Aufgabenanalyse
Methodisch gesehen setzt die Verteilung der Aktivitäten in einer Organisation wie einem Unternehmen die systematische Durchdringung der Aufgaben voraus. In der deutschen Organisationslehre hat Erich Kosiol hierfür die wohl bekannteste Systematik entwickelt, die er als Aufgabenanalyse bezeichnet.
Aufgaben sind nach Kosiol “Zielsetzungen für zweckbezogene menschliche Handlungen”. Ein vorgegebenes oder selbstgesetztes Soll gilt es durch zweckbezogene Aktivitäten zu verwirklichen.
Nach dieser Konzeption soll eine Gesamtaufgabe mit Hilfe von fünf Dimensionen gedanklich in Elementarteile, also Teilaufgaben, zerlegt werden:
(1) nach den Verrichtungen
(2) nach den Objekten
(3) nach dem Rang, d.h. nach Entscheidungsund Ausführungsaufgaben
(4) nach der Phase, d.h. nach Planungs-, Realisierungs- und Kontrollaufgaben
(5) nach der Zweckbeziehung, d.h. nach unmittelbar oder mittelbar auf die Erfüllung der Hauptaufgabe gerichteten Teilaufgaben.
In Kosiols Gestaltungslehre werden dann in einem zweiten Schritt, der Aufgabensynthese, aus Teilaufgaben (Elementarteilen) nach bestimmten leitenden Prinzipien organisatorische Einheiten gebildet. Die erste zu bildende Verteilungseinheit heißt - Stelle. Der Leitungsaufbau stellt eine hierarchische Verknüpfung der Stellen durch ihre rangmäßige Zuordnung her.
Die Basis-Leitungseinheit heißt Instanz. Das ist eine Stelle mit Weisungsbefugnis. Die Zusammenfassung mehrerer Stellen unter der Leitung einer Instanz heißt Abteilung. Darüber hinaus werden dann Abteilungen zu Hauptabteilungen usw. zusammengefaßt, bis das gesamte Strukturgefüge errichtet ist. Es läßt sich mit Hilfe eines Organigramms abbilden:
Die Auffassung, dass Spezialisierung und - Koordination die Hauptprinzipien formaler Organisation darstellen, herrschte bereits in der klassischen betriebswirtschaftlichen Organisationslehre und der frühen - Managementlehre vor. Kosiol sprach von Analyse und Synthese. Analyse- und Syntheseprobleme ergeben sich sowohl bei der Strukturierung von Systemen, d.h. der Aufbauorganisation, wie von Prozessen, d.h. der Ablauforganisation.
Neuere Ansätze stellen konkretere Merkmale der Aufgaben in den Vordergrund. Häufig genannte Kriterien der Aufgaben- und Entscheidungsanalyse sind hierbei:
· Aufgabenvariabilität: Die Unterschiedlichkeit der Bedingungen der Aufgabenerfüllung.
· Aufgabeninterdependenz: Wie stark ist die Aufgabenerfüllung von vor- und nachgelagerten Stellen abhängig?
· Eindeutigkeit: Analysierbarkeit der Aufgaben und das Ausmass, in dem die Korrektheit einer Aufgabenerfüllung nachgeprüft werden kann.
· Zahl möglicher Lösungswege und/oder Zahl der richtigen Lösungen.
Die gestaltungsorientierte Aufgabenanalyse gerät sehr leicht in einen Zirkel, weil sich eine Aufgabe in der Regel nicht abstrakt, sondern nur im Rahmen eines schon bestehenden Leistungsprozesses erfassen und analysieren läßt. Dieser setzt jedoch ein Mindestmass an Organisation schon voraus, d.h. die Aufgabe spiegelt zumindest teilweise schon das Ergebnis organisatorischer Gestaltung wider. Eine völlige Trennung von Aufgabe und Organisation ist daher nicht möglich.
Jüngere arbeitspsychologische Arbeiten zur Beschreibung von Aufgaben sowie deren Wahrnehmung durch den Ausführenden stellen nicht die objektive Aufgabe, sondern die subjektiv wahrgenommene als handlungsrelevant in den Mittelpunkt. So betrachtet Hackman die Aufgabe nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Eignungsvoraussetzung (Definition der Aufgabe nach erforderlichen Eignungsmerkmalen) bzw. Verhaltensbeschreibung (Beschreibung des tatsächlichen Verhaltens bei der Bearbeitung einer Aufgabe), sondern geht von der Aufgabe als einer Verhaltensanforderung aus. Unter Verwendung des
S-O-R-Paradigmas kommt er zu folgender Aufgabendefinition: “Eine Aufgabe kann einer Person (oder einer Gruppe) durch einen Außenstehenden übertragen werden oder sich selbst gestellt sein. Eine Aufgabe besteht aus einem Reiz-Komplex und einer Reihe von Anweisungen, die spezifizieren, was gegenüber den Reizen zu tun ist. Die Instruktionen geben an, welche Operationen durch den (oder die) Handelnden im Hinblick auf die Reize durchgeführt werden müssen und/oder welche Ziele zu erreichen sind”.
Reizmaterial bezeichnet dabei das materielle oder soziale Objekt, mit dem eine oder mehrere Personen konfrontiert werden (Maschine, Problem, Konflikt usw.). Dimensionen dieses Reizmaterials sind beispielsweise der Bekanntheitsgrad des Aufgabenobjekts, die Art/Klarheit/Deutlichkeit/Intensität der Reize und die Komplexität, zeitliche Dauer und Überraschungseffekt der Reize. Die Aufforderung “Denke” oder die Konfrontation mit einer Maschine ist noch keine Aufgabe im definitorischen, d.h. hier verhaltensrelevantem Sinn, da nicht gesagt wird, worüber nachgedacht bzw. was mit der Maschine getan (bedient, zerlegt, gesäubert etc.) werden soll. Erst diese Anweisungen präzisieren den Aufgabeninhalt. Dimensionen dieser Handlungsanweisungen sind beispielsweise Regeln der Bearbeitung, Kooperationshinweise, Entscheidungsfindungs- oder kreative Aufgabe und Arten der Informationsverarbeitung.
Darüber hinaus müssen die Aufgabenziele erfaßt werden. Dimensionen sind hier beispielsweise die Zielart der Aufgabe, die Anzahl der Lösungsmöglichkeiten, Zielklarbeit, Leistungsvorgaben. Jede Aufgabenstellung löst ein bestimmtes Verhalten bei den Aufgabenträgern aus; es gilt dann zu untersuchen, ob die Aufgabeneigenschaften und/oder die Persönlichkeits- bzw. Gruppenfaktoren dafür ursächlich sind. Man nimmt an, dass die objektiv gestellte Aufgabe in irgendeiner Weise vom Individuum oder der Gruppe entsprechend den Werten, Einstellungen, Bedürfnissen, Erfahrungen, Fähigkeiten, Gruppennormen, etc. umformuliert bzw. neu definiert wird.
Für Hackman ist dieser Redefinitionsprozess der erste Schritt des Bearbeitungsprozesses einer Aufgabe. Die wahrgenommene Aufgabe als ein Element der Arbeitssituation unterscheidet sich also von der objektiven Aufgabenstellung, sofern nicht durch Androhung erheblicher Sanktionen, durch eine extrem detaillierte Arbeitsanweisung oder technologisch bedingte Zwänge den Individuen keine Wahrnehmungsspielräume ermöglicht werden.
Der Wahrnehmungsprozess wird nach Hackman von vier Faktoren beeinflußt:
· dem Verständnis der Aufgabe durch den Bearbeiter,
· dem Ausmass der Akzeptierung der Aufgabe und der Bereitschaft, sich ihren Anforderungen zu stellen,
· den Bedürfnissen und Werten, die von dem Bearbeiter in die Arbeitssituation eingebracht werden, und
· der Bedeutung früherer Erfahrungen mit ähnlichen Aufgaben.
Ohne die Antinomien der Aufgabenanalyse aufzulösen, orientiert sich die Organisationspraxis in ihren Hauptgestaltungsmustern pragmatisch an den Grundthemen der klassischen Aufgabenanalyse, insbesondere den Verrichtungen und Objekten, und zieht zur Feingliederung konkretere Aufgabenmerkmale, wie z.B. Variabilität und Eindeutigkeit, heran.
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