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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Gerichte

Bundesverfassungsgericht, Bundesgerichtshof, Schöffengericht, Arbeitgericht, Finanzgericht - in Deutschland gibt es viele unterschiedliche Gerichte, die sich mit verschiedenen Problemstellungen auseinander setzen müssen. Neben der Gesetzgebung und der vollziehenden Gewalt dient die Rechtsprechung als dritte Stütze in der deutschen Demokratie. Sie ist den Richtern und den Gerichten anvertraut.

Die deutsche Gerichtsbarkeit lässt sich grundsätzlich in verschieden Gerichtszweige einteilen:

Der Bundesgerichtshof als oberstes Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in der Bundesrepublik Deutschland sitzt in Karlsruhe. Er wurde am 1.Oktober 1950 eingerichtet. Der Bundesgerichtshof ist im wesentlichen Revisionsgericht. Er überprüft deshalb in der Regel nur, ob das vorinstanzliche Gericht bei seiner Beurteilung des Falles in rechtlicher Hinsicht einen Fehler gemacht hat, ob es also beispielsweise ein Gesetz übersehen oder falsch ausgelegt hat. Anders als ein Berufungsgericht wacht er nicht darüber, ob das Vorgericht den Fall auch tatsächlich richtig beurteilt hat. Es finden daher keine Beweisaufnahmen statt. Der Bundesgerichtshof ist grundsätzlich an die in der Vorinstanz getroffenen Feststellungen des Sachverhalts gebunden. Nur wenn es um Patentsachen geht, wird der Bundesgerichtshof auch als Berufungsgericht und damit als echtes Tatsachengericht zuständig.

Zur ordentlichen Gerichtsbarkeit zählen auch die Zivil- und Strafgerichte mit den Amts- und Landgerichten sowie der Bundesgerichtshof. Die Amtsgerichte sind in Zivilsachen mit einem Einzelrichter besetzt. Er ist zuständig, wenn der Streitwert in vermögensrechtlichen Streitigkeiten höchstens 5.000 Euro beträgt. Außerdem entscheidet das Amtsgericht in Kindschafts- und Familienfragen. In diesem Fall wird der Richter Familienrichter und das Gericht Familiengericht genannt.

Wird um mehr als 5.000 Euro gestritten oder handelt es sich um Klagen aus Amtshaftung, bei der beispielsweise ein Beamter seine Amtspflicht verletzt hat, ist das Landgericht zuständig.

Gegen die erstinstanzlichen Urteile des Landgerichts gibt es die Berufung an das Oberlandesgericht. Das bedeutet, dass das ganze Verfahren dort noch einmal von vorne aufgerollt wird. Es können somit auch alle Zeugen noch einmal vernommen werden.

Im Strafverfahren sieht die Sache etwas anders aus. Hier geht es nicht darum, ob der Käufer an den Verkäufer noch 500 Euro Kaufpreis zahlen muss. Entscheidend ist vielmehr, dass ein Täter für eine bestimmte Straftat eine gewisse Strafe erhalten soll. Ob in der ersten Instanz deshalb das Amtsgericht oder das Landgericht entscheidet, hängt von der zu erwartenden Strafe des Angeklagten ab. Ist zum Zeitpunkt der Anklage nur eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu vier Jahren zu erwarten, entscheidet das Amtsgericht. Gegen das erstinstanzliche Urteil vom Amtsgericht kann der Verurteilte Berufung zum Landgericht einlegen. Dort wird dann die Strafbarkeit des Täters von neuem untersucht. Kommt das Landgericht zum gleichen Ergebnis, kann der Täter Revision beim Oberlandesgericht einlegen.

Stehen mehr als vier Jahre Freiheitsstrafe oder die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sowie die Sicherungsverwahrung im Raum, entscheidet das Landgericht gleich in erster Instanz. Das gilt auch, wenn zwar eine geringere Strafe zu erwarten ist, die Staatsanwaltschaft aber wegen der besonderen Bedeutung eines Falles beim Landgericht anklagt. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn es sich um Straftaten gegen besonders hohe Beamte handelt. Gegen dieses Urteil ist ebenfalls die Revision zum Bundesgerichtshof möglich.

Beim Landgericht gibt es außerdem noch das Schwurgericht. Es ist zuständig, wenn es um besonders schlimme Verbrechen geht, zum Beispiel Mord, Vergewaltigung mit Todesfolge oder um besonders schwere Fälle der Brandstiftung.

Sowohl beim Amtsgericht als auch beim Landgericht sind die meisten Gerichte mit so genannten Schöffen besetzt. Schöffen sind Laienrichter. Beim Amtsgericht werden diese Gerichte sogar ausdrücklich Schöffengerichte genannt. Sie haben keine Berufsausbildung als Richter, können also auch Schlosser oder Hausfrau sein. Sie helfen dem Gericht bei der Urteilsfindung und haben das gleiche Stimmrecht wie Berufsrichter. Beim Schöffengericht, das beim Amtsgericht mit einem Berufsrichter und zwei Schöffen besetzt ist, kann der Berufsrichter sogar von den Schöffen überstimmt werden.

Das Oberlandesgericht entscheidet in erster Instanz nur, wenn es sich um Staatsschutzsachen handelt oder die Anklage auf Völkermord lautet.

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit

Zur Verwaltungsgerichtsbarkeit gehören die Verwaltungsgerichte, die Oberverwaltungsgerichten (in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen Verwaltungsgerichtshöfe genannt) und das Bundesverwaltungsgericht. Verwaltungsgerichte sind in der Regel in erster Instanz zuständig, immer dann, wenn es um öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art geht. Also etwa, wenn die Baubehörde eine Baugenehmigung abgelehnt hat oder die Polizei einen Falschparker wegen Verkehrsbehinderung abschleppen ließ.

Gegen Verwaltungsgerichtsurteile kann man Berufung oder Beschwerde (Letzteres wenn kein Urteil, sondern ein Beschluss erging) beim Oberverwaltungsgericht beziehungsweise beim Verwaltungsgerichtshof einlegen. Dagegen wiederum ist die Revision beim Bundesverwaltungsgericht möglich, dem obersten Verwaltungsgericht in Deutschland. Es wurde 1953 errichtet und sitzt jetzt in Leipzig im ehemaligen Reichsgericht.

Die Finanzgerichtsbarkeit

Zur Finanzgerichtsbarkeit zählen die Finanzgerichte und der Bundesfinanzhof. Die deutsche Finanzgerichtsbarkeit ist in erster Linie für Abgabeangelegenheiten zuständig. Die Finanzgerichte urteilen demnach über die Rechtmäßigkeit von Steuerbescheiden oder von sonstigen Bescheiden der Finanzämter und Zollbehörden.

Die erste Instanz ist das Finanzgericht, welches im Regelfall mit drei Berufsrichtern und zwei Laienrichtern besetzt ist. Gegen die Entscheidung der Finanzgerichte ist die Revision beim Bundesfinanzhof als zweite und letzte Instanz möglich. Der Bundesfinanzhof spricht seit 1950 Recht und sitzt in München.

Die Arbeitsgerichtsbarkeit

Teil der Arbeitsgerichtsbarkeit sind die Arbeits- und Landesarbeitsgerichte sowie das Bundesarbeitsgericht als oberstes Gericht dieses Gerichtszweiges. Arbeitsgerichte sind immer dann zuständig, wenn es um Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus einem zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnis sowie um dessen Begründung oder Beendigung geht.

Die Sozialgerichtsbarkeit

Die Sozialgerichtsbarkeit mit Sozial-, Landessozialgerichten und dem Bundessozialgericht gehören zu dem selbstständigen Gerichtszweig der Sozialgerichtsbarkeit. Die Sozialgerichte sind dann zuständig, wenn beispielsweise um die gesetzliche Renten-, Unfall- oder Krankenversicherung gestritten wird. Gleiches gilt, wenn es um die soziale Pflegeversicherung, die soziale Entschädigung bei Gesundheitsschäden geht, wie zum Beispiel bei bestimmten Angelegenheiten nach dem Schwerbehindertengesetz. Außerdem sind die Sozialgerichte zuständig, wenn etwa um die Arbeitslosenversicherung gestritten wird.

Verfassungsgerichtsbarkeit

Das Bundesverfassungsgericht hat seinen Sitz wie auch der Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Seit seiner Gründung 1951 hat es die Aufgabe, über die Einhaltung der Verfassung zu wachen. Es überprüft die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen und wacht über die Grundrechte der Bürger im Fall ihrer Verletzung durch die öffentliche Gewalt. Es ist aber kein Gericht, was als letzte Instanz über andere Urteile entscheidet, auch dann nicht, wenn ein Urteil eines anderen Gerichtes falsch ist. Das Bundesverfassungsgericht beachtet Fehler bei der Rechtsanwendung oder bei der Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich nicht. Bürger können gegen die Entscheidung der obersten Gerichtshöfe einzig und allein dann das Bundesverfassungsgericht anrufen, wenn sie in einem ihrer Grundrechten verletzt worden sind. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes ist unanfechtbar. An seine Rechtsprechung sind alle übrigen Staatsorgane gebunden.

Neben den deutschen Gerichtszweigen können sich Bürger als letzte Möglichkeit an den europäischen Gerichtshof oder den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wenden, um die Verletzung ihrer Rechte geltend zu machen.

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg wacht über die Einhaltung der Menschenrechtskonvention in den 41 Mitgliedsländern des Europarates. Zur Menschenrechtskonvention gehören wichtige Grundfreiheiten, wie das Recht auf Freiheit und Sicherheit, das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Jedes Land ist beim europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit einem Richter vertreten. Erst wenn das Bundesverfassungsgericht eine Klage abgewiesen hat, können Bürger in Straßburg eine Beschwerde einlegen. Der Gerichtshof kann aber ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht aufheben. Er kann lediglich Verstöße gegen die Menschenrechtskonvention feststellen und entsprechende Gesetzesänderungen verlangen.



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