Wahltarif
In der Gesundheitswirtschaft:
Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) zum 1. April 2007 ist die Möglichkeit der gesetzlichen Krankenkassen deutlich ausgeweitet worden, ihren Versicherten verschiedene Tarife anzubieten (§ 53 SGB V). Der Gesetzgeber hatte mit der Einführung von Wahltarifen zum 1. April 2007 das Ziel, die Wahlfreiheit der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu erhöhen, Anreize zur Stärkung besonderer Versorgungsformen mit entsprechenden Wahltarifen zu setzen sowie den Wettbewerb zwischen den Kassen zu stimulieren. Außerdem dürfte sich die Wettbewerbsposition der GKV gegenüber den privaten Krankenversicherern (siehe Krankenversicherung, private) verbessern.
Dabei wird zwischen solchen Tarifen unterschieden, die die Krankenkassen ihren Versicherten anbieten müssen, und solchen, die sie anbieten können. Kann-Tarife, die sich unmittelbar auf die Beitragsgestaltung auswirken, sind Tarife zur Beitragsrückerstattung bei nicht in Anspruch genommenen Leistungen oder Selbstbehalttarife bei teilweiser Kostenübernahme durch die Versicherten, die mit Prämienzahlungen belohnt werden. Zudem sind Kostenerstattungstarife mit variabler Prämienzahlung vorgesehen, die beispielsweise die privatärztliche Versorgung ermöglichen sowie Tarife für Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen (z. B. nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel wie Homöopathika).
Muss-Tarife mit Leistungsgestaltung sind Wahltarife (meistens in Form von Zuzahlungsermäßigungen oder Prämien), bei denen sich Versicherte für die Teilnahme an besonderen Versorgungsformen wie der integrierten Versorgung, strukturierten Behandlungsprogrammen (DMPs), einer hausarztzentrierten Versorgung, besonderer ambulanterärztlicher Versorgung oder Modellvorhaben nach § 63 SGB V wie Früherkennung oder verbessertem Datenmanagement entscheiden.
Ab 2009 müssen Kassen zudem einen Wahltarif anbieten, der den Anspruch auf Krankengeld für die Versicherten erweitert. Dies betrifft insbesondere Selbstständige und Personen ohne Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wie Künstler und Publizisten.
Die Mindestbindungsfrist von Kann-Tarifen beträgt drei Jahre. Dieser Aspekt ist wichtig, weil Kassen damit ihre Versicherten bis nach Einführung des Gesundheitsfonds an sich binden können. Die Aufwendungen wie Prämien oder Zuzahlungsnachlässe für jeden Wahltarif müssen aus Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen innerhalb des jeweiligen Tarifs finanziert werden. Eine Quersubventionierung der Wahltarife aus Pflichtbeiträgen der Versicherten ist untersagt. Krankenkassen hätten dann nämlich einen Anreiz, durch besondere Tarifgestaltung ihre Versichertenstruktur zu optimieren. Zusätzliche Kosten entstehen den Kassen jedoch durch Marketing und Verwaltung.
Wahltarife wie Selbstbehalt oder Beitragsrückerstattung passen eigentlich nicht in den ordnungspolitischen Rahmen einer solidarischen GKV. Auch wenn sich die einzelnen Tarife aus sich selbst heraus tragen müssen und keine Quersubventionierung erlaubt ist, so besteht doch die Gefahr, dass sich die Versichertengemeinschaft in der GKV entsolidarisiert und dem Gesundheitswesen insgesamt Ressourcen entzogen werden. Die ersten Erfahrungen zeigen jedoch, dass sich die Nachfrage nach derart gestalteten Wahltarifen durch die gesetzlich Versicherten in engen Grenzen hält. Die relativ lange Bindungsfrist von drei Jahren dürfte hier eine entscheidende Hürde darstellen. Es wird noch lange dauern, bis abzusehen ist, ob die verschiedenen Wahltarife der GKV über die niedrigere Beitragsdeckung Ressourcen entziehen oder helfen, die Versorgung effizienter zu gestalten.
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