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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Sonderabfall

Es gibt keine rechtlich verbindliche einheitliche Definition für den Begriff in der Bundesrepublik Deutschland. Der Begriff wird mit unterschiedlichen Bedeutungen z. T. in Regelungen auf Länderebene benutzt und ist im übrigen umgangssprachlich gebräuchlich. Im Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen (Kreislauf-wirtschafts- und Abfallgesetz, KrW/AbfG) [1], welches am 07. 10. 1996 in Kraft trat, wird statt Sonderabfall die Bezeichnung „besonders überwachungsbedürftige Abfälle“ verwendet. Im europäischen Sprachgebrauch wird „gefährliche Abfälle“ gleichbedeutend benutzt. Es sind spezielle, vornehmlich in Industrie, Gewerbe oder öffentlichen Einrichtungen anfallende Abfälle, die nach Art, Beschaffenheit oder Menge nicht zusammen mit den sog. Siedlungsabfällen entsorgt werden, weil sie in besonderem Maße gesundheits-, wasser-, boden- oder luftgefährdend, explosibel oder brennbar sind oder Erreger übertragbarer Krankheiten enthalten oder hervorbringen können. Die EU-Kommission hat ein Abfallverzeichnis erstellt, in welchem Abfallarten aufgezählt sind, denen sechsstellige Abfallschlüssel zugeordnet wurden. Der sog. Europäische Abfallkatalog (EAK) wird von der Kommission regelmäßig überprüft und ggf. dem technischen Fortschritt angepaßt. Die Verordnung zur Einführung des Europäischen Abfallkatalogs (EAK-Verordnung, EAKV) vom 13. 09. 1996 setzt die Abfallbezeichnungen und -schlüssel des EAK in bundesdeutsches Recht um. Es wird bestimmt, wie die jeweils zutreffende Abfallbezeichnung zu wählen ist und daß spätestens zum 01. 01. 1999 die neuen Abfallbezeichnungen die bestehenden ersetzt haben müssen. Im EAK sind auch die besonders überwachungsbedürftigen Abfälle enthalten. Sie sind noch einmal separat in der Verordnung zur Bestimmung von besonders überwachungsbedürftigen Abfällen (Bestimmungsverordnung besonders überwachungsbedürftige Abfälle, BestbüAbfV) vom 10. 09. 1996 benannt und damit definiert. Das nachfolgende Verzeichnis vermittelt eine Übersicht, indem die branchen- oder prozessartspezifischen Sparten, einschließlich der ersten beiden Ziffern der Abfallschlüssel gemäß EAKV angegeben werden, in deren Abfallgruppen u. a. besonders überwachungsbedürftige Abfälle vorkommen: 02 Abfälle aus der Landwirtschaft, dem Gartenbau, der Jagd, Fischerei und Teichwirtschaft, Herstellung und Verarbeitung von Nahrungsmitteln. 03 Abfälle aus der Holzverarbeitung und der Herstellung von Zellstoffen, Papier, Pappe, Platten und Möbeln 04 Abfälle aus der Leder- und Textilindustrie. 05 Abfälle aus der Ölraffination, Erdgasreinigung und Kohlepyrolyse. 06 Abfälle aus anorganischen chemischen Prozessen. 07 Abfälle aus organischen chemischen Prozessen. 08 Abfälle aus Herstellung, Zubereitung, Vertrieb und Anwendung von Überzügen (Farben, Lacken, Email), Dichtungsmassen und Druckfarben. 09 Abfälle aus der photographischen Industrie. 10 Anorganische Abfälle aus thermischen Prozessen. 11 Anorganische metallhaltige Abfälle aus der Metallbearbeitung und -beschichtung sowie aus der NichteisenHydrometal Iurgie. 12 Abfälle aus Prozessen der mechanischen Formgebung und Oberflächenbearbeitung von Metallen, Keramik, Glas und Kunststoffen. 13 Ölabfälle (außer Speiseöle und 05 und 12). 14 Abfälle von als Lösemittel verwendeten organischen Stoffen (außer 07 und 08). 15 Verpackungen, Aufsaugmassen, Wischtücher, Filtermaterialien und Schutzkleidung. 16 Abfälle, die nicht anderswo im Katalog aufgeführt sind. 17 Bau- und Abbruchabfälle (einschließlich Straßenaufbruch). 18 Abfälle aus der ärztlichen oder tierärztlichen Versorgung und Forschung (ohne Küchen- und Restaurantabfälle, die nicht aus der unmittelbaren Krankenpflege stammen). 19 Abfälle aus Abfallbehandlungsanlagen, öffentlichen Abwasserbehandlungsanlagen und der öffentlichen Wasserversorgung. 20 Siedlungsabfälle und ähnliche gewerbliche und industrielle Abfälle sowie Abfälle aus Einrichtungen, einschließlich getrennt gesammelter Fraktionen. Die mengenmäßig bedeutendsten besonders überwachungsbedürftigen Abfälle aus Industrie und Gewerbe, von denen im Jahr 1990 insgesamt ca. 14,5 x 106 t anfielen. Besonders überwachungsbedürftige Abfälle können zur Verwertung (stofflich: Recycling, energetisch: Verbrennung) oder zur Beseitigung bestimmt sein. Eine Überwachung der Abfallentsorgung wird durch die Verordnung über Verwertungs- und Beseitigungsnachweise (Nachweisverordnung, NachwV) vom 10. 09. 1996 geregelt. Das Nachweisverfahren ist in die Abschnitte: Nachweisführung über die Zulassung der vorgesehenen Entsorgung vor deren Beginn (Vorabkontrolle) und Nachweisführung über die tatsächlich durchgeführte Entsorgung (Verbleibskontrolle) unterteilt. Die Verordnung über Abfallwirtschaftskonzepte und Abfallbilanzen (Abfallwirtschaftskonzept- und -bilanzverordnung, AbfKoBiV) vom 13. 09. 1996 verpflichtet Erzeuger von besonders überwachungsbedürftigen Abfällen bei einem Abfallaufkommen von mehr als 2.000 kg je Abfallschlüssel, Abfallbilanzen (erstmals zum 01. 04. 1998) und Abfallwirtschaftskonzepte (erstmals zum 31. 12. 1999) zu erstellen. Diese sollen Informationen über Art, Menge und Verbleib sowie über die getroffenen oder geplanten Maßnahmen zur Vermeidung, Verwertung oder Beseitigung der Abfälle enthalten. Für die Entsorgerseite benennt die Verordnung über Entsorgungsfachbetriebe (Entsorgungsfachbetriebeverordnung, EfbV) vom 10. 09. 1996 -Auflagen, die ein Betrieb erfüllen muß, um in der Abfallentsorgung tätig werden zu können. Die zweite allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (Technische Anleitung Abfall, TA Abfall) vom 12. 03. 1991 ist eine technische Anleitung zur Lagerung, chemisch/ physikalischen, biologischen Behandlung, Verbrennung und Ablagerung von besonders überwachungsbedürftigen Abfällen nach dem Stand der Technik. Sie legt im Detail die technischen, organisatorischen und administrativen Anforderungen an die Verwertung bzw. Beseitigung der Abfälle fest. In der TA Abfall ist u. a. ausgeführt, wie zu überprüfen ist, ob ein Abfall verwertet werden kann oder beseitigt werden muß. Sonderabfälle werden häufig zunächst konditioniert, d. h. einer chemisch-physikalischen oder biologischen Vorbehandlung unterzogen, um sie in eine Form zu bringen, die für eine nachfolgende Verwertung oder Beseitigung geeignet ist. Verglichen mit anderen Abfallarten besitzen im Bereich der Sonderabfälle die Techniken der Verbrennung und der Deponierung einen besonders hohen Stellenwert. Die Verklappung oder Verbrennung von Industrieabfällen auf Hoher See hingegen wurde von Deutschland aus bereits 1989 eingestellt. Ziele der Sonderabfall-Verbrennung in speziellen Anlagen (Hochtemperaturverbrennung) sind die Reduzierung von Menge und Volumen der Sonderabfälle, die Zerstörung organischer Schadstoffe, die Aufkonzentrierung und nach Möglichkeit Immobilisierung anorganischer Schadstoffe sowie die Nutzung der Verbrennungswärme. Andere Verfahren zur thermischen Behandlung von Sonderabfall, wie Pyrolyse und Hydrierung, sind von erheblich geringerer Bedeutung. Die TA Abfall sieht eine oberirdische sowie eine unterirdische Deponierung in bergbaulichen Hohlräumen vor. Sonderabfälle, die auch nach einer Konditionierung die Anforderungen an eine oberirdische Deponierung nicht erfüllen, d. h. lösliche und bioakkumulierbare Stoffe enthalten, müssen in einer Untertagedeponie abgelagert werden. Durch die untertägige Deponierung soll erreicht werden, die Abfälle langfristig von der Biosphäre fernzuhalten. In der TA Abfall sind zwei Typen von Untertagedeponien benannt: Salzbergwerke im Salzgestein (UTD-Typ 1) und Kavernen im Salzgestein (UTD-Typ 2). Ein Kennzeichen des UTD-Typs 1 ist die Rückholbarkeit der Sonderabfälle während der Betriebsphase, wenn beispielsweise zwischenzeitlich ein rentabler Verwertungsweg entwickelt wurde. UTD-Typ 2 eignet sich besonders für Massenabfälle, die durch Rohrleitungen gefördert werden können. Nach Beendigung der Abfallablagerung soll durch Verfüllung der Schächte die Schaffung eines Systems von Barrieren und damit eine langfristige Nachsorgefreiheit erreicht werden. Die in den vergangenen Jahren durch fehlende Sonderabfallentsorgungskapazitäten gekennzeichnete Situation hat sich, nicht zuletzt durch die Vermeidungs- und Verwertungsaktivitäten der Wirtschaft, gewandelt. Derzeit stehen ausreichende Kapazitäten zur Verfügung, und die Preise für die Entsorgung von Sonderabfällen sind seit 1994 für die meisten Abfallarten stark gesunken. Weiterführende Literatur: Abfallrecht, 4. Aufl., o. 0. 1998; Müller, V.: Sonderabfallentsorgung in der Bundesrepublik Deutschland, 7. Aufl., o. 0. 1999.



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