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Wirtschaftslexikon
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Schattenwirtschaft

Als Schattenwirtschaft wird bezeichnet, was zwar gegen Entgelt am Markt erbracht wird, sich aber der Erfassung durch amtliche Statistiken ebenso entzieht wie der Besteuerung und der Pflicht zur Abführung von Sozialabgaben. Meist wird im Bereich der Schattenwirtschaft die Arbeitsleistung gegen Barzahlung ohne Quittung erbracht oder mit einer Gegenleistung verrechnet. Es gibt in der Schattenwirtschaft fließende Übergänge zwischen Do-it-yourself, Nachbarschaftshilfe, Schwarzarbeit und anderen Erscheinungsformen. Dazu gehört auch der Handel mit unverzollter Ware oder die Umgehung der Mehrwertsteuer. Dabei bewegen sich Anbieter und Nachfrager vielfach in einem rechtsfreien Raum.

Bei der Schattenwirtschaft kann es sich um Straftaten handeln oder um wirtschaftliche Aktivitäten, die grundsätzlich nicht verboten sind und auch auf offiziellen Märkten angeboten werden - allerdings zu höheren Preisen. Eine Schattenwirtschaft existiert überall da, wo der Staat in das ökonomische Geschehen eingreift, Vorschriften erlässt und Steuern und Zölle erhebt. Denn durch die Umgehung dieser Bestimmungen lässt sich meist ein zusätzlicher Gewinn erzielen.

In allen modernen Industrieländern spielt die Schattenwirtschaft eine wichtige Rolle. Je höher Steuern und Abgaben sind und je komplizierter und langwieriger die Kontrollen und Genehmigungsverfahren werden, um so stärker ist meist auch die Tendenz zur Abwanderung auch solcher Tätigkeiten in den Bereich der Schattenwirtschaft, die an sich legal sind. Neben der Schwarzarbeit und der organisierten illegalen Beschäftigung von Ausländern spielen dabei auch der illegale Handel zum Beispiel mit hoch besteuerten Zigaretten, Waffen, verschreibungspflichtigen Medikamenten oder verbotene Glücksspiele eine wichtige Rolle. Ein besonders wichtiger Bereich sind in den meisten Industrieländern die hauswirtschaftlichen Dienstleistungen, also die Beschäftigung von Arbeitnehmern in Privathaushalten ohne Steuerkarte und Sozialversicherung.

Durch den wachsenden Anteil der Schattenwirtschaft entstehen nicht nur beim Fiskus hohe Einnahmeausfälle. Auch den Trägern der Sozialversicherungen gehen Beiträge in Milliardenhöhe verloren. Hinzu kommt, dass durch illegale Arbeit die Zahl der regulären Arbeitsplätze vermindert wird, weil zumindest ein Teil der entsprechenden Nachfrage im Bereich der Schattenwirtschaft befriedigt wird. Allerdings würden viele derjenigen, die Schwarzarbeit in Anspruch nehmen, am offiziellen Markt nie als Nachfrager auftreten, weil sie die dort geforderten hohen Preise nicht bezahlen können oder wollen. Denn eine der Ursachen dafür, dass in der Schattenwirtschaft nach Ansicht aller Experten Zuwachsraten zu beobachten sind, die weit oberhalb des amtlich registrierten Wirtschaftswachstums liegen, ist die hohe Belastung offiziell geleisteter Arbeit durch Steuern und Lohnzusatzkosten.

Bei allen Geschäften im Bereich der Schattenwirtschaft bewegen sich die Beteiligten in einem "rechtsfreien Raum". Wer Schwarzarbeit leistet oder nachfragt, von Geschäftspartnern Ware oder Leistungen ohne Rechnung und ohne Zahlung von Mehrwertsteuer bezieht, geschmuggelte Güter kauft oder vertreibt, hat keine Möglichkeiten zu klagen, wenn die vereinbarte Leistung nicht erbracht wird, Mängel auftreten oder der verabredete Preis nicht gezahlt wird. Denn wer sein Recht durch Einschaltung von Anwälten und Gerichten zu erzwingen versucht, macht gleichzeitig seine eigenen Verstöße gegen Steuervorschriften, Einfuhrbestimmungen, Exportverbote oder Genehmigungsverfahren aktenkundig.

(inoffizielle, verborgene, parallele oder Untergrundwirtschaft) Es handelt sich hierbei nicht nur um verbotene oder in der Grauzone der Legalität ausgeübte Aktivitäten, sondern viele Tätigkeiten sind legal, nur werden staatliche Vorschriften nicht eingehalten oder keine oder zu wenig Steuern und Sozialabgaben abgeführt. Eine für ökonomische Fragestellungen oft nützliche Abgrenzung berücksichtigt zwei Kriterien: Die wirtschaftliche Aktivität wird in den offiziellen Statistiken nicht erfaßt, und es handelt sich um verborgene Aktivitäten, die eine Wertschöpfung nach den Konventionen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung beinhalten. Zu dieser eng abgegrenzten Schattenwirtschaft zählen neben der Schwarzarbeit und der Steuerhinterziehung auch Geschäfte ohne Rechnung sowie Einkommen aus illegalen Tätigkeiten wie Drogenherstellung, Schmuggel u.a.; rein finanzielle Transaktionen (schwarzer Markt) bleiben hingegen außer Betracht. Ebenso sind eine Reihe von Tätigkeiten ausgeschlossen, die durchaus produktiv sind, die in die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung aber nicht eingehen, so beispielsweise die in privaten Haushalten geleistete Produktion (Hausarbeit, Selbstversorgung) und die freiwillige Arbeit für wohltätige Zwecke. Bei einer weiter gefaßten Abgrenzung werden die zuletzt genannten Aktivitäten, die in einem bestimmten Sinne ebenfalls eine Wertschöpfung im Verborgenen bzw. im Schatten darstellen, zur Schattenwirtschaft hinzugerechnet. Die Schattenwirtschaft (im engen Sinne) ist ihrer Natur nach schwer zu messen. Es sind verschiedene Methoden entwickelt worden, um die Größenordnung und die Entwicklung abschätzen zu können. a) Mittels Befragungen wird direkt versucht, die Größe der Schattenwirtschaft in einem bestimmten Zeitpunkt zu ermitteln. Entsprechende Interviews und Umfragen sowie durch Institutionen mit Sanktionsbefugnissen durchgeführte Kontrollen setzen auf der Mikroebene an und stützen sich auf Stichproben. b) Am häufigsten werden die Auswirkungen betrachtet, die die Schattenwirtschaft in anderen Bereichen hinterläßt. Anhand folgender vorwiegend auf der Makroebene ansetzender Indikatoren und deren Veränderung in der Zeit kann auf die Größe und Entwicklung der Schattenwirtschaft geschlossen werden: 1. Überschreiten die in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung erhobenen Ausgaben die Einnahmen, so wird hieraus abgeleitet, dass die Differenz zumindest zum Teil durch zusätzliche Einnahmen aus der Schattenwirtschaft gedeckt wird. 2. Geht die offiziell ausgewiesene Beschäftigung (Erwerbsquote) zurück und erweist sich, dass nicht weniger gearbeitet wird, so wird auf eine zunehmende Betätigung in der Schattenwirtschaft geschlossen. 3. Nimmt der Bargeldumlauf im Vergleich zur »normalen« Entwicklung zu, so kann gefolgert werden, dass auch die Zahlungen in der Schattenwirtschaft, die üblicherweise in bar abgewickelt werden, zugenommen haben. c) Eine weitere Vorgehensweise besteht darin, den möglichen Bestimmungsgründen für das Entstehen der Schattenwirtschaft nachzugehen. Als wesentliche Determinanten für das Ausweichen in den inoffiziellen Sektor wird der mit dem Ausbau des Wohlfahrtsstaates verbundene Anstieg der (marginalen) Belastung mit Steuern und Sozialabgaben und zunehmende Regulierung angesehen. Aus der zeitlichen Entwicklung dieser Variablen läßt sich die mutmaßliche Entwicklung der Schattenwirtschaft ableiten. Empirische Studien zur Erfassung der quantitativen Bedeutung der Schattenwirtschaft wurden insbes. in den 80er Jahren für eine große Zahl an Ländern durchgeführt. Je nach verwendetem Schätzverfahren und inhaltlicher Abgrenzung variieren die Angaben über die Größe der Schattenwirtschaft für die BRD (1980) zwischen 10% und 30% im Vergleich zum offiziellen Bruttonationalprodukt. Im internationalen Vergleich ergibt sich für alle untersuchten Länder ein deutlicher Anstieg der im Untergrund erwirtschafteten Wertschöpfung. Das Anwachsen der Schattenwirtschaft wird mit einer Reihe wirtschaftspolitischer Probleme in Verbindung gebracht: Zum einen stützen sich wirtschaftspolitische Maßnahmen auf eine falsche Einschätzung der Wirtschaftslage, wenn lediglich die amtlichen Statistiken zugezogen werden. Des weiteren können sich Probleme für den offiziellen Arbeitsmarkt ergeben, und die Einbuße an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen erschwert die Finanzierung der öffentlichen Ausgaben. Die Flucht aus der offiziellen in die verborgene Wirtschaft kann schließlich auch als Indikator für ein Mißbehagen der Bevölkerung angesehen werden (Steuermoral), wodurch letztlich die gesamte gesellschaftliche Ordnung ins Wanken geraten kann. Andererseits eröffnen sich in der Schattenwirtschaft zusätzliche Beschäftigungschancen, die in der offiziellen Wirtschaft aufgrund zu hoher Lohnkosten und Sozialabgaben nicht realisiert würden; zudem wird durch die induzierte Güternachfrage auch die Beschäftigung im offiziellen Bereich angeregt. Zur Bekämpfung der Schattenwirtschaft werden vielfach eine Verschärfung der Kontrollen und härtere Strafen befürwortet. Hierdurch können allerdings bestenfalls die Symptome bekämpft werden, die Einstellung der Bürger zu ihrem Staat wird dadurch aber kaum zum Positiven gewendet. Erfolgversprechende Maßnahmen müssen an den Ursachen der Abwanderung in die Schattenwirtschaft ansetzen. Literatur: Feige, E.L. (1989). Week-Hannemann, H., Pommerehne, W.W., Frey, B.S. (1984). Schäfer, W. (1984)



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