Mindesteigenkapitalanforderungshöhe, Risiken im Kreditgeschäft
Kreditinstitute können sich auf Basis historischer Ausfall- und Verlustdaten eine Vorstellung von mittleren oder erwarteten jährlichen Verlusten im Kreditgeschäft verschaffen. Erwartete Verluste (Expected-losses, EL) sind eine kalkulierbare Kostenkomponente des Kreditgeschäfts, die durch Wertberichtigungen und Zinsmargen abgedeckt sein sollte. Regulatorisches Eigenkapital sollte daher nur für unerwartete Abweichungen von den erwarteten Verlusten (Unexpectedlosses, UL), vorgehalten werden. Diese Abweichungen können potenziell gross sein, kommen aber relativ selten vor. Typisches Beispiel: gleichzeitiges Ausfallen sehr vieler Kreditnehmer in 1 Jahr, etwa bei Rezession. Die Vorgehensweise der reinen UL-Kalibrierung entspricht auch der Bankpraxis bei Bestimmung des ökonomischen Kapitals. Der Baseler Ausschuss hat die Risikogewichte für Forderungen im IRB-Ansatz neu kalibriert und ist dabei dem UL-Konzept gefolgt. Die reine UL-Kalibrierung der Risikogewichte im IRB-Ansatz hat 2 wesentliche Konsequenzen: 1. Ist von den Kreditinstituten nachzuweisen, dass sie tatsächlich genügend Wertberichtigungen zur Abdeckung der EL gebildet haben; Unterdeckung führt zu Kapitalabzug in Höhe der Unterdeckung. Wenn Kreditinstitute mehr Wertberichtigungen bilden, als auf Basis ihrer EL-Berechnungen nötig, können die Überschüsse bis zu bestimmter Höhe als Ergänzungskapital anerkannt werden. 2. Die reine UL-Kalibrierung führt dazu, dass für ausgefallene Kredite kein Kapital mehr vorzuhalten ist. Die Ursache hierfür liegt im Baseler Risikomodell, in das die LGD als risikolose Konstante eingeht. In der Realität sind ausgefallene Kredite jedoch risikobehaftet, da die tatsächlichen Verwertungserlöse nicht sicher sind. Ausgefallene Kredite erhalten daher eine Kapitalunterlegung, in der insb. auch adverse Konjunktureinflüsse auf die Erlösquoten abgebildet sind. Die Problemlösung besteht darin, dass Kreditinstitute ihre bankinternen LGD-Schätzungen nicht mehr an historischen ausfallgewichteten Mittelwerten (Default-weighted-Average-LGD), sondern an konservativen Konjunkturszenarien ausrichten. Kreditinstitute müssen eine Abschwung-LGD (Downturn-LGD) schätzen, die die vermutlichen Verluste während eines konjunkturellen Ab-schwungs enthält. Für ausgefallene Kredite entsteht Kapitalanforderung als Differenz aus der konservativen Abschwung-LGD und der auf die aktuelle Konjunkturlage konditionierten Wertberichtigung. Für Märkte, Forde-rungs- und Sicherheitenarten ohne signifikanten Unterschied bleibt die Verwendung erwarteter ausfallgewichte-ter LGDs möglich. Die für Anwendung des IRB-Ansatzes erforderliche Genehmigung der Bankenaufsicht kann auf Antrag der Institute und nach Vorortprüfung erteilt werden. Dabei wird die Einhaltung qualitativer und quantitativer Mindestanforderungen geprüft. Diese Mindestanforderungen zielen einerseits auf die Verlässlichkeit der bankinternen Schätzungen der Risikoparameter PD, LGD und EAD ab und damit auf eine angemessene Kapitalunterlegung. Andererseits sollen die Mindestanforderungen sicherstellen, dass die bankinternen Ratingsysteme auch tatsächlich zur Risikosteuerung des betr. Instituts verwendet werden (Beispiel: Nutzung der Ratinginformationen zur Limit- und Kompetenzsetzung in den Managementinformationssystemen sowie in risikogerechter Deckungsbeitragsrechnung). Kreditinstitute, die den IRB-Ansatz nutzen, müssen in einem überschaubaren Zeitraum alle bedeutenden Forderungsklassen in diesen Ansatz überführt haben. Dauerhaft freie Wahl zwischen Standard- und IRB-Ansatz auf Ebene der Forderungsklassen würde potenziell zum »Rosinenpicken« zwischen den beiden Ansätzen verführen: Institute könnten versucht sein, jeweils den Ansatz zu wählen, der geringere Kapitalunterlegung verspricht. Dauerhaftes Verbleiben im Standardansatz ist grunds. nur für Portfolios mit nicht bedeutendem Volumen und Risikogehalt gestattet. In der Bankpraxis verwendete Methoden zur Kreditrisikominderung werden in stärkerem Masse als vorher aufsichtlich anerkannt. So können auch mittelstandstypische Sicherheiten wie Forderungsabtretungen und physische Sicherheiten Eigenkapital entlastend angerechnet werden. Bei Wertpa-pierpensions- u.a. Geschäften, die unter eine gemeinsame Nettingvereinbarung mit einem Kontrahenten fallen, ist es gestattet, alternativ zum umfassenden Ansatz eigene Value-at-Risk-Schätzungen vorzunehmen. Voraussetzung dafür ist aufsichtliche Anerkennung des verwendeten VaR-Modells. Dadurch können Kapitalanforderungen für diese Art Transaktionen signifikant sinken.
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