High Tech-Marketing
Waren es in den siebziger Jahren vor allem klassische Diversifikationsstrategien, die das Untemehmenswachstum und den Erfolg sichern sollten, so erschien in den achtziger Jahren ein neuer Silberstreif am Wachstumshorizont: High Tech. Ausgelöst durch die außergewöhnlichen Erfolge junger Unternehmungen wie Compaq oder Lotus, aber auch motiviert durch die fortgesetzte Diskussion um die Aushöhlung der Technologiepotentiale durch den Konkurrenzdruck aus Fernost, versuchen immer mehr Unternehmen, am Wachstumspotential der sog. High Tech- Branchen zu partizipieren. Dabei zeigt sich jedoch immer wieder, dass der Erfolg von Produkten der Hochtechnologie nicht allein vom technologischen Know-how und damit von F&E-Investitionen abhängt, sondern insbesondere von den betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen und vornehmlich vom Marketing bestimmt wird. Dabei unterscheidet sich das High Tech-Marketing vom „klassischen“ Marketing dadurch, dass die Gesamtheit strategischer und operativer Entscheidungen sowie die daraus resultierenden Marketingaktivitäten auf High Tech-Märkte gerichtet sind.
Trotz branchenspezifischer Unterschiede gibt es eine Reihe gemeinsamer struktureller Herausforderungen, die für High Tech-Märkte typisch sind. Dies betrifft zunächst sowohl technologische als auch strategische Unsicherheiten. Die technologische Unsicherheit ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass mehrere Technologien um die Anerkennung als Industriestandard konkurrieren und dieser laufend durch neue technologische Entwicklungen bedroht ist. Diese technologische Unsicherheit ist häufig mit einer strategischen Unsicherheit verbunden, sofern sich noch keine der von den Anbietern verfolgten Strategien als „richtig“ erwiesen hat. Diese Unsicherheiten rufen weitere strukturelle Besonderheiten von High Tech-Märkten hervor. So bestehen aufgrund des Fehlens anerkannter Spielregeln und mangelnder Größenvorteile kaum Markteintrittsbarrieren, wodurch laufend neue Anbieter auftreten, die am unausgeschöpften Potential dieser Märkte partizipieren wollen.
Weiterhin hat die dynamische Technologieentwicklung eine stetige Verkürzung der Produkt- und Marktlebenszyklen zur Folge. Gleichzeitig verlängern sich jedoch aufgrund der erhöhten Technologiekomplexität die Innovations- und Entstehungszyklen der Produkte. Dies führt letztlich dazu, dass die hohen Investitionen in der Innovationsphase mit immer kürzeren Pay-Back-Zyklen verbunden sind. Schließlich führen speziell die technologischen Unsicherheiten zu einer für das Marketing besonders problematischen Verunsicherung der Nachfrager (fehlende Produktstandards, schnelle Veralterung, Preis verfall), die letztlich in Marktwiderständen und Kaufbarrieren münden.
Aufgrund der besonderen Bedeutung des technologischen Know-how in High Tech-Märkten ist zunächst hervorzuheben, dass die Technologiestrategie als Grundsatzentscheidung hinsichtlich der Entwicklung und Umsetzung von Technologien den Orientierungsrahmen für das High Tech-Marketing bildet. Dabei erweisen sich fokussierte Technologiestrategien in aller Regel gegenüber differenzierten als überlegen. So sind - empirischen Untersuchungen folgend - High Tech-Anbieter immer dann besonders erfolgreich, wenn sie ihre F&E auf eine oder allenfalls zwei Technologiedisziplinen fokussieren.
Diese Fokussierung setzt sich im Rahmen der Marktwahlstrategien fort. Auch hier zeigt sich, dass eine Spezialisierung der Anbieter auf bestimmte High Tech-Produkte einer breiten Differenzierung überlegen ist. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Geschäftsfeldwahl in High Tech-Branchen vornehmlich unter Berücksichtigung technologischer Synergiepotentiale zu treffen ist.
Mit der Geschäftsfeldwahl ist gleichzeitig auch die räumliche Marktabdeckung angesprochen. Die verkürzten Lebenszyklen und die geringen Markteintrittsbarrieren in High Tech-Branchen führen dabei zu der Herausforderung, die Märkte räumlich möglichst umfassend abzudecken. Dies zwingt zu einer Auseinandersetzung mit der Fragestellung, welche Inter-nationalisierungsstrategie High Tech-Anbieter verfolgen sollen. Sofern sie nicht in blockierten Märkten wie der Rüstungsindustrie oder der Telekommunikation operieren, dominieren -insbesondere bei Investitionsgütern - nahezu grundsätzlich Globalisierungsvorteile die Lokalisierungserfordernisse. Deshalb sind für High Tech-Anbieter Globalisierungsstrategien angezeigt.
Neben der Marktwahl ist eine weitere Besonderheit des strategischen Marketing in High Tech-Branchen die Frage des Markteintritts. Hier ist zunächst zwischen zwei wesentlichen Markteintrittsstrategien zu differenzieren. Zum einen kann der eigenständige Markteintritt in Form einer Innovationsstrategie durch sog. „Start Ups“ oder durch eine interne Diversifikation erfolgen. Zum anderen ist eine externe Diversifikation durch die Akquisition von Lizenzen, Patenten oder gesamter Unternehmen, aber auch durch Kooperationen zu erwägen.
In engem Zusammenhang zur Markteintritts Strategie steht die Wahl des Markteintrittszeitpunktes. Hier kann zwischen Pionieren und frühen sowie späten Folgern unterschieden werden. Für jede dieser Timing-Strategien werden unterschiedliche Vor- und Nachteile diskutiert, so dass keine eindeutigen Strategieschwerpunkte für High Tech-Branchen abgeleitet werden können. Neben den strategischen Besonderheiten des High Tech-Marketing sind auch innerhalb des Marketinginstrumentariums Anpassungen gegenüber dem klassischen Konsumgütermarketing vorzunehmen. Dabei zeigt sich eine enge Verwandtschaft zum Industriegütermarketing.
Im Rahmen der Produktpolitik dominiert neben dem Zwang zu permanenten Produktinnovationen die Durchsetzung von Industriestandards, um so die technologische Unsicherheit zu begrenzen. Darüber hinaus sind aufgrund der Erklärungsbedürftigkeit der Produkte Serviceleistungen wie Schulungen oder Wartungsaufgaben von besonderer Bedeutung. Innerhalb der Kommunikationspolitik liegen die inhaltlichen Schwerpunkte auf der Bekanntmachung der Information über die neuen Produkte sowie über die zugrunde liegenden Technologien. Hierzu werden weniger die Instrumente der klassischen Werbung und Verkaufsförderung eingesetzt. Vielmehr dominiert die persönliche Kundenbetreuung und -beratung. Innerhalb der Preispolitik sind Preisspielräume dann zu erreichen, wenn es dem High Tech-Anbieter gelingt, technologische Vorsprünge zu realisieren und zu kommunizieren. Gelingt dies nicht, so wird die Preissetzung in besonderem Maße durch Konkurrenzpreise bestimmt. Nicht zuletzt diese Preisinterdependenzen führen zu dem in High Tech-Märkten regelmäßig zu beobachtenden Preisverfall. Schließlich sind im Rahmen der Distributionspolitik „kurze“ Absatzwege regelmäßig von Vorteil. Dies liegt insbesondere darin begründet, dass bei direkten Vertriebswegen die Kundenkontakte konsequenter zu gestalten und besser zu personalisieren sind.
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