Kapitalismuskritik, autonome
In der sozialistischen Wirtschaftslehre:
„Wir wollen alles!“. Von der „Quaderni Rossi“ zur Arbeiterautonomie in Westdeutschland und dem Kampf um den „politischen Lohn“.
Ein Teil der Autonomen in der Bundesrepublik ist von der Theorie der italienischen Gruppe um die Zeitschriften „Quaderni Rossi“ und „Potere operaio“ beeinflußt. In Westdeutschland fand vor allem in den 70er Jahren eine theoretische Diskussion über Klassenkampf, Arbeitermacht und die „andere“ Arbeiterbewegung statt.
Texte mit Positionen autonomer Gruppen zu Fragen des Arbeitskampfes und sozialer Forderungen:
Aus „Potere operaio“ Was ist Arbeitermacht? 1971. „Arbeiterautonomie bedeutete zu erkennen und sich dessen bewußt zu sein, dass die gesamte Geschichte des Kapitals, die gesamte Geschichte der kapitalistischen Gesellschaft in Wirklichkeit die Geschichte der Arbeiterklasse ist.
Geschichte der Arbeiterklasse, der Kämpfe der Arbeiterklasse, und das läßt sich beweisen - die Fabrikarbeiter können es mit den Händen greifen: die Geschichte der Technik ist in Wirklichkeit die Geschichte der kapitalistischen List, den Arbeitern Informationen zu entreißen; d.h. die Geschichte der Technik ist die Geschichte des ständigen Bemühens der Kapitalisten, mehr Arbeit aus den Arbeitern herauszupressen; die Geschichte des kapitalistischen Staates ist die Geschichte des Versuchs der Unternehmer, eine ständige, eine totale Kontrolle über die Arbeitskraft auzuüben. Die Geschichte der kapitalistischen Gesellschaft ist die Geschichte eines aus Herrschaft bestehenden Gefängnisses, das um die lebendige Arbeit, um die Arbeitskraft, um die Arbeiter herum errichtet worden ist zu dem Zweck, Arbeit aus ihnen herauszupressen.
Der Lohnkampf. Die These war.....: gegenüber dem Staat des Reformismus und der Entwicklung mußte man den Konsensus verweigern, die Regeln des Plans, die Vermittlung der Gewerkschaften ablehnen, die Programmierung eines vernünftigen Verhältnisses zwischen Lohndynamik und Dynamik der Produktivität zerschlagen, d. h. die Lohnvariable hochtreiben, sie in bezug auf die Rationalität der kapitalistischen Ausbeutung zu einem irrationalen, unvernünftigen Element machen, d.h. die Kosten der Arbeit so weit hochtreiben, dass die Programmierung gefährdet wird. Hierin bestand die Entdeckung der Autonomie, der Kämpfe um Lohn. der Möglichkeit eines offensiven ökonomischen Kampfes der Arbeiter, der diesen neuen Staat des Reformismus, der Planung und Entwicklung aus den Angeln heben würde. Die Parole, die wir in den 60er Jahren immer wieder propagiert haben: mehr Geld und weniger Arbeit, bedeutete eben dies: mit einer präzisen und subjektiven Absicht die kapitalistische Krise zu provozieren, d.h. der Stabilität des Kapitals die Irreduzibilität der materiellen Bedürfnisse der Arbeiterklasse entgegenzuschleudern.“
Aus ,,...und es begann die Zeit der Autonomie“ Hrg.: P ombeloff. „Nach der klassischen Werttheorie besteht laut KHR (Karl Heinz Roth) formell „der Widerspruch zwischen Arbeitern und Kapital im Begriffspol notwendiger Arbeitszeit Mehrarbeitszeit. Der Arbeitswert der notwendigen Arbeitszeit wird von den Arbeitern angeeignet, die dabei aber von Marx nur als Arbeitskraft (nicht als lebendige. widerspenstige Subjekte) gesehen werden: der Arbeitswert der Mehrarbeitszeit gerinnt zum Mehrwert“ und wird von der herrschenden Klasse einbehalten. Diese beiden Komponenten der Arbeitszeit sind nach KI-IR in ihrem Verhältnis zueinander variabel. Je nach Kräfteverhältnis zwischen Proletariat und Kapital nimmt entweder die entlohnte oder die nichtbezahlte Arbeitszeit zu. Im Extremfall treibt das Kapital die entlohnte Arbeitszeit gegen Null, wie z.B. in der NS-Zeit mittels der „Vernichtung durch Arbeit“ geschehen. Oder das Proletariat blockiert den kapitalistischen Venvertungsprozeß durch Rückerkämpfung immer größerer Teile des Mehrwerts im Produktions- und Reproduktionsbereich. Sie schafft so (verbunden mit Verweigerung und Sabotage) eine Situation, in der die unbezahlte, „vom Kapital angeeignete Arbeitszeit gegen Null geht, das bezahlte Arbeitsvolumen also den Mehrwert auffrißt.“
„Wir wollen alles! Die strategischen Optionen der Operaisten unterscheiden sich grundlegend von den reformistischen wie den orthodox-kommunistischen Fraktionen der traditionellen Arbeiterbewegung. Jenseits des Produktivitätsfetischismus und der Staatsfixiertheit dieser beiden „feindlichen Brüder“ versuchen sie, den Zusammenhang von Arbeiterkampf und kapitalistischer Entwicklung in einer Weise fruchtbar zu machen, die das System von innen her untergräbt und in die Krise treibt. Ausgehend von den aktuellen Kämpfen, die bereits die politische Stoßrichtung gegen den Planstaat in sich tragen. sollen Kampfformen und -inhalte entwickelt werden, die die Arbeiterinnenklasse von unten her vereinheitlichen. Zentral in diesem Zusammenhang ist die Kategorie des „politischen Lohns“ (der später in gewandelter Form in die Existenzrechtsdebatte eingeht). Er beinhaltet zweierlei. Auf der einen Seite - der monetären - den Kampf um „mchr Lohn bei weniger Arbeit“. gleicher Lohn für alle, Bezahlung von sog. Reproduktionsarbeit, letztlich ein garantiertes Einkommen für alle unabhängig von Arbeit. Auf der stofflichen Gebrauchswertseite wird die Aneignung des gesellschaftlichen Reichtums propagiert: Nulltarif, Mietstreiks. „proletarischer Einkauf- etc. Durch die Bildung von Komitees in Betrieben und Stadtteilen soll diese Strategie auf die gesamte gesellschaftliche Ebene ausgeweitet werden. Durch die Verbindung dieser beiden Seiten von Verweigerung (der Mehnverterpressung) und Aneignung soll letztlich die kapitalistische Entwicklung blockiert und das System in die Krise gestürzt werden.“
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