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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Merkantilismus

(französisch: mercantile kaufmännisch). Wirtschaftssystem im Absolutismus (16. bis 18. Jahrhundert). Der staatliche Geldbedarf, der durch stehende Heere und Berufsbeamtentum sowie königlichen Finanzbedarf entstand, wurde durch wirtschaftliche Betätigung des Staates teilweise gedeckt. Diese bestand hauptsächlich im Aufbau von Manufakturen und im Handel. Um einen Exportüberschuß und damit verbundene Einnahmen zu erzielen, wurde bei Förderung des Exports der Import behindert (z.B. durch Schutzzölle). Hauptvertreter des Merkantilismus waren in Frankreich Colbert, in England Cromwell, in Preußen der Große Kurfürst (Friedrich Wilhelm I.) und Friedrich II. (der Große). Wirtschaftspolitik der westeuropäischen Länder in der Zeit von ca. 1600-1750 bzw. wirtschaftspolitische Vorstellungen, die im Zusammenhang mit dieser Wirtschaftspolitik entstanden. Die Wirtschaftspolitik der Territorialstaaten des 17. Jh. ist nationalistisch orientiert und sucht die Macht und Wohlfahrt des Staates zu fördern. Wo die Bevölkerung gering ist im Verhältnis zur Größe des Landes (deutsche Staaten, Frankreich), bedeutet das - Bevölkerungspolitik; wo Industrie fehlt (Frankreich, Österreich), bedeutet das die Förderung der bestehenden und die Gründung neuer Manufakturen; wo Wohlfahrt und Reichtum vom Seehandel abhängen (England, Holland), bedeutet das die Förderung des Außenhandels und die Protektion des Binnenhandels. Überall fand sich der Wunsch nach einem größeren Geldumlauf, der einerseits Handel und Industrie anregen sollte, andererseits als Garant für (staatliche) Liquidität im Kriegsfall gesehen wurde. Da Geld i.d.R. Metallgeld war, folgte daraus die Forderung nach einem positiven Handelsbilanzsaldo: Der entsprechende Edelmetallzufluss wurde oft als ein Index der wirtschaftlichen Wohlfahrt angesehen. Daneben wurde gefordert, dass Exporte möglichst Güter mit hohem (inländischem) Arbeitsanteil sein sollten, Importe dagegen möglichst nur Rohstoffe. Hinter solchen Vorstellungen stand weniger eine Beschäftigungspolitik als die Idee, möglichst viel einer insgesamt als gegeben angesehenen Produktion ins eigene Land zu ziehen. Was immer die Ziele im einzelnen waren, charakteristisch ist der direkte Eingriff des Staates in wirtschaftliche Angelegenheiten (eigene Unternehmen, Konzessionen, Privilegien oder sonstige Mittel zur Begründung und Begünstigung privater Monopolstellungen, Verordnungen). Trotz der Proteste einzelner Gruppen wurde diese Wirtschaftspolitik von dem aufstrebenden Bürgertum unterstützt, da sie Gelegenheit bot, Reichtum und Macht zu erwerben und damit die überkommenen Standesgrenzen zu sprengen. Die wirtschaftspolitischen Vorstellungen des Merkantilismus finden sich weniger in amtlichen Verlautbarungen als in Traktaten, die oft von Interessierten (oder für sie) verfaßt wurden und i.d.R. praktische Anliegen behandeln. Im Gegensatz zu den moralphilosophischen Systemen des Mittelalters und den wirtschaftstheoretischen Systemen der sich nach 1750 herausbildenden Klassischen Theorie und der Physiokratie gibt es keine »merkantilistische« Theorie, sondern nur einzelne, unverbunden nebeneinanderstehende Einsichten. So führt die Beschäftigung mit der Handelsbilanz besonders in England (etwa bei Thomas MUN, 1571-1641, Josiah CHILD, 1630-1699, oder Sir Dudley NORTH, 1653-1734) zur Formulierung des Zusammenhangs zwischen positivem Handelsbilanzsaldo, Geldumlauf, Inflation und Wechselkursänderungen, die dann später bei Richard CANTILLON (1680-1734) und David HUME (17111776) zur Theorie des monetären Zahlungsbilanzmechanismus wurde. Ebenso führt die Beschäftigung mit inflationären Wirkungen des sich von Spanien aus über Europa ergießenden Zustromes süd- und mittelamerikanischer Gold- und Silberbestände zur Formulierung der Quantitätstheorie des Geldes bei John LOCKE (1632-1704) und David HUME. Die Beschäftigung mit Industrialisierungs- und Bevölkerungspolitik führte bei Sir William PETTY (1623-1687) u.a. zu umfangreichen statistischen Untersuchungen, nicht jedoch zur Entwicklung einer Wachstumstheorie: Dem stand die Auffassung entgegen, dass die insgesamt vorhandene Nachfrage konstant sei und infolgedessen der Vorteil eines Staates notwendigerweise der Nachteil eines anderen Staates sei. Der Verschiedenheit seiner historischen Voraussetzungen entsprechend, tritt merkantilistisches Gedankengut in verschiedenen nationalen Varianten auf. In England und den Niederlanden stand dabei die Diskussion der Handelstätigkeit und protektionistischer Maßnahmen im Vordergrund; in Frankreich war es die Industrialisierungspolitik; in Österreich und den deutschen Staaten führte die Betonung der fiskalischen Seite der Staatstätigkeit im sog. Kameralismus zu einer Vereinigung merkantilistischer und verwaltungstechnischer Argumente. Nach 1750 wurde der Merkantilismus heftig kritisiert. Physiokraten ebenso wie Adam SMITH geißelten die Systemlosigkeit, Sprunghaftigkeit und Willkür staatlicher Eingriffe und spotteten über die Betonung der Handelsbilanz und des Goldzuflusses. Nichtsdestoweniger schufen die merkantilistischen Autoren bei allen Irrtümern im einzelnen die Grundlagen, auf denen die Physiokratie und die Klassische Theorie als systematische ökonomische Lehrgebäude errichtet wurden: Gerade die Systemlosigkeit der merkantilistischen Wirtschaftspolitik regte dazu an, den Gesamtzusammenhang wirtschaftlicher Vorgänge zu analysieren, ebenso wie der unverhüllte Egoismus merkantilistischer Autoren dazu anregte, den Zusammenhang zwischen privaten Interessen und dem Gemeinwohl zu bedenken. Das aber sind die Themen, die die ökonomische Theorie seit 1750 beherrschen. Literatur: Blaich, F. (1963). Viner, J. (1937). Heckscher, E.F. (1932)



 
Weitere Begriffe : Kreditrisiko(politik), Risikoabwälzung | Habitat II | Pfandbriefemission, -ausgäbe
 
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