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über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Zinsstruktur

Verhältnis aller zu einem bestimmten Zeitpunkt an den monetären Märkten geltenden effektiven Zinssätze zueinander. Die in der Realität zu verzeichnende Vielzahl verschieden hoher Zinssätze für finanzielle Aktiva basiert im wesentlichen auf Bonitätsunterschieden der Schuldner, auf räumlichen oder regionalen Differenzierungen sowie auf unterschiedlichen Fristigkeiten oder (Rest-)Laufzeiten von Schuldtiteln. Daneben spielen auch Unterschiede in den sonstigen Ausstattungsmerkmalen, wie z.B. die steuerliche Belastung von Zinserträgen oder die Tilgungsmodalitäten, eine Rolle für die jeweilige Zinshöhe von Finanzaktiva. Die Verschiedenartigkeit der sich z.T. überlagernden Zinsstrukturerklärungen erschwert eine befriedigende theoretische und empirische Analyse der Zinsstruktur nicht unerheblich. Deshalb konzentriert sich die Theorie der Zinsstruktur überwiegend auf eine Erklärung des Zusammenhangs von Zinshöhe und Fristigkeit von Wertpapieren einer ganz bestimmten Kategorie, z.B. von öffentlichen Schuldtiteln. Die graphische Abbildung dieses Zusammenhangs ergibt eine sog. Zins- bzw. Renditenstruktur-kurve. Eine solche Theorie der zeitlichen Zinsstruktur bzw. Fristigkeitsstruktur der Zinssätze beleuchtet somit nur einen Teilaspekt einer allg. Zinsstrukturtheorie. Als normale, weil empirisch am häufigsten zu beobachtende Zinsstruktur wird dabei eine mit der Restlaufzeit ansteigende Rendite der Wertpapiere bezeichnet, während man im umgekehrten Fall von einer inversen Zinsstruktur spricht. Die z.T. konkurrierenden theoretischen Erklärungen lassen sich generell auf drei grundlegende Ansätze zurückführen. Im Rahmen der Erwartungstheorie (Irving FISHER) ist der gegenwärtige langfristige Zins gleich dem (geometrischen) Durchschnitt des gegenwärtigen kurzfristigen Zinses und der bis zum Ende der Laufzeit der langfristigen Anlage erwarteten kurzfristigen Zinssätze. Dahinter steht die Überlegung, dass eine Geldanlage für einen bestimmten Zeitraum den gleichen Ertrag bringen muß, und zwar unabhängig davon, ob der Betrag einmalig in einem längerfristigen Papier oder mehrmals hintereinander in kurzfristigen Papieren angelegt wird. Wird nun allgemein ein Ansteigen der kurzfristigen Zinssätze erwartet, so muss der gegenwärtige langfristige Zins über dem gegenwärtigen kurzfristigen Zins liegen. Eine solche Konstellation entspricht dann einer normalen Zinsstruktur. Zinssenkungserwartungen begründen dagegen eine inverse Zinsstruktur. In ihrer rudimentären Form klammert die Erwartungstheorie die Existenz von Risiken aus. Zudem verfügen alle Marktteilnehmer über sichere und identische Erwartungen. Die Marktsegmentierungstheorie (John M. CULBERTSON) geht dagegen von einem strikt risikoaversen Verhalten der Wirtschaftsteilnehmer aus und berücksichtigt Unsicherheiten hinsichtlich der Zins- und Kurserwartungen. Letzteres begründet für die Marktteilnehmer entweder ein Einkommensrisiko oder ein Kapitalrisiko, sofern die gewünschte Anlagedauer bzw. der Zeitraum der Mittelaufnahme von der Wertpapierlaufzeit abweicht. Da Anbieter und Nachfrager am Wertpapiermarkt zur Risikovermeidung jeweils eindeutige Präferenzen nur für ganz bestimmte Laufzeiten haben, zerfällt der Wertpapiermarkt in viele nach Laufzeiten abgegrenzte Marktsegmente, zwischen denen keine Arbitragebewegungen stattfinden. Die Zinsen auf den einzelnen abgeschotteten Teilmärkten und damit die Struktur der Zinssätze sind somit das zufällige Resultat der jeweiligen Angebots-und Nachfragekonstellationen auf den verschiedenen Marktsegmenten. Im Rahmen der Liquiditätsprämientheorie (John R. HICKS) werden ebenfalls Präferenzen der Marktteilnehmer für bestimmte Laufzeitbereiche berücksichtigt. Die Kapitalgeber bevorzugen danach aus Vorsichtsgründen grundsätzlich eine liquide und damit eher kürzerfristige Bindung ihrer Mittel, während die Kapitalnehmer im Interesse einer möglichst langen und sicheren Verfügbarkeit überwiegend eine Vorliebe für längerfristige Mittelaufnahmen haben. Eine sich daraus ergebende sog. konstitutionelle Schwäche am langen Ende des Wertpapiermarktes kann überwunden werden, indem die Kapitalnehmer die Kapitalgeber durch die Gewährung einer mit der Wertpapierlaufzeit positiv korrelierten Liquiditäts(-verzichts-)prämie zu einer längerfristigen Mittelanlage anregen. Im Gegensatz zur Marktsegmentierungstheorie läßt sich im Rahmen der Liquiditätsprämientheorie somit eine Substituierbarkeit für Wertpapiere unterschiedlicher Laufzeit über einen entsprechenden Ertrags- bzw. Risikoaufschlag herbeiführen. Eine normale Zinsstruktur spiegelt damit den z.T. auch als natürlich bezeichneten Tatbestand wider, dass ein Liquiditätsverzicht bzw. ein größeres Kursrisiko bei einer längerfristigeren Wertpapieranlage positiv entgolten wird. Die Liquiditätsprämientheorie wird zumeist nicht zur alleinigen Zinsstrukturerklärung herangezogen, sondern sie wird vielmehr als eine Ergänzung der Erwartungstheorie verwendet. Im Zusammenwirken beider Ansätze bedarf es dann keiner expliziten Annahme von Zinssteigerungserwartungen mehr, um eine normale Zinsstruktur zu erklären. In Verbindung mit Zinssteigerungserwartungen wird allerdings eine normale Zinsstruktur-kurve in einen steileren Verlauf übergehen, während Zinssenkungserwartungen erst dann zu einer inversen Zinsstruktur führen, wenn der erwartete Zinsrückgang die Liquiditätsprämien übersteigt. In diesem Zusammenhang wird durch die zusätzliche Berücksichtigung des sog. FISHER-Theorems häufig noch ein Zusammenhang zwischen Zins- und Inflationserwartungen hergestellt. Dabei wird vereinfacht davon ausgegangen, dass sich der Nominalzins aus einem weitgehend konstanten Realzins und einer Inflationsprämie zusammensetzt. Unter dieser Annahme ist ein Anstieg nominaler Zinssätze Ausdruck einer höheren Inflationsprämie als Folge höherer Inflationserwartungen. Gestützt auf empirische Untersuchungen, die insbes. in den USA durchgeführt wurden, konzentriert sich ein Zweig der Zinsstrukturforschung in jüngster Zeit stark auf die Frage nach der Eignung der Zinsstruktur als Indikator für die Geldpolitik. Maßstab für die Zinsstruktur ist dabei ein sog. Spread zwischen einem langfristigen Kapitalmarktzins und einem kurzfristigen Zins am Kapitalmarkt oder am Geldmarkt. Als Indikator für die zukünftige Entwicklung des Sozialprodukts zeitigt die Zinsstruktur in den empirischen Untersuchungen fast durchgängig sehr gute Ergebnisse, während die Prognosequalität hinsichtlich künftiger Bewegungen des Preisniveaus weniger eindeutig ist. Trotz der beachtlichen Prognoseeigenschaften der Zinsstruktur lassen sich hinsichtlich einer Eignung als geldpolitischer Indikator jedoch gravierende Einwände erheben. Zum einen fehlt bislang eine überzeugende theoretische Verankerung der Zinsstruktur im geldpolitischen Transmissionsprozeß. Zum anderen kann als Folge zunehmender Internationalisierungstendenzen an den monetären Märkten das Durchwirken von geld- bzw. zinspolitischen Impulsen vom Geldmarkt bis hin zum langen Ende des Kapitalmarktes mitunter durch umfangreiche, von Wechselkursänderungserwartungen geprägte Portfolioumschichtungen des Auslandes nachhaltig gestört werden. Da die ausländischen Finanzinvestoren bei wechselkursinduzierten                Kapitalmarktanlagen, nicht zuletzt wegen eines größeren Wertpapierkurshebels, grundsätzlich eine Präferenz für längerfristige Titel haben, kann es zeitweilig zu einer ausgeprägten Auslandsabhängigkeit der Zinsstrukturentwicklung im Inland kommen, was gegen die Eignung der Zinsstruktur als Indikator der Geldpolitik spricht. Literatur: File, W. (1992). Hesse, H., Roth, G. (1992)



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