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Disease Management Programme
Die Lebenserwartung steigt in Nordeuropa kontinuierlich an. Wer Anfang des 21. Jahrhunderts achtzig wird, hat im Schnitt noch sieben bis acht Jahre Leben vor sich. 30 Jahre früher waren es nur vier. Mit zunehmendem Alter steigt jedoch auch das Risiko, chronisch zu erkranken. Das kann Kostenexplosionen verursachen, die das Gesundheitssystem nicht kompensieren kann. Deutschland ist im internationalen Vergleich bei der Behandlung chronischer Krankheiten schlecht organisiert. Disease Management (wörtl.: Krankheitsmanagement) versucht, die Versorgung chronisch kranker Menschen wieder finanzierbar zu machen. Die Bundesärztekammer hingegen befürchtet durch die Programme, die seit Anfang 2002 beschlossene Sache sind, eine Standardisierung der Medizin.
Was sind Disease Management Programme? Disease Management Programme sollen eine koordinierte medizinische Betreuung des Patienten gewährleisten. Haus- und Fachärzte, Krankenhäuser, Rehabilitations-Einrichtungen, Therapeuten sowie Pflegedienste stimmen alle Therapieschritte aufeinander ab. Der Patient wird aktiv in Prävention und Therapie einbezogen. Disease Management Programme (DMP) sollen besonders bei der Versorgung chronisch kranker Menschen angewandt werden, um eine bessere Versorgung zu gewährleisten und Kosten zu sparen. Reform des Risikostrukturausgleichs Die Leistungsausgaben für Versicherte mit chronischen Krankheiten belaufen sich je nach Komplikation auf das Zwei- bis Zehnfache der Ausgaben für einen durchschnittlich Versicherten. Ohne Gegenmaßnahmen sind erhebliche Kostensteigerungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung zu erwarten. Für die Kassen sind chronisch Kranke ein Verlustgeschäft. Bisher berücksichtigte der Risikostrukturausgleich nicht den unterschiedlichen Gesundheitszustand der Versicherten. Für einen 35-jährigen Versicherten mit Diabetes wurden dieselben Kosten wie für einen gleichaltrigen gesunden Versicherten gutgeschrieben. Der für die Kassen bisher nachteilige Risikostrukturausgleich wurde zu Beginn des Jahres 2002 reformiert, um die Versorgung von chronisch Kranken zu verbessern. Dazu wird eine zusätzliche Gruppe im Risikostrukturausgleich geschaffen, aus der die Kosten für chronisch Kranke vergütet werden. Die Patienten müssen sich in speziell strukturierte Behandlungsprogramme, die Disease Management Programme, einschreiben. Die Programme müssen Qualitätskriterien entsprechen, die vom Bundesversicherungsamt überprüft werden. Der Beitragsbedarfsatz dieser Gruppe errechnet sich nur aus den eingeschriebenen Chronikern. Positiver Effekt: Wer an einem DM Programm teilnimmt, kann mit mehr Geld aus dem Ausgleichstopf der Kassen rechnen. Der Beitragsbedarfssatz der nicht-eingeschriebenen bzw. gesunden Versicherten fällt dementsprechend niedriger aus. Wie funktioniert Disease Management? Für die einzelnen DM-Programme werden genaue Zulassungskriterien und Anforderungsprofile entwickelt. Die Behandlung in einem Disease Management Programm muss sich an Behandlungsmethoden orientieren, die weltweit in wissenschaftlichen Studien auf Wirksamkeit und Nutzen überprüft worden sind. Die einzelnen Krankenkassen setzen die DM-Programme unterschiedlich um. Die AOK entwickelte den Curaplan, der dem Hausarzt eine Schlüsselrolle bei der Realisierung der Programme zuschreibt. Andere Anbieter setzen auf Call Center, die Patienten auf Eignung für die DM-Programme überprüfen. Dieser Weg wird aber besonders von den Hausärzten stark kritisiert. Auch der Curaplan der AOK bringt Schwierigkeiten mit sich. Die DM-Programme erfordern einen hohen personellen und organisatorischen Aufwand. Da die Arbeitsbelastung in den Arztpraxen ohnehin sehr hoch ist, kann der erhöhte Personalbedarf nur durch eine entsprechende Vergütung der DM-Programme gedeckt werden, die bisher noch nicht einheitlich geregelt ist. Qualitätssicherung - aber wie? Der Gesetzgeber fordert als Grundlage der DM-Programme eine Medizin, die sich an bestimmten Leitlinien orientiert, die so genannte "Evidenzbasierte Medizin" (EBM). Aus den hier gewonnenen Einsichten werden konkrete Behandlungspläne für bestimmte Krankheiten entwickelt. Forschungsgruppen sollen die DM-Programme ständig auf ihre Wirksamkeit prüfen und den neuesten medizinischen Erkenntnissen anpassen. Dem Arzt sollen dabei Entscheidungshilfen bei der Behandlung chronisch Kranker an die Hand gegeben werden. Nur hohe Qualitätsstandards garantieren den Erfolg und die Wirtschaftlichkeit der Programme. Im Gegensatz zu den angelsächsischen Ländern existieren in Deutschland jedoch keine anerkannten medizinischen Leitlinien. Um eine optimale Versorgung der Patienten durch DM-Programme zu gewährleisten, müssen solche Leitlinien auch in Deutschland entwickelt werden. Bisher gibt es konkrete Leitlinien nur bei Brustkrebs und Diabetes mellitus. Die Einführung einiger DM-Programme, die für 2002, spätestens 2003 geplant war, wird sich dadurch verzögern. Die Ärzte kritisieren die Programme als "Verwaltungsdekrete" einer kassengesteuerten Medizin. Die Mediziner erkennen zwar an, dass Leitlinien den Arzt eine wichtige Hilfe sein können, um auf dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu bleiben. Gleichzeitig befürchten sie aber, dass standardisierte Programme, der Individualität des Patienten und der Therapiefreiheit des Arztes zuwider laufen. Sie kritisieren außerdem die geplante Übermittlung von Patienten- und Arztdaten an die Kassen als massiven Eingriff in die Privatsphäre.
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