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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Finanzgerichte

Gegen Akte der Finanzbehörden kann der Bürger regelmäßig Einspruch einlegen. Über dieses Rechtsmittel entscheiden die Finanzbehörden (Finanzämter, Hauptzollämter), die den Verwaltungsakt erlassen haben. Erst wenn dieses Verwaltungsvorverfahren abgeschlossen ist, kann eine Klage beim Finanzgericht (FG) erhoben werden. Gegen die Entscheidung der FG ist Revision oder Beschwerde zum Bundesfinanzhof (BFH) für denjenigen möglich, dessen Begehren nicht (voll) entsprochen wurde. Die Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit prüfen lediglich die Rechtmäßigkeit behördlichen Tuns, nicht aber dessen Zweckmäßigkeit.

Finanzgerichte sind besondere Fachgerichte. Sie entscheiden hauptsächlich über Klagen von Bürgern gegen Bescheide der Finanzämter oder Zollbehörden. Es geht in den Verfahren daher vor allem um die Rechtmäßigkeit von Steuerbescheiden (z.B. wegen Einkommen-, Umsatz- oder Körperschaftsteuer). Seit 1996 befassen sie sich auch mit Streitigkeiten über das Kindergeld. Die Bestrafung von Steuersündern z.B. wegen Steuerhinterziehung gehört dagegen nicht zu ihren Aufgaben. Dies übernimmt die Ordentliche Gerichtsbarkeit (Amts- und Landgerichte). Ein Finanzgericht ist - wie jedes andere Gericht - sachlich unabhängig und nicht an Weisungen der Finanz- oder Zollbehörden gebunden.

Aufbau der deutschen Finanzgerichtsbarkeit

Die Finanzgerichtsbarkeit ist nur zweistufig aufgebaut. Während es bei der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit Verwaltungsgerichte und als zweite Instanz Oberverwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtshöfe) sowie bei der Sozialgerichtsbarkeit Sozialgerichte und als zweite Instanz Landessozialgerichte gibt, sind Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit in den Ländern lediglich die Finanzgerichte (FG) und im Bund der Bundesfinanzhof (BFH).

Die 19 Finanzgerichte (mit derzeit etwa 600 Berufsrichtern) sind so genannte obere Landesgerichte. Soweit nicht bereits im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren geschehen, stellen sie auch die für das einzelne Streitverfahren bedeutsamen Tatsachen fest, etwa durch Zeugeneinvernahme, Einholung von Sachverständigengutachten etc.

Die FG entscheiden durch ihre Senate regelmäßig in der Besetzung von drei Berufs- und zwei ehrenamtlichen Richtern. Letztgenannte wirken nicht mit in Fällen, in denen die Rechtsfragen nicht von grundsätzlicher Bedeutung sind und die keine besonderen Schwierigkeiten aufweisen. Mit Einverständnis der Verfahrensbeteiligten kann auch sonst der Einzelrichter entscheiden (§ 79 a Abs. 3 und 4 FGO). Die ehrenamtlichen Richter sollen sicherstellen, dass auch außerjuristische Überlegungen sowie besondere Erfahrungen, insbesondere auf wirtschaftlichem Gebiet, in ein Urteil einfließen. Sie haben volles Stimmrecht. Die ehrenamtlichen Richter werden auf Vorschlag von Berufsverbänden, Parteien und anderen Organisationen für vier Jahre gewählt.

Steuerbescheid - Einspruch - Klage: Der Weg zum Finanzgericht

Jeder Einkommensteuerbescheid enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung. Hieraus ergibt sich, dass innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides Einspruch eingelegt werden kann. Der Einspruch ist kostenfrei, auch wenn das Finanzamt bei seiner Meinung bleibt und den Einspruch zurückweist. Das Finanzamt prüft - meistens durch einen Sachbearbeiter der Rechtsbehelfsstelle - nochmals die Sach- und Rechtslage. Es kann in vollem Umfang - nach entsprechendem Hinweis möglicherweise aber auch zum Nachteil des Bürgers - neu entscheiden - durch die Einspruchsentscheidung: Auch die Einspruchsentscheidung enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung. Aus dieser ergibt sich, dass nunmehr wiederum binnen eines Monats Klage erhoben werden kann. Grundsätzlich muss die festgesetzte Steuer trotz Einspruchs bzw. Klage zunächst einmal bezahlt werden.

Klageschrift

Das Verfahren vor dem Finanzgericht beginnt mit der Klageschrift. Diese muss beinhalten:

  • den Kläger,
  • den Beklagten (in der Regel das Finanz- oder Zollamt),
  • den Gegenstand des Klagebegehrens,
  • den Bescheid des Finanzamtes (Steuerart, Datum) und die Einspruchsentscheidung (Datum)

Der Kläger muss deutlich machen, welche Entscheidung er vom Finanzgericht erwartet. Die Klageschrift muss eigenhändig unterschrieben werden. Bei Abfassung der Klageschrift kann der Urkundsbeamte des Finanzgerichts helfen. Dieser darf aber nur Hilfe bei der Formulierung der Klageschrift leisten; eine Beratung über die Erfolgsaussichten ist nicht zulässig.

Klageerwiderung

Das Gericht bestätigt schriftlich den Eingang der Klage und teilt dem Bürger das Aktenzeichen seines Verfahrens beim Finanzgericht mit. Das Gericht fordert das Finanzamt auf, die Steuerakten zu übersenden und zur Sache Stellung zu nehmen (Klageerwiderung). Nach dem möglicherweise zeitraubenden Wechsel des Schriftverkehrs kommt es, wenn der Sachverhalt klar ist, per Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung durch drei Berufsrichter zu einer Entscheidung. Ist der Kläger oder das Finanzamt mit dieser Entscheidung nicht einverstanden, kann jeder innerhalb eines Monats die mündliche Verhandlung beantragen.

Im Falle einer mündlichen Verhandlung lädt das Gericht den Kläger und einen Vertreter des Finanzamtes zum Gericht. Beide haben dann Gelegenheit, ihren Standpunkt persönlich in der Verhandlung vor drei Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern darzulegen. Am Ende dieser Verhandlung wird entweder ein Urteil verkündet oder den Parteien mitgeteilt, dass eine Entscheidung schriftlich zugestellt wird.

Der Kläger kann in der mündlichen Verhandlung die Klage auch noch zurücknehmen, wenn er auf Grund der Verhandlung zu der Auffassung kommt, dass sein Begehren wenig Aussicht auf Erfolg hat. Auch das Finanzamt kann auf Grund der mündlichen Verhandlung seinen bisherigen Standpunkt revidieren und sich dazu verpflichten, einen zu Gunsten des Steuerpflichtigen geänderten Bescheid zu erlassen. Auf keinen Fall kann in finanzgerichtlichen Verfahren die Steuer des Klägers erhöht werden; sein Risiko besteht also, neben den Kosten, nur darin, dass seine Klage abgewiesen wird.

Rechtsvertretung

Vor dem Finanzgericht kann der Bürger sich selbst vertreten. Er kann aber auch einen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder einen Rechtsanwalt beauftragen, sogar die Beauftragung eines Lohnsteuerhilfevereins oder einer Gewerkschaft ist möglich. Anders ist die Lage nur in der nächsten Instanz vor dem Bundesfinanzhof, dort gilt Vertretungszwang.

Was kostet ein Prozess vor einem Finanzgericht?

Gewinnt der Kläger den Prozess, so muss das Finanzamt in der Regel die Kosten des Verfahrens tragen. Verliert er, muss er die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und etwaige eigene Kosten eines Bevollmächtigten selbst zahlen. Die Aufwendungen des Finanzamtes müssen nicht erstattet werden. Gibt das Gericht nur zum Teil statt, werden die Kosten verhältnismäßig geteilt.

Ist der Kläger nicht in der Lage, die Kosten eines Verfahrens zu tragen, so kann er Prozesskostenhilfe beantragen. Die Gerichtsgebühren richten sich nach der Höhe der strittigen Steuerersparnis, dem so genannte "Streitwert". So entstehen z.B. bei einem Streitwert von 1000 Euro Gerichtskosten von knapp 200 Euro, bei einem Streitwert von 5000 Euro Kosten von etwa 400 Euro. In den neuen Bundesländern sind die Kosten noch 10 Prozent niedriger. Wenn der Kläger einen Rechtsanwalt beauftragt, kommen selbstverständlich noch dessen Beraterkosten hinzu. Kommt der Kläger während des Verfahrens zu dem Ergebnis, dass er verlieren wird, sollte er angesichts der nicht unbeträchtlichen Kosten prüfen, ob er die Klage nicht besser zurücknimmt. Geschieht dies bevor ein Beweisbeschluss oder ein Gerichtsbescheid unterschrieben ist, und früher als eine Woche vor Beginn des Tages, der für die mündliche Verhandlung vorgesehen war, werden keine Gerichtsgebühren erhoben. Lediglich bestimmte Auslagen (z.B. für Kopien) sind zu zahlen.

Bundesfinanzhof

Ein Urteil des Finanzgerichts kann mit der Revision durch den Bundesfinanzhof mit Sitz in München überprüft werden. Eine Revision ist aber grundsätzlich nur dann möglich, wenn sie durch das Finanzgericht oder den Bundesfinanzhof ausdrücklich zugelassen wird. Die Entscheidung des Finanzgerichts, die Revision nicht zuzulassen, können Sie mit der so genannte Nichtzulassungsbeschwerde angreifen. Hier besteht aber Vertretungszwang!

In den meisten Fällen entscheidet das Finanzgericht aber endgültig. Beim Bundesfinanzhof (BFH) sind gegenwärtig elf Senate mit jeweils einem Senatsvorsitzenden und vier bzw. fünf und in einem Senat mit sechs Richtern tätig.

Anschrift

Postanschrift: Bundesfinanzhof Postfach 860240 81629 München

Lieferanschrift: Ismaninger Str. 109 81675 München

Telefon: 089/9231-0 Telefax: 089/9231-201

Email: bundesfinanzhof@bfh.bund.de

Dieser Kommunikationsweg steht ausschließlich für Verwaltungsangelegenheiten zur Verfügung. Mit diesem Kommunikationsmittel können Verfahrensanträge oder Schriftsätze nicht rechtswirksam eingereicht werden.

Internet: www.bundesfinanzhof.de



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