Systemtheorie
(systemtheoretischer Ansatz): Die Entwicklungslinien der systemtheoretischen Ansätze in der Managementlehre reichen einerseits in die Soziologie und soziologische Organisationstheorie mit den Arbeiten von Talcolt Parsons zurück; andererseits haben sie ihre Wurzeln in der Biologie, der Kybernetik und der Informationstheorie - zu erwähnen sind hier insbesondere die Arbeiten des österreichischen Biologen Ludwig von Bertalanffy, der eine Allgemeine Systemtheorie entwickelte.
Besondere Beachtung fand einerseits die Idee des kybernetischen Regelkreises und seine Anwendung für die Unternehmenssteuerung und -kontrolle. Das zentrale, daraus abgeleitete Managementproblem ist die Erhaltung und Stabilisierung eines Systemgleichgewichts. Der Kontrolle als Quelle der bestandskritischen Rückkoppelung fällt dabei unter den Managementfunktionen eine Schlüsselrolle zu.
Mit dem systemtheoretischen Ansatz gelang es erstmals, die Außenbezüge der Unternehmung systematisch zu erfassen und zum Gegenstand der Theorienbildung zu machen. Ausgangspunkt der Überlegungen ist eine komplexe und veränderliche Umwelt, in der zu handeln ohne eine signifikante (Komplexitäts-) Reduktionsleistung nicht möglich ist. Systeme werden als Handlungseinheiten begriffen, die die Probleme einer komplexen und veränderlichen Umwelt in einem kollektiven arbeitsteiligen Leistungsprozess bewältigen, wenn sie ihren Erhalt gewährleisten wollen. Systeme, die die Umwelt unbeantwortet lassen, also kein Komplexitätsgefälle zwischen System und Umwelt aufbauen und erhalten, können nicht bestehen. Dies bedeutet, dass Systeme fortwährend vom Zerfall bedroht sind, Entropie.
Die Komplexität der Umwelt beantworten, heißt zunächst einmal, dass Systeme in sich Strukturen schaffen müssen, die eine Bewältigung der Umweltbezüge ermöglichen. Eine komplexe Umwelt erfordert eine entsprechend komplexe Binnenstruktur, um die vielfältigen Umweltbezüge erfassen und aufarbeiten zu können (law of requisite variety).
Das bekannteste Muster der Verarbeitung komplexer Umwelten ist die Herausbildung von Subsystemen, die eine Spezialisierung auf bestimmte Systemfunktionen ermöglichen, z.B. stabilisie- rende Subsysteme, innovierende Subsysteme, außenbezogene Subsysteme, integrierende Subsysteme. System bzw. Umweltbezug heißt aber auch, dass Veränderungen in der Umwelt immer wieder neue Probleme für das System stellen und damit in aller Regel eine Veränderung des Systems nach sich ziehen. Die Bestandserhaltung stellt sich daher als permanentes Problem, sie wird durch die einmal gefundene Selektionsleistung nicht definitiv gelöst.
In der Theorie offener Systeme wird das System nicht nur als Anpasser konzeptualisiert, sondern man geht vielmehr davon aus, dass das System/-Umweltverhältnis interaktionaler Natur ist, d.h. eine Unternehmung (= System) steht unter starkem Umwelteinfluss, hat aber auch selbst die Möglichkeit, gestaltend auf die Umwelt einzuwirken. Systeme besitzen eine begrenzte Autonomie, in deren Rahmen sie regelmäßig zwischen verschiedenen Handlungsalternativen wählen können.
Für die Managementlehre ist die Systemtheorie von nachhaltigem Einfluss gewesen. Viele Themen und Probleme, die von der Systemtheorie formuliert wurden, sind heute zum Standard geworden. Wiederum ist es die Organisationstheorie gewesen, die als erste die Impulse aus der Systemtheorie in Konzepte umgesetzt hat. Herausragende Anwendungen sind die Studien zum Einfluss der Umwelt auf die Organisation und zur Interaktion von Organisation und Umwelt. Zwei Strömungen haben dabei eine besondere Aufmerksamkeit gefunden:
· Das Ressourcen-Abhängigkeits-Theorem: Es verdichtet den weitläufigen Systemumweltbezug auf ein zentrales Problem, nämlich die Abhängigkeit von externen Ressourcen. Das Unternehmen benötigt zur Leistungserstellung Ressourcen verschiedener Art, über die es in der Regel nicht selbst, sondern externe Organisationen verfügen. Es steht damit zwangsläufig in zahlreichen engen Austauschbeziehungen zu anderen Organisationen (vertikaler Leistungsverbund). Der Grad, in dem dieser Leistungsaustausch zur Ressourcenabhängigkeit wird, hängt ab von dem Ausmass, in dem die Unternehmung Ressourcen benötigt, die eine andere Organisation besitzt, und inwieweit auch andere Organisationen der Unternehmensumwelt die benötigten Ressourcen anbieten (oder Substitute verfügbar sind). Ressourcenabhängigkeit, die bei einem Vorhandensein von Großabnehmern analog auch zur Outputseite hin entsteht, zieht eine Reihe von Unwägbarkeiten, also Ungewißheit nach sich, die die Effizienz des täglichen Leistungsvollzugs bedrohen und die Planung zukünftiger Aktivitäten behindern. Das Unternehmen muss daher — um seinen Bestand zu sichern — bestrebt sein, diese Unwägbarkeiten soweit als möglich beherrschbar zu machen. Neben internen Vorkehrungen (Abpufferung, Flexibilisierung usw.) kommt dazu primär der Aufbau kooperativer Beziehungen zu den vorgelagerten Systemen in Frage. Der Ressourcen-Abhängigkeits-Ansatz zeigt eine ganze Skala solcher Kooperationsstrategien zur Steigerung der Umweltkontrolle auf. Sie reichen von der Kooptation über den Abschluss langfristiger Verträge bis hin zum — Joint-venture.
· Der ökologische Ansatz: Eine andere neuere Strömung in der Managementlehre, die an Themen der Systemtheorie anschließt, ist der ökologische oder evolutionstheoretische Ansatz. Dieser insgesamt stark an der Biologie orientierte Ansatz interessiert sich primär für den evolutionären Ausleseprozess und versucht die Frage zu beantworten, weshalb bestimmte Systeme ihr Überleben sichern können, andere dagegen nicht. Die Idee ist, dass die Umwelt wie in der Natur aus der Vielfalt der Systeme diejenigen ausfiltert, die sich an die speziellen externen Gegebenheiten nicht oder eben nicht hinreichend angepaßt haben. Unangepaßte Systeme werden ausgelesen, neue Systeme entstehen, der evolutorische Prozess formt die Entwicklung und Zusammensetzung der Systempopulation nach seiner Dynamik.
Vom Ergebnis her führt der evolutionstheoretische Ansatz in ein Paradox — zumindest für die Managementlehre. Die Bedeutung der betrieblichen Steuerungsleistung und antiziplerenden Systemgestaltung tritt zurück zugunsten eines unbeherrschbaren Ausleseprozesses, der noch nicht einmal seine zukünftige Ausleselogik freigibt. In der Konsequenz treten auf einzelwirtschaftlicher Ebene Glück und Zufall als zentrale Erklärungsfaktoren für den Erfolg in den Vordergrund.
Beim systemtheoretischen Ansatz orientiert sich das - Führungsverhalten am Zusammenspiel aller Komponenten des Führungsprozesses. Der Manager muss systemtheoretisch und praktisch denken können und logistische Prozesse analysieren und steuern.
Der systemtheoretisch definierte Managementprozess hat vier thematische Schwerpunkte:
(1) Selektion
(2) Kontingenz bzw. Risikokompensation
(3) Entwicklung (Suche nach neuen Grenzbestimmungen)
(4) die Eigenkomplexität des Handlungssystems Unternehmung.
Diese vier Themen sind nur auf dem Hintergrund der Basisrelation von System und Umwelt begreiflich, die deshalb auch die Basisfigur eines systemtheoretisch geleiteten Konzepts des Managementprozesses ist.
Die klassischen Managementfunktionen können im Sinne formaler Aufgabenkategorien weiter Verwendung finden, jedoch mit geänderter Bedeutung und Ordnung. Der Zusammenhang der Managementfunktionen und ihre Steuerungslogik werden im wesentlichen bestimmt durch den zuletzt genannten vierten Gesichtspunkt, die Eigenkomplexität des Handlungssystems Unternehmung.
Der Managementprozess wird definiert durch die Abfolge der drei abstrakten Systemfunktionen Selektion, Kompensation und Entwicklung. Alle fünf Managementfunktionen tragen zu diesen generellen Funktionen bei, wenn auch mit unterschiedlichem Gewicht. Die Planung hat ihren Schwerpunkt bei der Selektion, die Kontrolle in der Kompensation. Die Organisation ist ihrem Wesen nach eher ein Instrument der Selektion, trägt aber auch wesentlich zur Öffnung des Systems bei. - Führung und - Personaleinsatz sind für alle Systemfunktionen gleichermaßen bedeutsam.
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