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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Umweltökonomische Gesamtrechnungen

1. Zielsetzung der umweltökonomischen Gesamtrechnung (UGR) Im Anschluß an die Konferenz der Vereinten Nationen zu Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro von 1992 ist der Begriff -“Sustainable Development” in die Zielkataloge der Regierungsprogramme aufgenommen worden. Eine allgemein verbindliche Definition, was „Sustainable Development“ konkret bedeutet, gibt es aber noch nicht. Einvernehmen besteht, daß eine nachhaltige Entwicklung nur durch Zusammenführen von ökonomischen, sozialen und ökologischen Zielsetzungen und Maßnahmen erreichbar ist. Dabei müssen die untereinander vernetzten Ziele der Nachhaltigkeit in einem gesellschaftlichen Diskurs verhandelt und durch demokratische Willensbildungsprozeße festgelegt werden. Hierzu werden aufeinander bezogene Umwelt- und wirtschaftsstatistische Informationen, wie sie die UGR bereitstellt, benötigt. Adäquate Informationen für die Sustainability-Diskussion müssen querschnittsorientiert sein und Zusammenhänge aufzeigen: Welche Umweltbelastungen sind mit spezifischen Wirtschaftsaktivitäten und Arbeitsplätzen verknüpft? Wie verändert sich das „Naturvermögen“ durch die wirtschaftlichen Aktivitäten? Wie viel gibt die Gesellschaft für Umweltschutz aus und wie viel müßte sie ausgeben, um bestimmte Handlungsziele im Umweltbereich zu erreichen? Informationen zur Beantwortung derartiger Fragen liefert die UGR. Zentrale Zielsetzung der UGR ist die statistische Erfassung von Veränderungen im „Naturvermögen“, ausgelöst durch wirtschaftliche Tätigkeiten. Analog zu den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, wo für produzierte Vermögensgegenstände Abschreibungen kalkuliert werden, um Wertminderungen zu erfassen, sollen in den UGR Basisdaten für die Berechnung von Abschreibungen auf das Naturvermögen ermittelt werden. Diese Daten sollen zeigen, welche natürlichen Ressourcen durch die wirtschaftlichen Aktivitäten (Produktion/Konsum) einer Periode beansprucht, verbraucht, entwertet, zerstört oder auch wieder hergestellt werden. Dabei sind grundsätzlich nur Trends, Mittelwerte, Verteilungen u. ä. Makroindikatoren von Interesse; Einzelfälle - seien es Stoffe, Standorte und Regionen, Unternehmen oder Störfälle - werden zu statistischen Massen aggregiert. 2. Inhaltliche Struktur Entstehung der Umweltbelastung, Umweltzustand und Umweltschutzmaßnahmen sind die Kategorien, für die statistische Daten bereitzustellen sind. Bei den Belastungen sind grob Stoffströme und Flächennutzungen, beim Umweltschutz präventive und nachsorgende Maßnahmen zu unterscheiden. Im nachstehenden „Flußdiagramm MenschUmwelt-Mensch“ wird diese inhaltliche Struktur skizziert. 3. Methodisches Konzept Die Kalkulationsschritte hin zu Abschreibungen auf das Naturvermögen sind mit vielfältigen methodischen Problemen (Bewertungs-/Aggregationsprobleme, beschränktes Wissen über Ursache-WirkungsZusammenhänge und große regionale Unterschiede) verbunden. Dementsprechend wird es das „Ökosozialprodukt“, als eine Zahl der amtlichen Statistik, nicht geben. Vielmehr zeichnet sich ein Weg ab, wie mit Hilfe gesamtwirtschaftlicher Modellrechnungen von Forschungsinstitutionen Entwicklungspfade in Richtung „Nachhaltige Wirtschaft“ skizziert werden können. Aufgrund der genannten Probleme ist das Konzept der UGR generell so aufgebaut, daß bereits Zwischenschritte Antworten auf wirtschafts- und umweltpolitische Fragen geben können. Die UGR gliedern sich in 5 Themenbereiche: Material- und Energieflußrechnungen, Rohstoffverbrauch, Emittentenstruktur, Nutzung von Fläche und Raum, Indikatoren des Umweltzustandes, Maßnahmen des Umweltschutzes, Investitionen, Ausgaben und Vermeidungskosten zur Erreichung von Standards. Die verschiedenen Themenbereiche sind jeweils durch eine ihnen eigene charakteristische Methode gekennzeichnet. In den Themenbereichen 1 „Material- und Energieflußrechnungen“, 4 „Maßnahmen des Umweltschutzes“ und 5 „Vermeidungskosten“ werden Wirtschaftsstatistiken und Gesamtrechnungsmethoden angewandt, um die von den Wirtschaftssektoren verursachten Stoffströme auf der Input- und Outputseite sowie die getroffenen bzw. denkbaren Umweltschutzmaßnahmen zu bilanzieren. Themenbereich 2 „Nutzung von Fläche und Raum“ befaßt sich mit den Belastungen, die nicht stofflicher Art sind, sondern auf einer geänderten Nutzungsverteilung des Raumes beruhen; methodische Instrumente sind Fernerkundung und Geoinformationssysteme. Im Themenbereich 3 „Indikatoren des Umweltzustandes“ besteht die Aufgabe im wesentlichen darin, die räumlich und inhaltlich isolierten Meß- und Beobachtungsdaten zum Umweltzustand zu geeigneten Indikatoren zu verdichten. Eine „ökologische Flächenstichprobe“ dient in diesem Zusammenhang dazu, Veränderungen in der Diversität von Landschaften, Pflanzen und Tieren auf wirtschaftliche Weise zu sammeln. Wie die untere Abbildung verdeutlichen soll, umfaßt der UGR-Gesamtdarstellungsbereich nicht das Setzen von umweltpolitischen Zielgrößen. Die UGR stellen jedoch für den politischen Entscheidungsprozeß Sachdaten über Kosten und Nutzen alternativer Standardwerte im Sinne von physischen Reduktionszielen zur Verfügung. Beziehung zu den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen Die Diskussion über eine umweltbezogene Erweiterung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen hat ergeben, daß es am sinnvollsten ist, die traditionellen Sozialproduktsberechnungen als wichtiges Hilfsmittel für die kurz- und mittelfristige Wirtschaftsbeobachtung wie bisher fortzusetzen und dazu ergänzend ein Rechenwerk für die Darstellung der ökonomisch-ökologischen Zusammenhänge in einem eigenständigen Datenwerk, einem sogenannten Satellitensystem, aufzubauen. Die Beschränkung auf ergänzende Satellitensysteme bedeutet, daß die Möglichkeit geschaffen wird, neue Konzepte auszuprobieren und auch Daten zu verwenden, die statistisch noch nicht völlig abgesichert sind. Internationale Konzepte für ein Umwelt-Satellitensystem wurden insbesondere von den Vereinten Nationen entwickelt. In einem Handbuch der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen wurde das „System for Integrated Environmental and Economic Accounting (SEEA)“ vorgestellt. In Deutschland wird das UmweltSatellitensystem auf der Basis der konzeptionellen Vorschläge des SEEA im Rahmen der Umweltökonomischen Gesamtrechnungen realisiert. Modellrechnungen Die Aufgabe, gesamtwirtschaftliche Kostengrößen zur Erreichung einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise - vorab definiert auf politischem Wege durch bestimmte Umweltqualitäts- und Handlungsziele - zu ermitteln, liegt außerhalb des Darstellungsbereiches der UGR. Gesamtwirtschaftliche Vermeidungskosten als hypothetische Näherungsgröße für die periodengerechte, monetäre Bewertung der Umweltbelastung bzw. ihrer stufenweisen Reduzierung sind das Ziel umweltbezogener dynamischer, sektoraler Modellrechnungen. Die Ergebnisse der UGRThemenbereiche „Umweltschutzmaßnahmen“ und „Vermeidungskosten“ liefern hier wichtige Grunddaten für derartige makroökonomische Modellrechnungen. Naturgemäß hängen die Ergebnisse von Modellrechnungen in starkem Maße von den zuvor getroffenen Annahmen ab und sollten aus diesem Grund von externen wissenschaftlichen Institutionen durchgeführt werden. 6. Aktueller Arbeitsstand und Ergebnisse Seit rund drei Jahren ist der Datenbestand der UGR soweit ausgebaut, daß umfassende Informationen zu den wesentlichen umweltökonomischen Trends in Deutschland über einen längeren Betrachtungszeitraum (ab 1960) geliefert werden können. Die UGR-Themenbereiche bieten den Rahmen für den kontinuierlichen empirischen Ausbau und die konzeptionelle Vertiefung. Empirische Daten bzw. Zeitreihen über die belastungserzeugenden Wirtschaftsaktivitäten, über detaillierte Material- und Energieflußrechnungen sowie über Emissionen der Wirtschaftsbereiche, über Umweltschutzausgaben und die Bodenbedeckung in Deutschland liegen vor und werden im Rahmen der Fachserie 19 „Umwelt“, Reihen 4-6 des Statistischen Bundesamtes kontinuierlich veröffentlicht. Eckdaten der UGR und die wesentlichen umweltökonomischen Trends der Bundesrepublik Deutschland werden jährlich im Rahmen einer UGRPressekonferenz der Öffentlichkeit vorgestellt. Weiterführende Literatur: Radermacher, W./ Stahmer, C.: Vom Umwelt-Satellitensystem zur UGR. Umweltbezogene Gesamtrechnungen in Deutschland, in: Zeitschrift für angewandte Umweltforschung 7 (4), o. 0. 1994; Radermacher, W./ Stahmer, C.: Vom Umwelt-Satellitensystem zur UGR. Umweltbezogene Gesamtrechnungen in Deutschland, in: Zeitschrift für angewandte Umweltforschung 8 (1), o. 0. 1994; Radermacher, W.: Gesamtwirtschaftliche Umweltkosten, in: Handbuch der Umweltwissenschaften, 2. Erg. Lfg. 8/98, o. 0. 1998; United Nations: Integrated Environmental and Economic Accounting. Handbook of National Accounting. Studies in Methods, Series F, No. 61, New York 1993.



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