jahrzehnten unter Stichwörtern wie Allfinanz bzw. - spezif., aber kaum sinnvoll - als Bankassurance und Assurbanking befasst hat. Veränderte Marktbedingungen haben Banken und Versicherungsunternehmen zu Kooperationen unterschiedlichster Form veranlasst. Aufsichtsrechtliche Relevanz weisen solche jedoch erst auf, wenn in einer Unternehmensgruppe branchenübergreifend sowohl Bank- und Wertpapier- als auch Versicherungsdienstleistungen erbracht werden. Die Bedeutung solcher sektorübergreifend tätigen Unternehmensgruppen ist in Europa von Land zu Land unterschiedlich. In Deutschland haben Finanzkonglomerate grössere Bedeutung auf dem Versicherungssektor, dagegen im Bankensektor weniger. Kern des neuen Aufsichtsregimes ist, spe-zif. Eigenkapitalanforderungen auf der Ebene des Finanzkonglomerats einzurichten und Risikokonzentrationen sowie gruppeninterne Transaktionen eines solchen Konglomerats gesonderter Überwachung zu unterstellen. Banken, Wertpapier- und Versicherungsunternehmen, die Teil eines solchen Konglomerats sind, unterlagen bis 2005 keiner gruppenweiten Beaufsichtigung, obwohl einige Konglomerate zu den grössten Akteuren an den Finanzmärkten gehören und Finanzdienstleistungen weltweit anbieten. Sehen sich solche Finanzkonglomerate ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten ausgesetzt, kann dies die Stabilität des Finanzsystems gefährden und Bankkunden, vor allem Sparern und Kapitalanlegern, sowie Versicherungsnehmern erheblichen Schaden zufügen. Sektorale Rechtsvorschriften reichen wegen unterschiedlicher Ansätze nicht immer zur adäquaten Beaufsichtigung sektorübergreifend tätiger Gruppen aus. Zusätzliche Aufsichtsvorschriften für Finanzkonglomerate sollen die Lücken in geltenden branchenbezogenen Rechtsvorschriften schliessen und solide Beaufsichtigung von zusätzlichen Risikopotenzialen bei Finanzgruppen mit branchenübergreifenden Finanztätigkeiten gewährleisten. Vertraglich begründete Vertriebskooperationen zwischen Banken und Versicherungsunternehmen, wie in Deutschland vielfach, wie auch nichtqualifizierte Minderheitsbeteiligungen zwischen den Sektoren fallen nicht in den Anwendungsbereich der umgesetzten Richtlinie. Von der zusätzlichen Beaufsichtigung erfasst werden nur Allfinanzansätze, die auf Konzernbildung beruhen. Im Vordergrund steht dabei die Beurteilung der Finanzlage auf der Ebene des Konglomerats, insb. dessen Solvabilität unter Ausschluss einer Mehrfachbelegung von Eigenkapitalbestandteilen; zugleich sollen Risikokonzentrationen und gruppeninterne Transaktionen überwacht werden. Für andere Allfinanzstrategien, die mangels Konzernbildung nicht als Finanzkonglomerate in die zusätzliche Überwachung einbezogen werden, müssen eigene Ansätze gefunden werden. Mit Bestimmungen in §§ 7 KWG/84 VAG zum Informationsaustausch bestehen bereits rechtliche Grundlagen einer engen, auch sektorübergreifenden Zusammenarbeit zwischen Versicherungs- und Bankenseite der BaFin einerseits, der Bundesbank andererseits zur Beaufsichtigung auch dieser Allfinanzstrategien. Zu berücksichtigen ist hier weiter, dass zudem Berührungspunkte zwischen Bank- und Versicherungsbranche u.a. über direkte Kreditbeziehungen, Transfer von Kreditrisiken, Konvergenz der Produktmärkte und gemeinsame Kapitalmarktabhängigkeit ständig zunehmen. Um Aufsichtsarbitrage zwischen sektoralen Aufsichtsvorschriften und Vorschriften für Finanzkonglomerate zu verhindern, werden mit der Richtlinie zugleich Mindestanpassungen an den bestehenden Branchenvorschriften zur Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen vorgenommen. Da die branchen-spezif. Aufsichtsvorschriften dadurch aber keineswegs bereits harmonisiert sind, ist die Einführung dieser zusätzlichen Beaufsichtigung von Finanzkonglomeraten nach der vorliegenden Richtlinie nur ein erster Schritt. Zur Gewährleistung der (internationale Effizienz der zusätzlichen Beaufsichtigung von Finanzkonglomeraten sieht die Finanzkonglomeraterichtlinie vor, dass bei zuständigen Behörden in mehreren betroffenen EU-Mitgliedstaaten eine zum Koordinator bestimmt wird. Dessen Aufgabe ist die Abstimmung und Durchführung der zusätzlichen Beaufsichtigung dieses Finanzkonglomerats. Die Bestimmung des Koordinators obliegt dabei den jeweils zuständigen nationalen/sektoralen Aufsichtsbehörden, die sich bei der Auswahl an bestimmten Kriterien wie Sitz und Grösse der Unternehmen sowie Bedeutung des jeweiligen Sektors im Konglomerat orientieren sollen. Der Koordinator hat jedoch keine Entscheidungs- oder gar Durchsetzungsbefugnisse, die Zuständigkeiten der anderen beteiligten Aufsichtsbehörden berühren würden.



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