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über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Parketthandel

Der Handel mit Wertpapieren an deutschen Börsen ist vollelektronisch im so genannten Xetra-Handel möglich und auf dem Börsenparkett. Auf diesem führen Kursmakler Kauf- und Verkaufsorder zusammen. So unterscheiden sich Computer- und Präsenzbörse.

Wild gestikulierende Menschen, die laut brüllend mit mehreren Telefonhörern in der Hand "Kaufen!" oder "Verkaufen!" brüllen, so stellt sich der Laie den Parkett- oder Präsenzhandel an einer Börse vor. Eine Kreuzung zwischen Marktschreier und Dompteur also. Aber mittlerweile sind Besucher auf der Galerie der Frankfurter Börse enttäuscht, denn es ist ruhiger geworden als zu der Zeit, in der es noch keinen elektronischen Wertpapierhandel gab. Etwa 100 Personen halten sich noch im Börsensaal auf. Auf dem Parkett befinden sich drei große Terminals, hinter denen jeweils 20 Börsenmakler Geschäfte mit den Händlern abwickeln.

Zumindest bis Ende Juni 2005 ist der Fortbestand der Präsenzbörse gesichert, doch die meisten Fachleute gehen davon aus, dass auch danach gerade für Kleinanleger der Präsenzhandel auch weiterhin neben dem Computerhandel (Xetra) weitergeführt werden kann.

Die Sprache der Börsianer

Es ist inzwischen zwar ruhiger geworden, doch die Sprache auf dem Parkett ist immer noch eine eigene. In ihren Grundfesten hat sie sich seit dem 13. Jahrhundert kaum verändert. Heute werden nur noch die Cent-Beträge hinter dem Komma des Kurswertes in Euro genannt. Wenn der Kursmakler sagt: "10 zu 25", heißt das zum Beispiel auf die Bayer-Aktie bezogen: Die Preisspanne liegt zwischen 45,10 und 45,25 Euro. "Drei Mille Bayer von Dir" heißt: "Ich möchte 3000 Bayer-Aktien kaufen". Wenn der Kursmakler lapidar "an Dich" sagt, haben Unternehmensanteile von etwa 135.000 Euro ihren Besitzer gewechselt. Man duzt und man schätzt sich, auch wenn der Ton manchmal ruppig anmutet: "Ich bin doch nicht Dein Mülleimer!" heißt übersetzt einfach: Diese Aktien sind mir zur Zeit zu teuer. "Ich werde nur einmal einen Fehler zugeben", so lautet der strenge Ehrenkodex auf dem Parkett. Da es hier um Millionen und Milliarden geht, kann sich niemand Fehler leisten. Denn nirgendwo sonst steht für Milliarden nur das Wort.

Börsenmakler

Börsen- oder Kursmakler garantieren die jederzeitige Handelbarkeit einer Aktie im Parketthandel - dies wird "Liquidität" genannt -, und sie garantieren außerdem eine faire Preisbildung. Sie sind die Herren der Kurse, amtlich bestellt und vereidigt. Jeder Makler ist dabei für eine Gruppe bestimmter Wertpapiere zuständig, zum Beispiel für Chemie- oder Pharma-Werte. Seine Hauptaufgabe: Er muss möglichst kontinuierlich Preise für die von ihm betreuten Aktien ermitteln und festlegen - und zwar so, dass die Mehrzahl der ihm vorliegenden Kauf- und Verkaufsaufträge abgewickelt werden kann. Wenn etwa für die DaimlerChrysler-Aktie Angebote, also Verkaufsaufträge in gleicher Stückzahl zwischen 61,30 und 61,70 Euro vorliegen, denen eine Nachfrage in gleicher Stückzahl zu Preisen zwischen 61,10 und 61,50 Euro gegenüber steht, dürfte der Kursmakler den Kurs etwa in der Mitte bei 61,40 Euro setzen, um möglichst viele Order abwickeln zu können. So werden hektische Kurssprünge vermieden und der Tageskurs geglättet. Der Kursmakler im Parketthandel ist also ein Garant für Preisqualität.

Normalerweise würde wohl niemand ein Angebot annehmen, ohne zu wissen, was es kostet. Doch genau dies geschieht bei unlimitierten Aktienorders, denn den Preis legen hierbei weder Käufer noch Verkäufer fest, sondern eigenständig die Kursmakler. Fehlt einmal die Gegenseite einer Kundenorder, dürfen die Makler auch selbst in den Handel einsteigen und auf eigene Rechnung kaufen oder verkaufen. Im Parketthandel ist die Gefahr eines überteuerten Aktienkaufs geringer als im Computerhandel, der unerfahrene Privatanleger ist hier besser aufgehoben. Denn Makler können eine "billigst"-Order zurückhalten, wenn sie ansonsten zu einem überhöhten Preis ausgeführt würde. Das kann dem Neuling einiges an Lehrgeld ersparen.

Früher gab es weiße und rote Zettel, die weißen für fortlaufend handelbare Aktien, die roten für Aufträge, die zum Kassakurs am Mittag abgerechnet wurden. Sie stapelten sich vor dem Kursmakler und wurden dann von ihm handschriftlich ins Orderbuch eingetragen. Mittlerweile hat man aber die Zettel längst abgeschafft, der Präsenzhandel ist auch zu einem Bildschirmarbeitsplatz geworden, nur eben überlässt man die Rechner nicht sich selbst wie im Xetra-Handel. Nur noch an der New Yorker Wall Street müssen die Putzfrauen nach Handelsschluss Tausende von Papierorders aufräumen.

Entlohnt werden die Kursmakler durch eine so genannte Maklercourtage: An der Frankfurter Börse im Handel mit Dax-Werten beträgt sie zur Zeit 0,04 Prozent des Order-Wertes.

Abendhandel

Seit dem 1. Juni 2000 ist der Handel auf dem deutschen Börsenparkett von 17.30 Uhr auf 20.00 Uhr verlängert worden. Der Abendhandel sollte, so war die Zielsetzung, hauptsächlich dem Privatanleger zugute kommen. Doch die Resonanz ist (zumindest bei institutionellen Anlegern) mäßig: Die Tagesumsätze haben kaum zugenommen, es bietet sich ein vergleichbares Bild der Diskussion um die Ladenöffnungszeiten im Einzelhandel. Die Kursmakler sind wie die Händler verärgert. Sie müssen seit dem Überstunden leisten oder sogar im Schichtdienst arbeiten - und das nicht um eine gesteigerte Nachfrage zu bedienen, sondern um im Konkurrenzkampf bestehen zu können. Diese Konkurrenzsituation ergibt sich aus dem immer stärker werdenden voll elektronischen Xetra-Handel, der bei den großen Dax-Werten schon etwa 90 Prozent des Volumens ausmacht. Nur zehn Prozent des Handels werden durchschnittlich in der Abendzeit zwischen 17.30 Uhr und 20.00 Uhr abgewickelt.

Die großen Fonds und Versicherungen machen vom zusätzlichen Angebot wenig Gebrauch. Sie sind ohnehin keine Daytrader, die Aktien am selben Tag kaufen und verkaufen. Außerdem ist es für sie scheinbar unrentabel, ihre Mitarbeiter abends länger zu beschäftigen. Auch die großen Banken haben ihre Kursmakler vom Parkett abgezogen. Nur noch einige Freimakler, also freie Finanzdienstleister, führen in ihrem Auftrag Geschäfte noch persönlich auf dem Börsenparkett aus. Für den Privatanleger gilt: "Werden die Umsätze am Abend geringer, unbedingt Limits bei jeder Order setzen" warnt die Schutzgemeinschaft deutscher Kapitalanleger (SdK). Ansonsten kann es bei Kurssprüngen zu bösen Überraschungen kommen.

Auch mancher Feiertag ist den deutschen Börsen nicht mehr heilig: Die Kursmakler des Parketthandels müssen a, Fronleichnam, Pfingstmontag und am Tag der deutschen Einheit Dienst schieben. Vorbei sind die Zeiten, als noch im Jahr 1998 an der Börse nur von 10.30 Uhr bis 13.30 Uhr gehandelt wurde.

Regionalbörsen

Eine Entwicklung hin zu den deutschen Regionalbörsen wird immer deutlicher sichtbar, je mehr sich Frankfurt als internationaler Börsenplatz für institutionelle Anleger etabliert. In Deutschland gibt es sieben Regionalbörsen: Düsseldorf, Stuttgart, Berlin, München, Hamburg, Hannover und Bremen. Hier wird noch nach alter Sitte Parketthandel betrieben. Das Geschäft mit den Privatanlegern boomt: 40 Prozent des Gesamtauftragsgeschäfts aller deutschen Börsen wird hier abgewickelt. Da es nach Handelsvolumen aber nur 20 Prozent sind, ist deutlich sichtbar, dass es sich hierbei hauptsächlich um Privatanleger mit vergleichsweise geringen Auftragsvolumina handelt. Die alte Börsenregel, dass Aufträge unter 50 Stück nur einmal am Tag - zum so genannten Kassakurs - ausgeführt werden, ist an den Regionalbörsen längst gefallen.

Insbesondere zwei regionale Handelsplätze lehren Frankfurt mittlerweile das Fürchten: Stuttgart steht im Handel mit den bei Privatanlegern besonders beliebten Optionsscheinen an der Umsatzspitze, Berlin hat sich zu einem wichtigen Handelsplatz mit Aktien ausländischer Unternehmen gemausert. Im Kampf um die Gunst der Privatanleger wurde die Mindestordergröße überall auf eine Aktie heruntergesetzt.

Ein weiterer Versuch der Regionalbörsen, Frankfurt ein Schnäppchen zuschlagen, ist die Schnelligkeitsgarantie. Die Düsseldorfer Börse etwa führt 95 Prozent aller Aufträge in ihrem Parketthandel, die billigst oder bestens aufgegeben werden, innerhalb von zwei Minuten aus.

Xetra-Handel

Im Xetra-Handel ("exchange electronic trading" = elektronischer Aktienhandel) werden zur Zeit schon etwa 85 Prozent des Handels mit den 30 wichtigsten deutschen Standardwerten ausgeführt, Tendenz steigend. Die logische Folge: Seit dem 21. Juni 1999 werden alle deutschen Aktienindizes (so auch der DAX) aus den gemittelten Werten des Xetra-Handels errechnet, nicht mehr wie bis dahin aus dem Parketthandel. Der Xetra-Computer kann über 100 Aufträge pro Sekunde abwickeln. Der Handel mit Aktien via Internet (mit Ausführung im Xetra-Handel) wächst in exorbitanten Raten.

Mittlerweile gehen Online-Broker noch einen Schritt weiter in Richtung Abschaffung des Parketthandels. Sogar außerhalb der Xetra-Handelszeiten, also nun rund um die Uhr, wird über so genannte ECNs ("electronic communication networks" = elektronische Kommunikationsnetzwerke) im Internet gehandelt. Bereits fünf Prozent der Blue Chips und immerhin 30 Prozent der Nasdaq-Werte werden in Amerika mittlerweile außerhalb der eigentlichen Handelszeiten auf diesem Weg gehandelt. So entsteht auch der so genannte "Nasdaq-Future", ein Index, der diesen Nachthandel widerspiegelt und einen Hinweis auf den Handelsstart am darauf folgenden Tag liefert.

Wertpapierhandel an der Präsenzbörse. Gegensatz: Computerhandel



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