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Wirtschaftslexikon
über 20.000 Fachbegriffe - aktualisierte Ausgabe 2015
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Haustarifvertrag

Als Haustarifvertrag wird ein Abkommen zwischen dem Management und den Arbeitnehmervertretern (Betriebsrat oder Gewerkschaft) des jeweiligen Unternehmens bezeichnet, in dem Lohnhöhe, Arbeitszeiten und andere Arbeitsbedingungen der dort Beschäftigten geregelt werden. Im Gegensatz zum branchenweiten Flächentarifvertrag kann dabei Rücksicht auf die besondere Lage des einzelnen Unternehmens genommen werden.

Während in Deutschland bisher nur relativ wenige Unternehmen Haustarifverträge abschließen und die kollektiven Lohnverhandlungen traditionell im Vordergrund stehen, wurde in Großbritannien in den achtziger Jahren weitgehend von Flächen- auf Unternehmenstarifverträge umgestellt. Auch in den USA und Japan überwiegen die einzelbetrieblichen Abkommen. Nur in wenigen Branchen sind Flächentarifverträge üblich. Ebenso wie der Flächentarifvertrag haben Haustarife sowohl Vor- als auch Nachteile:

Vorteile:

  • Haustarifverträge erlauben eine stärkere Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage und Leistungsfähigkeit des betroffenen Unternehmens.
  • Die Unternehmen können ihre jeweilige Lohnstruktur besser an den betrieblichen Gegebenheiten ausrichten, also beispielsweise versuchen, knappe Facharbeiter durch entsprechende Lohnangebote zu gewinnen.
  • Bei Einzelabschlüssen können auch die jeweiligen regionalpolitischen Besonderheiten und die Lage am örtlichen Arbeitsmarkt in die Überlegungen beider Seiten einbezogen werden.
  • Bei einzelbetrieblichen Abschlüssen bildet sich eine differenziertere Lohnstruktur. Unternehmen in strukturschwachen Regionen wird dadurch das Überleben erleichtert. Betriebe in Regionen, in denen Arbeitskräftemangel herrscht, können durch höhere Löhne Mitarbeiter aus anderen Landesteilen gewinnen.

Mögliche Nachteile:

  • Die Konflikte zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften werden bei Haustarifverträgen auf die Ebene der Unternehmen verlagert.
  • Das Verhältnis zwischen Unternehmensleitung und Mitarbeitern wird dadurch unmittelbar belastet. Darunter kann das Betriebsklima leiden.
  • Bei einer großen Zahl einzelner Tarifkonflikte kann die Zahl der Streiks zunehmen.
  • Auch die Firmentarife richten sich stark an gesamtwirtschaftlichen Daten und Pilotabschlüssen bekannter Unternehmen aus. Deshalb unterscheiden sich die Lohnstrukturen schließlich doch nicht wesentlich von denen, die sich bei branchenweiten Tarifabschlüssen bilden.
  • Im Falle Deutschlands kommt hinzu: Die Gewerkschaften in der Bundesrepublik sind Massenorganisationen und auf Industrieebene organisiert. Das verschafft ihnen einzelnen Betrieben gegenüber oft eine sehr starke Position und gefährdet die "Waffengleichheit" bei Tarifverhandlungen.

In Zeiten wachsender Arbeitslosigkeit wird häufig eine "betriebsnähere Lohnpolitik" gefordert, damit Unternehmen, die mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, nicht die gleichen Arbeitskosten (Löhne und Lohnzusatzkosten) tragen müssen wie Betriebe mit wachsenden Umsätzen und guten Erträgen. Bei ausreichendem Wirtschaftswachstum dagegen sind Flächenverträge kaum umstritten, da den Unternehmen daran gelegen ist, Arbeitskämpfe möglichst zu vermeiden, weil dadurch ihre Lieferfähigkeit in Frage gestellt wird, Kunden und Märkte dauerhaft verloren gehen können. Überdies sind die Betriebe in wirtschaftlich guten Zeiten eher in der Lage, steigende Lohnkosten über den Preis auf die Abnehmer zu überwälzen.

Ob Haustarifverträge auf längere Sicht zu einer nennenswert anderen Lohnstruktur führen, ist umstritten. Eine Studie der Universität Hannover auf der Basis von 30 westdeutschen Firmentarifverträgen und 30 Branchentarifverträgen ergab, dass sich die Löhne und Arbeitszeiten bei den Betrieben, die Haustarife haben, nicht wesentlich anders entwickeln als bei denen, die Flächentarifen unterliegen. Nach Untersuchungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigen internationale Studien für die siebziger und achtziger Jahre ebenfalls, dass kein eindeutiger Einfluss des Lohnfindungssystems auf die Lohnentwicklung festzustellen war. Allerdings hatten Länder mit zentralisierten Tarifverhandlungen deutlich weniger Arbeitsausfälle durch Streiks als Länder, in denen auf Betriebsebene verhandelt wird. Eine Ausnahme bildet allerdings die Schweiz, wo zwar überwiegend Haustarifverträge abgeschlossen werden, aber das Friedensabkommen Streiks weitgehend verhindert.



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