Zins
Der Zins ist das Entgelt für die Zurverfügungstellung eines bestimmten Geldbetrages durch einen Gläubiger für einen Schuldner. Das Geld, das verzinst wird, wird als Kredit oder Darlehen zur Verfügung gestellt. Die Bezeichnung Zins wird dabei ebenso verwendet für den Prozentsatz, mit dem die geliehene Geldsumme für eine vereinbarte Zeit bezahlt werden soll (Zinssatz), als auch für den entsprechenden Geldbetrag des Entgeltes. Der Zins wird theoretisch gefaßt als das Entgelt für die Übereignung von Liquidität an den Geldnehmer plus einer bestimmten Quote zum Ausgleich der Geldentwertung plus einer Risikoprämie. Auch der Zins orientiert sich in seiner Höhe wie jeder Preis an Angebot und Nachfrage am Markt für Geld und Kapital.
Dabei ist dieser Markt nicht einschichtig, sondern vielfältig. Er besteht aus mehreren Teilmärkten, auf denen sich die Zinsen voneinander unterscheiden, allerdings zugleich auch voneinander abhängig sind, also miteinander korrespondieren. Es gibt Zinssätze für die Kredite der Zentralbank an die Geschäftsbanken (Diskontsatz), Zinssätze für Kredite dieser Banken an andere Banken sowie an ihre Geschäftskunden. Zinssätze für den Kapitalmarkt, also unter anderem für Wertpapiere, und andere Zinssätze. Von entscheidender Bedeutung für die Höhe der Zinsen ist neben dem allgemeinen Zinsnivau die Dauer der leihweisen Überlassung von Geld (Laufzeit des Kredites). Wegen des höheren Risikos für den Kapitalgeber sind die Zinsen für langfristige Darlehen in der Regel höher als bei kurzfristigen. Die Zinspolitik der Zentralbanken (Bundesbank, Europäische Zentralbank) hat einen wesentlichen Einfluß auf die wirtschaftliche Dynamik.
Allgemein kann der Zins als Entgelt überhaupt für eine zeitweise Überlassung definiert werden.
Aus diesem Grunde waren früher und sind teilweise in Süddeutschland und Österreich noch heute Begriffe wie Mietzins oder Pachtzins üblich. Sprachgeschichtlich stammt das Wort Zins vom lateinischen »census« ab, was Einschätzung/Schätzung, Vermögen, Besitz, Bürger- und Vermögensliste, aber auch Volkszählung bedeutet. Im Feudalismus verstand man unter Zins die dem Lehnsherren zu leistenden Abgaben. Die heutige Bedeutung setzte sich mit dem Entstehen des modernen Bank- und Kreditsystems im 16. Jahrhundert durch (Geldgeschichte III).
(Zinssatz, Zinsfuß) Preis für die zeitweilige Überlassung von Kaufkraft. Der Zins wird im Rahmen von Verträgen ausgehandelt, die für eine gewisse, extremstenfalls auch ewige Zeitdauer gelten und Vermögens- werte betreffen. Er ist darum ein Bestandshaltepreis (im Gegensatz zu Kaufpreisen, die bei definitiver Überlassung eines Gegenstandes berechnet werden). Die Eigenschaft des Zinses kommt in der Definition
am deutlichsten zum Ausdruck: Der Zins ist die relative Änderungsrate z einer Variablen x; seine Dimension ist Eins pro Zeiteinheit. Als Differentialgleichung aufgefaßt, führt die Zinsdefinition (bei konstantem Wert x* ) zur Anfangswertlösung
Sie beschreibt den (kontinuierlichen) Zeitpfad einer Geldbetragsschuld x(t), beginnend mit dem Anfangswert x
(0). Die zugehörige diskrete Form für das Intervall h lautet:
Ihr entspricht die Anfangswertlösung
Der Zeitpfad trägt hier beispielsweise einem Darlehensvertrag Rechnung, in dem die Darlehensvaluta xo als Hauptschuld und darüber hinaus eine Nebenschuld mit konstantem Zinsft und Zinseszins bedungen sind. Für 1 Periode angesetzt und in der Schreibweise zeigt sich der Unterschied zwischen dem Zins als relativer Änderungsrate ic und Zinsen als Stromgröße . Die Beziehung zwischen dem Zins x* (force of interest) als Bestimmungsgröße der kontinuierlichen Form und dem Zins x als Bestimmungsgröße der diskreten Form ist aus dem Vergleich der beiden Zeitreihen x(t) und xi zu gewinnen:
Zieht man vom Nominalzins die (relative) Inflationsrate 1dp/pdt = p ab, so gelangt man zum Realzins, einem Konstrukt, das die Entwicklung der Geldwertschuld (im Gegensatz zur Geldbetragsschuld) erfaßt. Die zugehörige Theorie rankt sich um den - FISHER-Effekt, der allerdings an die Stelle der aktuellen Inflationsrate die erwartete Inflationsrate setzt. Bei der Analyse effizienter Finanzmärkte erscheint der Zins in der Rolle des Gleichgewichtszinses. Es gibt in der Realität nicht »den« Zins, sondern nur eine Vielfalt an Zinssätzen, differenziert nach Merkmalen wie Bonität und Laufzeit. In systematischer Auflistung bilden sie eine Zinsstruktur. Das Phänomen Zins wird seit Menschengedenken kontrovers diskutiert. Als Kriterium von Kreditverträgen, die im Zeichen der Not geschlossen werden, gerät der Zins schnell in die Nähe des moralisch verdammenswürdigen Wuchers. Marktwirtschaftlich orientierte Ökonomen neigen dazu, seine Rolle als Garant einer effizienten Allokation hervorzuheben und die distributive Wirkung hinzunehmen oder sogar als systemimmanentes Stimulans positiv einzuschätzen. Aus der Sicht des Schuldners ist nach Auszahlung der Darlehensvaluta der Barwert künftiger Leistungspflichten aus Haupt- und Nebenschulden naturgemäss negativ. Die Versuchung, sich den Leistungspflichten zu entziehen, ist folglich groß. Das Schuldrecht stellt darum ein wichtiges Institut dar, um den Interessenkonflikt zu lösen und die im Zusammenhang mit Kreditgeschäften stehenden Informations- und Transaktionskosten, die sich im (Brutto-)Zins als Preis für die Überlassung von Kaufkraft niederschlagen, in Grenzen zu halten. Bei souveränen Schuldnern muss man angesichts der geringen Durchsetzungskraft des Völkerrechts darauf vertrauen, dass der souveräne Schuldner seine Kreditwürdigkeit nicht für die Zukunft untergraben bzw. den künftigen Zins überschaubar halten will. Literatur: Filc, W. (1992)
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