Ressourcenökonomik
1. Gegenstand
Natürliche Ressourcen sind alle diejenigen Stoffe, die seitens der Natur bereitgestellt werden und grundsätzlich für menschliche Zwecke nutzbar gemacht werden können. Die Spannbreite reicht vom Kupfererz oder Erdgas über tierische oder pflanzliche Nahrungsmittel bis hin zu Holz oder Sonnenlicht. Die Ressourcenökonomik betrachtet einerseits die optimalen Nutzungsstrategien von natürlichen Ressourcen, andererseits analysiert sie die institutionellen Bedingungen und Chancen, daß eine marktwirtschaftliche Ordnung derartige Nutzungsprofile erreicht. Methodisch entstammt sie der Mikroökonomik, angewandt auf intertemporale Allokationsfragen, wobei eventuell der Dynamik des Nachwachsens eine zentrale Rolle zukommt.
Die für die Analyse einfachsten natürlichen Ressourcen sind diejenigen, die innerhalb kurzer Perioden, etwa innerhalb eines Jahres, reifen und wegen eines gegebenen natürlichen Rhythmus zur Ernte kommen. Dies ist typisch für die Mehrzahl der landwirtschaftlich angebauten Güter wie Getreide, Kartoffeln oder Gemüse. Wenn der angemessene Erntezeitpunkt aus einfachen Gründen vorgegeben ist, benötigt man keine eigenständige Ressourcenökonomik:
Die konventionelle statische Mikroökonomik reicht als Theorie aus. Kennzeichnend für die interessante Ressourcenökonomik sind demgegenüber Fragestellungen wie „Ist Förderung einer Tonne Öl heute oder morgen besser?“ oder „Soll ein Baum heute gefällt werden oder soll er noch zehn Jahre wachsen?“ Übertragen auf die realen Märkte wird somit beispielsweise das Anbieterverhalten der OPEC-Staaten auf dem Weltölmarkt oder eine optimale steuerliche Belastung von Waldbesitzern untersucht.
Aus pragmatischen Gründen wird in der Ressourcenökonomik nach erneuerbaren Ressourcen, die etwa innerhalb von wenigen bis zu einigen hundert Jahren nachwachsen können, und nach nicht-erneuerbaren Ressourcen unterschieden. Im streng naturwissenschaftlichen Sinne wachsen auch heute noch Kohlelager oder Mineralölvorkommen nach, doch sind die dabei relevanten Prozesse erst über Hundertausende oder gar mehrere Millionen Jahre relevant, so daß sie aus einer menschlichen Perspektive als „nichterneuerbar“ gelten können.
Die theoretische Analyse in der Ressourcenökonomik entspricht dem Vorgehen in der Physik, die oftmals wichtige Einsichten ableitet unter der Annahme, daß etwa der Luftwiderstand Null sei. Auch wenn diese Annahme im realen irdischen Leben kaum zutreffend ist, können die mit dem einfachen Modell gewonnenen Einsichten bereits sehr nützlich sein. Vor einer realen Umsetzung müssen sie natürlich durch schrittweise Anpassung an die reale Komplexität angepaßt werden. Ahnlich sind die oft drastisch vereinfachenden Annahmen der Basismodelle der Ressourcenökonomik zu interpretieren.
2. Nutzung nicht-erneuerbarer Ressourcen Nicht-erneuerbare Ressourcen finden sich in für wirtschaftliche Zwecke hinreichend konzentrierter Form in Sedimenten oder Gesteinsformationen in einem der drei Aggregatszustände, d. h. in fester oder flüssiger Form oder als Gas. Die wirtschaftliche Nutzung derartiger Ressourcen kann zum einen in Form einer endgültigen Umwandlung in ein danach nicht mehr nutzbares Gut erfolgen, wie es beispielsweise bei der Verbrennung von Öl, Erdgas oder Steinkohle geschieht, die in Wärme (letztlich auf Umgebungstemperatur) und CO2 umgewandelt werden und dadurch nicht mehr als Energieträger zur Verfügung stehen. Zum anderen kann die Nutzung durch eine physikalisch-chemische Umwandlung erfolgen, bei der letzten Endes die ökonomisch interessanten Moleküle oder Atome nach wie vor auf der Erde „vorhanden“ sind und nach erfolgter Nutzung grundsätzlich über einen Trennungs- und Wiederaufbereitungsprozeß rezykliert werden können: Derartige Nutzungen betreffen etwa Metalle wie Kupfer oder Eisen. Bei den letztgenannten Ressourcen ist wegen der bestehenden Rezyklierungsmöglichkeit die intertemporale Allokation komplexer zu analysieren. Ob ein in der Erdkruste vorkommendes Material als natürliche Ressource ökonomisch bedeutend sein kann, hängt natürlich von den verfügbaren Techniken ab: Vor der Entdeckung der Kernspaltung und deren Umsetzung in kontrollierte Formen in einem Kernreaktor war Uran lediglich ein interessanter Lasurzusatz für Keramiken, nicht jedoch ein Energieträger. Dasselbe gilt für Förder- und Aufbereitungstechniken, die über die effektive Möglichkeit bestimmen, ein vorhandenes Material zu wirtschaftlich tragbaren Bedingungen auch zu nutzen.
Die heute bekannten und wirtschaftlich gewinnbaren Reserven eines Rohstoffs sind das Ergebnis eines Explorationsprozesses über Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte bei gleichzeitigem Abbau dieser Rohstoffe. Die sogenannte statische Reichweite gibt an, wie viele Jahre die heutigen Reserven (So) bei konstanter heutiger Förderung (qo pro Jahr) reichen; sie beträgt offensichtlich:
TStat= So/go.
Die dynamische Reichweite gibt die Zahl der Jahre an, die ab heute mit konstanter Wachstumsrate ansteigender Förderung [qmm go x exp(wt)] durch die Reserven gedeckt sind;
Dabei reichen bereits geringe Wachstumsraten, um die dynamische Reichweite stark gegenüber der statischen zu verkürzen. Ist etwa S0=1000 und die Jahresförderung qo=20, so beträgt die statische Reichweite 50 Jahre, wohingegen bereits bei einer jährlichen Wachstumsrate von 5% die dynamische Reichweite nur noch 25 Jahre beträgt.
Da es offensichtlich aus der Sicht eines Ressourcenanbieters häufig unökonomisch ist, heute Investitionen in Probebohrungen und Erschließungen von Feldern zu tätigen, die erst in 50 Jahren benötigt werden, ist die statische Reichweite allein keine verläßliche Meßziffer für die Knappheit von Ressourcen. Beispielsweise lag sie bei Mineralöl bereits in den zwanziger Jahren bei unter 30 Jahren, ein Wert, der Ende der siebziger Jahre wieder erreicht wurde. Ende der neunziger Jahre erreichte die Quote aus Reserven und Jahresproduktion wieder Werte um 40 Jahre, obwohl die kumulierte Förderung in den 10 Jahren zwischen 1987 und 1996 rund 25% der Reserven von 1987 aufgebraucht hatte: Die Neuentdeckungen und Neubewertungen von Feldern auch dank neuer Fördertechniken hatten die Reserven ansteigen lassen.
Da bezüglich:
der Wirtschaftlichkeit (Förder- und Transportkosten, Einsatzmöglichkeiten in Produktionsprozessen);
der Sicherheit der heutigen Information (Größe des bereits genutzten Fördergebiets, Dichte von Explorationsbohrungen, Vermutungen auf Grund von Erfahrungen mit anderen fordernden Gebieten) zwei Dimensionen von Ressourcenverfügbarkeit ins Spiel kommen, wird die Abstufung im nannten McKelvey-Diagramm deutlicht.
Es sind horizontal die zunehmende Unsicherheit der Informationen und vertikal die immer ungünstigeren wirtschaftlichen Gewinnungsbedingungen aufgetragen. Reserven sind demnach nur die bei heutigen Wirtschaftlichkeitsparametern und gewissen sicheren Kenntnissen über die Vorkommen verfügbaren Rohstoffe.
Auch wenn man diese reale Schwankungsbreite der sogenannten „Reserven“ akzeptieren muß, geht man für eine theoretische Analyse im ersten Schritt davon aus, daß ein fester Ressourcenvorrat gegeben sei, der mit bekannten Förderkosten genutzt werden kann. Die Allokationsaufgabe lautet dann, die verfügbaren Einheiten so auf der Zeitachse aufzuteilen, daß eine möglichst „gute“ Allokation entsteht. Offensichtlich hängt die Lösung davon ab, welche Zielfunktion zu maximieren ist (Gewinnmaximierung eines Ressourcenanbieters oder Nutzenmaximierung eines repräsentativen Individuums, Bewertung von Unsicherheit in der Zielfunktion, Abwägung zwischen Gütern heute und morgen durch die sogenannte Abdiskontierungsrate, ...), welche Substitutionsmöglichkeiten zwischen der Ressource und anderen Inputfaktoren im Produktionsprozeß bestehen (Existenz eines perfekten Substituts (sog. Backstop-Technologie), so daß langfristig ganz auf die Ressourcennutzung verzichtet werden kann, begrenzte Substituierbarkeit durch Sachkapital, das durch Akkumulation aufgebaut werden kann, Übergang auf Bestände mit höheren Förderkosten, ...), ob Rezyklierungsmöglichkeiten bestehen oder nicht, welcher Zeithorizont zugrunde gelegt wird.
3. Nutzung von nicht-rezyklierbaren Ressourcen
Im folgenden soll unterstellt werden, daß eine in der Natur vorkommende Ressource durch die menschliche Nutzung in eine danach nicht mehr nutzbare Form umgewandelt wird, d. h. sie wird tatsächlich auf der Erde „verbraucht“. Beispielsweise werden Energieträger durch Nutzung tatsächlich unausweichlich in Formen umgewandelt, die für industrielle und andere menschliche Nutzungen nicht mehr bedeutend sein können und schließlich als Wärme in das Weltall abgestrahlt. Rezyklierung ist für -Energie nicht möglich. Dadurch wird eine eindeutige intertemporale Entscheidung zwischen Nutzung heute bzw. morgen relevant.
Aus ökonomischer Sicht ist es dann angebracht, nach intertemporalen Effizienzbedingungen zu fragen. Ein Nutzungspfad heißt effizient dann, wenn die Steigerung der Konsummöglichkeiten (Nutzenmöglichkeiten) in einer Periode nur möglich ist, wenn in einer anderen Periode Konsumverzicht (Nutzenverluste) in Kauf genommen werden müssen. Andernfalls wäre es ja möglich, eine Generation besser zu stellen, ohne eine andere zu belasten. Wenn der Nutzen nur von den materiellen Konsummöglichkeiten abhängt, verlangt die erste Effizienzbedingung natürlich, daß die Ressource über den Zeithorizont vollständig genutzt werden soll.
Im folgenden betrachten wir zunächst den Fall, daß eine Ressourcennutzung ohne gravierende Umwelteffekte möglich ist, so daß eine vollständige Bestandsleerung über den Zeithorizont effizient ist. Zur Vereinfachung seien die Förderkosten mit Null angenommen. Wenn die Ressource (R) als Input in einen Produktionsprozess genutzt wird, in dem auch Sachkapital (K) als weiterer Faktor eingesetzt wird, gibt es zwei Handlungsoptionen gegenüber der Zukunft: Nutzung der Ressource heute verschlechtert die zukünftigen Produktionsmöglichkeiten, Aufbau zusätzlichen Sachkapitals verbessert diese. Das effiziente Substitutionstempo von Ressourcen durch Kapital wird durch die sogenannte Hotelling-Regel gegeben: Da die gesamtwirtschaftliche Produktionsfunktion F die Produktionsfaktoren „R“ und „K“ enthält, soll die Grenzproduktivität der Ressource FR in der Zeit mit einer Wachstumsrate ansteigen, die durch die Grenzproduktivität des Kapitals FR bestimmt ist:
„Wachstumsrate von FR“ = „FK“, was eine kontinuierliche Steigerung des K/RVerhältnisses erfordert.
Für den Fall hinreichend „schöner“ Substitutionsmöglichkeiten zwischen Ressource und Kapital läßt sich eine einfache Substitutionsregel ableiten, die eine konstante Güterproduktion auf ewig ermöglicht: Lautet die Produktionsfunktion für das Nettosozialprodukt Y = F(K,R) = K“•R°“\' , sind die Produktionsbedingungen durch eine linear-homogene Cobb-Douglas Produktionsfunktion mit 0
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